ProzessorgeflĂĽster

Im forschungsintensivsten Teil der Welt, also in Braunschweig, eröffnete der niedersächsische Ministerpräsident Wulff zusammen mit Intels Cheftechnologen Justin Rattner das Intel Germany Research Center. Parallel dazu präsentierte Intel in München das Label „vPro“ für zukünftige Business-PC-Plattformen, und AMD kontert mit einem neuen Research Center in Dresden.

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Von
  • Andreas Stiller

Wulffs Ghostwriter hatte - offenbar im Messestress - keinen so guten Tag erwischt. Die Danksagung an die amerikanische Firma Intel für ihr 100-Milllionen-Dollar-Engagement in Ehren, doch die 40 Arbeitsplätze (38 Ingenieure + 6 Praktikanten) des jetzt offiziell gegründeten Intel Germany Research Center IGRC kommen nicht, wie Wulff darlegte, zu den etwa hundert am Standort Braunschweig vorhandenen hinzu, vielmehr sind diese bereits weitgehend in den letzten Monaten durch hausinterne Umbesetzung entstanden. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze geplant sind, konnte Intel nicht sagen. Weiteren Bedarf hat aber offenbar der frisch gebackene Leiter des neuen Mikroprozessor-Labors, Sebastian Streibl, bei der Corporation angemeldet - er wolle 65 Millionen, so sein internationaler Chef, Joseph D. Schutz, der als Direktor der Microprocessor Technology Labs für die zahlreichen derartigen Forschungseinrichtungen weltweit verantwortlich zeichnet. Multi-Cores mit bis zu 128 Kernen sind sein Themenkreis im Rahmen der „Terascale-Offensive“. Dabei gäbe es keinen plausiblen Grund, von x86-Kernen abzurücken, meinte Schutz im Gespräch mit c't. Aber es werde Änderungen und Erweiterungen geben und anders als bei Suns T1000 (Niagara) habe man auch die Gleitkommaperformance fest im Blick.

Neben dem Mikroprozessorlabor umfasst das neue Research Center noch eine weitere, kleinere Arbeitsgruppe, die sich um Stromspartechniken auf Systemebene kümmern soll - und letztendlich werden in Braunschweig weiterhin optische Netzwerkchips entwickelt und validiert. Mit rund 100 Mitarbeitern gehört Braunschweig damit nicht erst jetzt, sondern nun schon seit geraumer Zeit zu Intels größten „Silizum-Entwicklungsstandorten“ in Europa.

Ob man nun wirklich à la Wulff mit Slogans wie „Heide und Hightech gegen Laptops und Lederhosen“ Niedersachsen gegen Bayern in Stellung bringen kann? (Selbst wenn man davon absieht, dass Braunschweig von der Heide noch ein gutes Stück entfernt liegt.) Und ob es wichtig ist, dass München einst vom Braunschweiger Welfenhaus gegründet wurde? War doch Braunschweigs Patron, der Oberwelfe Heinrich der Löwe, gar ein gebürtiger Schwabe. Dass der Ministerpräsident darüber hinaus den Erfinder der Rechenmaschine, den in Leipzig aufgewachsenen Gottfried Wilhelm Leibniz stolz als Niedersachsen pries ... nun ja, dieser kam erst 30-jährig ins Königreich Hannover. Was würde Deutschland aufheulen, titulierte man den gebürtigen Bonner und 22-jährig nach Wien ausgewanderten Beethoven als Wiener!

Dass Intel in Braunschweig „die schnellsten Many-Cores der Welt herstellen“ will (O-Ton Wulff), ist zumindest sehr pathetisch ausgedrückt, denn der Job des hiesigen Microprocessor Lab ist vorrangig der des „rapid prototyping“, also Testdesigns für zukünftige Multicore-Mikroprozessoren auf Basis von Field Programmable Gate Arrays (FPGA) herzustellen. Damit kann man vier bis sechs Jahre vor der geplanten Markteinführung schon Tests in erträglicher Geschwindigkeit fahren, Hard- und Software anpassen und optimieren. Im Prinzip wird Intel Braunschweig damit zu einem Konkurrenzunternehmen zur amerikanischen Firma Quickturn, die bislang entsprechende, sehr teure Emulationshardware lieferte.

