ProzessorgeflĂĽster
AMD soll - so schallte es durchs Internet - mit reversem Hyper-Threading als Geheimwaffe gegen die Intel-Core-2-schtäj-Duo-Offensive angehen. Und die Finanzpresse stellte in den Charts einen „bullischen inversen SKS“ bei der Intel-Aktie fest, und zwar kurz nachdem Intel den im letzten Geflüster angedeuteten Verkauf der XScale-Sparte in die Tat umgesetzt hat.
- Andreas Stiller
Nicht Broadcom oder Analog Devices - beides heiß gehandelte Jagdfavoriten -, sondern die Marvell Technology Group (MRVL) ist die Firma, die den Intel-XScale-Problembären erfolgreich abschießen konnte - woraufhin nach den bärischen Börsenregeln der Marvell-Aktienkurs gleich um 20 Prozent einbrach. Für die Peanuts von 600 Millionen Dollar plus 100 Millionen Dollar in Aktienoptionen bekam Marvell die komplette XScale Application and Business Processor Unit. Der Deal umfasst die amerikanischen Design- und Fertigungsstätten in Folsom/Kalifornien und Chandler/Arizona, weitere in Taipeh und Shanghai und insbesondere auch die Entwicklungsabteilung (DSPC) für Handy- und Smartphone-Chips im israelischen Petach Tikva, die Intel vor sieben Jahren für immerhin 1,6 Milliarden Dollar eingekauft hatte. Insgesamt 1400 Arbeitsplätze sind mit dem Verkauf verknüpft, die Marvell gemäß Vorvertrag weitgehend übernehmen will. Was aus dem rund 50-köpfigen Entwicklungsteam in Ulm wird, das für XScale Disassembler, Debugger und so weiter designt, ist indes noch unklar.
Nicht in das Verkaufspaket - das jetzt zwar geschnürt, aber noch nicht endgültig abgeschickt ist - gehört die Netzprozessorabteilung rund um den High-Performance-Xscale-Kern, die frühere Firma Level 1. Aber auch hierfür sucht Intel offenbar einen Käufer. Und die Aufräumarbeiten der Kalifornier gehen noch weiter - so lässt man alte Prozessorlinien im Embedded-Bereich auslaufen (siehe S. 31). Das könnte auch das baldige Ende der Fab 8 in Jerusalem bedeuten, wo die Oldtimer noch „vom Band“ laufen. Einer der Hauptkunden der in der Fab 8 gefertigten Chips in einem zwar groben, aber sehr sicheren „Zero-Defect“-Fertigungsprozess ist übrigens die Bosch-Gruppe, die in Jerusalem Chips für den Automobilbereich herstellen lässt. Bosch fertigt auch selbst auf 150-mm-Wafern in einer Fab am heimischen Standort in Reutlingen, und hier will Bosch auch eine neue 200-Millimeter-Fab hochziehen (zunächst in 0,35-µ-Technik, später auch 0,18 µ), die 2009 den Betrieb aufnehmen soll. Und die Bosch-Gruppe hat auch in anderen Sphären viel vor. Zur gleichen Zeit als Marvell und Intel ihren Deal bekannt gaben, meldete der Bosch-Geschäftsbereich Security Systems eine größere Akquisition in den USA: Für 420 Millionen US-Dollar kauften die Stuttgarter die Telex Communications Holdings, ein Anbieter professioneller Audio- und elektroakustischer Systeme.
Umzugspläne
Und während Intel den Woodcrest-Doppelprozessor in der letzten Juni-Woche offiziell vom Stapel ließ - und in der chinesischen Overclocker-Szene schon Benchmark-Ergebnisse vom Quad-Core mit Codenamen Kentsfield kursierten - „paarten“ sich am Vortag zur Supercomputer-Konferenz in Dresden (siehe S. 18, c't 15/06) AMD und Microsoft zu einem gemeinsamen Event in der dortigen Fabrik 30. Microsoft wollte hier den Einstieg in das High-Performance-Computing mit dem Compute Cluster Server 2003 feiern und AMD ein Update der Prozessor- und Fabrikationspläne geben.
