Rätselraten für Elster

Beim Interpretieren der Eingaben stößt das Programm ElsterFormular für die digitalen Steuervordrucke schnell an seine Grenzen. In vermeintlich anspruchslosen Testfällen fiel die seit Mitte Januar erhältliche Anwendung durch unzutreffende Steuerprognosen auf.

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Von
  • Peter Schüler

Ein Steuersoftware-Entwickler stolperte bei seiner Qualitätssicherung über zwei Testfälle, zu welchen das Programm von www.elster.de falsche Steuer-Vorhersagen abgab. Da stellt sich die Frage, ob diese Fehlprognosen auf Rechenfehlern oder falsch eingetragenen Daten beruhen. Letzteres wäre fatal, da ElsterFormular exakt dieselben Informationen ans Finanzamt übermittelt wie das Telemodul in jedwedem Einkommensteuerprogramm etwa aus dem Vergleichstest in c't 2/06 [1]. Dabei lagen diesen Fällen durchaus realistische Situationen zu Grunde, nämlich die Kinderbetreuung in einer Patchwork-Familie sowie die Vorsorgeaufwendungen eines Pensionärs.

Die kommerzielle Software kam in beiden Szenarien zum selben Ergebnis wie die von uns befragte Steuerberaterkanzlei. Auf Anfrage wies uns die zuständige Oberfinanzdirektion München auf einen Fehleintrag hin: In der Anlage „Kind“ war nämlich der Steuerpflichtige als leiblicher Vater des Kindes eingetragen, seine derzeitige Lebenspartnerin als Stiefmutter („Kindschaftsverhältnis zur Ehefrau“) und unter „Kindschaftsverhältnis zu weiteren Personen“ die leibliche Mutter des Kindes. Das sieht nicht besonders falsch aus und hat in vergangenen Jahren wohl auch keinen Sachbearbeiter bei irgendeinem Finanzamt irritiert, doch für das Elster-Programm ist es eine Hürde, weil im steuerrechtlichen Sinn offenbar für jedes Kind nur genau zwei Elternschaftsbeziehungen zulässig sind. Wenn man einen der drei Elternteile löscht, resultieren plausible Ergebnisse. Das Programm kann aber ohne zusätzliche Informationen nicht beurteilen, welche Einträge maßgeblich sind.

Im anderen Testfall kam zuletzt eine ähnliche Fehlerursache zum Vorschein: Bei zwei dort eingetragenen Positionen für Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit, darunter eine mit Versorgungsbezügen, traute sich das Elster-Programm keine Zuordnung der Versorgungsfreibeträge zu. In der Folge unterließ es die vorgeschriebene Vergleichsrechnung, aus der sich erkennen lässt, ob der Anrechnungsmodus nach altem oder gegenwärtigem Steuerrecht günstiger ist und erkannte auf einen zu geringen Freibetrag. Die Erklärung aus München: Der Finanzbeamte wird das auf jeden Fall selbst bewerten, aber dem Programm fehlen für diese Entscheidung notwendige Informationen.

„Wir betreiben da eine Gratwanderung“, erläutert Burghard Lauhof aus dem Rechenzentrum der Düsseldorfer Finanzverwaltung. „Auf der einen Seite sind wir gehalten, das Elsterformular genauso zu gestalten wie die konventionellen amtlichen Steuervordrucke. Wir dürfen keine Steuerberatung leisten und dem Anwender des Elster-Verfahrens keine Hinweise geben, die in der Ausfüllanleitung für gedruckte Formulare nicht auftauchen.“ Er ist sich aber auch bewusst, dass das Elster-Verfahren ganz andere Rückmeldungen als der Briefkasten des Finanzamts gibt, etwa durch die unmittelbare, wenn auch nicht amtliche Steuerprognose als Resultat der vorgesehenen Eingaben schon vor dem Abschicken: „Nun, ganz vorsichtig erarbeiten wir doch Unterschiede zwischen gedruckten und digitalen Formularen. Etwa das Datenblatt „Unterhaltsleistungen“ haben wir eigens für die elektronischen Erklärungen entwickelt, und wir überlegen auch, ob wir im Zusammenhang mit dem zweiten angesprochenen Testfall zwei zusätzliche Datenfelder ins Elsterformular übernehmen, die sonst der Sachbearbeiter im Amt als Bearbeitungskennziffer ausfüllen würde.“

Insgesamt scheint sicher, dass die Elster-Software dieselben Daten ans Finanzamt überträgt, die auch auf konventionellem Wege dorthin gelangt wären. Wenn das Programm diese Daten mitunter falsch interpretiert, verdeutlicht das nur die vorhandenen Auslegungsspielräume, die dem Steuerzahler freilich beim herkömmlichen Verfahren verborgen bleiben. Dort kann man aber auch erwarten, dass der Sachbearbeiter die Informationslücken durch eigene Überlegungen schließt und zu angemessenen Interpretationen kommt. Bleibt zu hoffen, dass über das Elster-Verfahren nur die nackten Daten zu einer automatischen Steuerfestsetzung beitragen und keinesfalls auch die halbgaren Interpretationen, wie sie das Formularprogramm auf dem Steuerzahler-PC vornimmt. Wer seine Steuererklärung nur per Elster-Programm ohne Kontrolle durch eine andere Instanz abgibt, sollte den Bescheid seines Finanzamts auf jeden Fall sorgfältig prüfen.

[1] Peter Schüler, Navi durch den Steuerdschungel, c't 2/06, S. 102 (hps)