Wie gut es um die FPGA-Expertise der Braunschweiger bestellt ist, konnten die Mannen um Sebastian Streibl schon wenige Monate nach der im Herbst 2005 vollzogenen internen Gründung des Mikroprozessorlabors demonstrieren: Kaum hatte Intel Dateien mit der Prozessorbeschreibung im RTL-Format (RTL: Register Transfer Level) herübergeschickt, brachten sie einen Pentium-artigen x86-Kern in einem FPGA (Xilinx Virtex 4) zum Fliegen - mit etwa 30 MHz Taktfrequenz. Das klingt in der Gigahertz-Welt nach nicht viel, für einen Prozessoremulator ist das jedoch eine ordentliche Geschwindigkeit. Das FPGA bootet damit Linux und Windows XP in erträglicher Zeit. Das hat Intel USA sichtlich beeindruckt: Justin Rattner sah sich gar veranlasst, Anfang des Jahres einen hausinternen Award dafür zu verleihen.

Die prominent besetzte Eröffnungszeremonie gehört wohl primär zu einem groß geplanten Imagefeldzug gegen den „Platzhirschen“ AMD, der sich mit seinem Dresdener Engagement hierzulande immer stärker in Szene zu setzen vermag. Und so nahm sich auch Business-Chef Pat Gelsinger die Zeit, in der Laptop- und Lederhosen-Metropole München die neue Business-PC-Plattform vorzustellen. Konkret geht es hierbei zunächst zwar nur um den Namen für das neue Logo „vPro“, das ähnlich wie Centrino und Viiv mit einem Bündel von Anforderungen rund um Prozessor, Chipsatz und Kommunikation verknüpft ist - Prozessor Conroe, Chipsatz Q965, ein neuer Gigabit-LAN-Netzwerkchip, Treiber und Software - alles zukünftige Produkte, die noch ein paar Monate zur Fertigstellung brauchen, wenn auch manche zumindest den Conroe schon für Ende Mai erwarten. Mehr zu diesem Thema heben wir uns auf, bis die Produkte auch wirklich da sind.

Konkurrenz AMD könnte - so pfeifen die Internet-Spatzen - den Athlon-64-AM2-Prozessor ebenfalls etwas vorziehen, um dem Conroe Paroli zu bieten - der 23. Mai steht hoch im Kurs. Derweil feiert AMD den dritten Geburtstag des Opteron, der bei den x86-Servern im ersten Quartal 2006 laut Mercury Research den beachtlichen Marktanteil von 22,1 Prozent erobern konnte. Und während AMD die Analysten mit einem Gewinn von 183 Millionen Dollar zufriedenstellen konnte - im Vorjahresquartal gab’s noch einen Verlust von 17 Millionen -, enttäuschte Intel mit einem von 2,2 Milliarden auf 1,3 Milliarden deutlich geschrumpften Nettogewinn.

Intels verstärkte Deutschlandaktivitäten beantworten die „Dresdener“ auf ihre Weise - mit einem neuen deutschen Research Center: dem Operation System Research Center OSRC. Das besteht zunächst nur aus einer Hand voll Mitarbeiter rund um den in der Linux-Szene gut bekannten Chris Schläger - ehemals Entwicklungsleiter bei Suse. Doch bis Jahresende, so Schläger, will man sich auf zweistellig verstärkt haben und später auf eine Kopfzahl von ein paar Dutzend aufrüsten, so man geeignete Leute findet, die sich sowohl mit Betriebssystemen (vorrangig Linux) und Prozessorarchitekturen (vorrangig Athlon 64/Opteron) gut auskennen. Virtualisierung rund um Xen und Pacifica steht hier zunächst im Mittelpunkt, auch die Sicherheitstechnik Presidio - primäres Ziel sei aber nicht, die Betriebssysteme zu optimieren, sondern weitere Optimierungsmöglichkeiten für die Prozessoren aus den Anforderungen der (virtualisierten) Betriebssysteme zu erarbeiten. (as) (as)