Die Fab 30 soll beginnend im nächsten Jahr für 2,5 Milliarden Dollar zur Fab 38 für die Produktion von 300-mm-Wafern umgebaut werden. Die neu erbaute zweite Fabrik (Fab 36), so versicherte Werkschef Hans Deppe, habe im Frühjahr die Produktion von 90-nm-Chips mit einer unglaublich hohen Ausbeute (yield rate) aufgenommen, von Anfang an genauso hoch wie bei der Fab 30 nach mehrjähriger Lernkurve. In der zweiten Jahreshälfte soll es dann mit der 65-nm-Produktion losgehen. Wenn schließlich ab 2008 die 45-nm-Produktion läuft, könnte aber AMD für die darauf folgende 32-nm-Prozessgeneration nach New York auswandern - das sieht jedenfalls ein kürzlich bekannt gewordenes Optionspapier vor. Immerhin lockt ein Subventionsangebot von einer Milliarde Dollar. Der Umzug sei aber noch längst nicht entschieden, betonte AMD überdeutlich in Dresden - in New York herrsche derzeit Wahlkampf, sodass mancher der dortigen Politiker zwischen Option und Vertrag nicht so richtig unterscheiden könne. Das ist offenbar ein deutlicher Wink mit großem Zaunpfahl in Richtung von Angela Merkel, die sich in dieser Sache sicher noch einmischen wird - sobald sie sich von den kleineren Strapazen der Steuer-, Gesundheits- und Länderreform und den größeren der WM erholt hat. Nach der herben Niederlage gegen Italien musste sie jedenfalls zunächst die Mannschaft trösten.
TSCnow!
AMDs Anti-Intel-Waffe „reversed Hyper-Threading“ ist ein hübsches Gerücht, das seit einiger Zeit im Internet kursiert. Es soll eine Technik sein, bei der sich zwei Prozessorkerne als ein einziger ausgeben und so gemeinsam an Single-Threaded-Applikationen arbeiten. Margaret Lewis, AMD Director of Commercial ISV Marketing, lächelte, als ich sie bei dem Event nach diesem Gerücht befragte. Lewis wollte es weder bestätigen noch dementieren und meinte lapidar, AMD forsche an zahlreichen Techniken zur Performance-Verbesserung. Vielleicht haben die Gerüchtemacher auch nur den „AMD Dual-Core Optimizer“ in den falschen Hals gekriegt. Hinter diesem aufgeblasenen Namen verbirgt sich lediglich ein AMD-Patch-Tool, das Probleme mit dem Timestampcounter und dem Power Management von Dual-Core-Prozessoren unter Windows XP SP2 kaschiert. Also von wegen Dual-Core Optimizer - wer weiß, vielleicht schafft es AMD ja noch, diesen Bug als TSCnow! zu vermarkten.
Echte Dual-Core-Optimizer sind dagegen moderne Compiler, wie die von Intel und PGI, die in bestimmtem Rahmen sogar automatisch parallelisieren können (siehe S. 216). Und weil AMD compilermäßig schlecht mit Intel kooperieren kann und die PathScale/Qlogic-Compiler nur für Linux zur Verfügung stehen, hat sich AMD mit der Portland Group PGI verbündelt. Deren Compiler bieten in der aktuellen Version 6.1 spezielle Opteron-Optimierungen für alle möglichen Betriebssysteme, unter anderem natürlich auch für Windows 64. Und für jenes gibt es schließlich auch noch die Microsoft-Compiler, die man mangels Fortran aber nicht für alle Programme der so besonders wichtigen SPEC2000- und der langsam überfälligen SPEC2006-Suite nutzen kann - „noch nicht“, wie Microsofts Compiler-Chef auf dem Event vielsagend zum Thema Fortran andeutete. (as) (as)