Hallo, mein Name ist Benjamin. Ich bin süchtig.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Benjamin Benz


Hallo, mein Name ist Benjamin. Ich bin süchtig.

Alles fing ganz harmlos an. Meine Freundin erachtete ihn als das perfekte Geschenk und überreichte ihn mir freudestrahlend. Also schnell ausgepackt, den Lötkolben vorgewärmt und schon begannen wir mit dem gemeinsamen Basteln. Bereits nach ein paar Stunden erwachte er zum Leben. Sogar unsere Katze Rappacino war begeistert. Endlich spielte jemand Fangen mit ihr, kroch mit ihr unters Bett und hinters Sofa, zeigte aber keinerlei Interesse an Katzenfutter. So kam ich auch auf die erste Idee für eigene Erweiterungen: Das Katzenspielzeug sollte er suchen und wieder aus den Winkeln der Wohnung hervorholen. Drei Tage und Nächte sowie etliche Liter Kaffee später präsentierte ich meine Fortschritte Freundin und Katze. Letztere war nicht ganz so erfreut, ihre geheimen Verstecke nun zu verlieren. Als er außerdem begann, die Stoffmäuse zurückzuholen, solange Rappacino sie noch in der Schnauze hatte, hing der Haussegen schief. Meine Freundin wandte vorsichtig ein, ich solle doch mal wieder etwas mehr schlafen - vorzugsweise mit ihr.

Da hatte ich aber bereits die Internet-Foren zu ihm entdeckt und tauschte mich begeistert mit anderen aus. Neue Ideen entstanden und hinterhältige Bugs im Quellcode lösten sich per Teamwork in Wohlgefallen auf. Aber noch viel besser, wir begannen unsere Schätzchen im Simulator virtuell gegeneinander antreten zu lassen. Konsequenterweise traf ich mich mit den Online-Kumpels auch dann und wann im Park. Während wir neue Features planten, mechanische Finessen austüftelten und über Spielregeln für heiße Online-Wettkämpfe stritten, spielten sie miteinander.

Unsere ersten Experimente mit künstlicher Existenz erstaunten uns: Völlig perplex, aber doch mit elterlichem Stolz entdeckten wir, dass sie eine Vorliebe für die Treibjagd auf Yorkshireterrier entwickelten. Deren aufgebrachte Herrchen und Frauchen ließen sich durch begeisterte Erklärungen über die Vorzüge und Möglichkeiten von Schwarmintelligenz und neuronalen Netzen keineswegs besänftigen.

Zu Hause kümmerten sie sich mittlerweile zu dritt um die Sicherheitspatrouille und die Überwachung der Katze. Die aktuelle Position von Rappacino stellten sie ins Internet und waren bereit, jeden Einbrecher zu filmen. Rappacino zog sich ins Exil auf einen Schrank zurück - was kleine, aber für einen gewitzten Programmierer lösbare Probleme bei der natürlich automatisierten Fütterung nach sich zog.

Vielleicht hätte ich meiner Freundin sagen sollen, dass sie die Überwachungsvideos live auf unsere Website streamten - sie wurde sogar richtig aggressiv und verlangte die sofortige Löschung ihrer Duschvideos. Am nächsten Tag waren meine Freundin samt Katze und mein PC verschwunden sowie alle meine Lieblinge mit dem Hammer zertrümmert. In ihrem Abschiedsbrief stand, es sei ihr schwergefallen, aber zu meinem Besten. Daneben fand ich die Adresse dieser Therapiegruppe.

Mittlerweile bin ich trocken und bereue alles. Dennoch werfe ich gelegentlich einen wehmütigen Blick auf die Blaupausen über meinem Bett. Ich kann Euch allen nur raten, lernt aus meinen Fehlern, schlagt nicht Seite 130, c't 2/06 auf und baut unter gar keinen Umständen den Roboter c't-Bot nach. Auch rein virtuelle Experimente mit dem Simulator c't-Sim kann ich nicht empfehlen.

Vielen Dank für Euer Verständnis (bbe)