Trautes Heim
Wenn wachsende Anforderungen der Website die Grenzen des Hosting-Pakets zu sprengen drohen, muss ein eigener Rootserver her. Dedizierte Mietgeräte in Rechenzentren von Providern sind erschwinglich geworden. Konkurrenz bekommen sie von virtuellen Linux-Servern, die für weniger als zehn Euro pro Monat zu haben sind. Ein Test zeigt, welche Serverklasse welchen Bedürfnissen entspricht.
- Helge Cramer
- Holger Bleich
Mieter von vorgefertig-ten Webhosting-Paketen können bisweilen ein langes Klagelied von den Einschränkungen singen, die ihnen ihr Hausherr auferlegt. Skripte brechen vor Beendigung ab, weil ihre Ausführung die Nachbarn auf dem Server stören könnten. Einige PHP-Funktionen bietet der Hoster aus Sicherheitsgründen gar nicht erst an. Und an die Installation des dringend benötigten Apache-Moduls ist ohnehin nicht zu denken.
Ambitionierte Webmaster stehen deshalb früher oder später vor der Entscheidung, ihr Shared-Hosting-Paket gegen einen eigenen Server einzutauschen. Linux-Kenntnisse vorausgesetzt, können sie dann ihr System von Grund auf den eigenen Bedürfnissen anpassen und beliebig ausbauen [1, 2]. Ob Gameserver, Streaming-Server für Videos, Webmail-Server für den gesamten Freundeskreis oder Heimstatt für die komplexe Web-Applikation - alles wird möglich.
Viele deutsche Webhoster haben auf diese Bedürfnisse reagiert und bieten inzwischen Miet-Server zu Preisen an, die kaum höher sind als die komfortabel ausgestatteter Webspace-Pakete. Außer mit dedizierten Servern, also kompletten physikalischen Systemen, treten die Provider zunehmend mit virtuellen Servern auf den Plan und buhlen um die Gunst der Mieter. Auf virtuellen Servern teilt sich der Kunde ähnlich wie beim Shared (aufgeteilten) Hosting den Platz und die Rechenleistung einer Maschine mit anderen Webmastern. Doch er erhält eine Systemumgebung, die wie bei dedizierten Servern den vollen Zugriff bis auf Root-Level bietet. Außerdem bringen die Hoster weniger Kunden als beim Shared-Hosting auf den Servern unter und können damit dem einzelnen Kunden mehr Ressourcen garantieren.
Klassenkampf
Virtuelle Server bilden in gewisser Weise also die Mittelklasse zwischen Shared-Webhosting-Paketen und dedizierten Servern. Das gilt allerdings nicht zwangsläufig auch für die Leistung. Meist sind die Pakete auf kraftstrotzenden Mehrprozessor-Maschinen untergebracht. Eine entscheidende Rolle spielt insbesondere, wie viele der Server auf dem physikalischen System Platz finden und welche Leistung die virtuellen Nachbarn auf dem System für sich beanspruchen. Zwar teilt der Provider den Servern Ressourcen dynamisch zu, sodass die Wahrscheinlichkeit, im Mittel über deutlich mehr als die vertraglich zugesicherte Leistung verfügen zu können, ziemlich groß ist. Aber je nach Anzahl und Aktivität der Nachbarschaft können Leistungsschwankungen systembedingt groß sein. Ein erheblicher Vorteil von dedizierten gegenüber virtuellen Servern ist also die definierte Hardware-Leistung.
Auf der anderen Seite ist nicht zu unterschätzen, dass virtuelle Server in der Regel auf hochwertiger, redundant ausgelegter Hardware laufen. Diesen für den Serverbetrieb ausgelegten Maschinen kann im Mittel eine höhere Stabilität unterstellt werden als einem günstigen dedizierten Server aus Standard-PC-Komponenten. Wer also Wert auf Ausfallsicherheit legt und mit der zugesicherten Mindestleistung auskommt, könnte bei gleichem Preis mit dem virtuellen Server besser bedient sein als mit einem dedizierten System.
Die virtualisierten Linux-Umgebungen unterscheiden sich aus Kundensicht wenig von dedizierten Servern. Konstellationen, bei denen man den Unterschied merkt, sind eher theoretischer Natur und für die meisten Kunden irrelevant. So stößt man bei Anwendungen, die sehr hardwarenah agieren, unter Umständen auf unüberwindbare Schwierigkeiten, da der Zugriff auf die Hardware nicht direkt, sondern immer über eine zwischengeschaltete Abstraktionsschicht der Virtualisierungssoftware erfolgt. Etwa der Einsatz einer Großzahl von Tools zur Netzwerkanalyse ist auf einem virtuellen System nicht oder nur eingeschränkt möglich.
Anders als bei der Virtualisierung der Hardware-Ebene (zum Beispiel VMware oder VirtualPC) ist die Technik, wie sie bei virtuellen Servern zum Einsatz kommt, wesentlich ressourcenschonender und performanter. Hierbei werden voneinander isolierte, sichere Umgebungen geschaffen. In jeder dieser Umgebungen läuft das Betriebssystem so, als wäre es das einzige auf der Maschine. Man kann jede virtuelle Umgebung separat booten, voneinander unabhängige Benutzer anlegen, IP-Adressen verwenden, Prozesse verwalten, Systembibliotheken und Konfigurationsdateien ändern, ohne dass der Host-Prozess oder parallel laufende virtuelle Umgebungen etwas davon mitbekommen.
Die von allen im Test antretenden Hostern eingesetzte Virtualisierungssoftware Virtuozzo des Herstellers SWsoft sorgt auĂźer fĂĽr den Zugriff auf die Hardware auch dafĂĽr, dass jede einzelne virtuelle Umgebung garantierte Ressourcen zur VerfĂĽgung hat und Anwendungen der einzelnen virtuellen Prozesse - beispielsweise beim Zugriff auf die Hardware - nicht miteinander in Konflikt geraten.
Super-Power-Highend-Plus
Der kommende Administrator steht vor einem Wust von Angeboten. Aussagen wie „100 Prozent Server-Power“ oder „Performance-Index 400“ verwirren ihn gerade bei virtuellen Servern oft mehr, als dass sie helfen. Statt sich von kostenlosen Dreingaben wie Akkuschraubern, Cocktail-Mixern oder Kickertischen vom Wesentlichen ablenken zu lassen, sollte er die Ausstattungslisten mit den eigenen Bedürfnissen in Deckung bringen.
Rechnet man mit steigenden Besucherzahlen und hohem Traffic, spielen das inkludierte freie Transfervolumen und der Preis für zusätzlichen Traffic eine wichtige Rolle. Für die Bereitstellung von Videos oder großvolumigen Multimedia-Sammlungen gibt der im Paket enthaltene Webspace beziehungsweise die Größe der Festplatte den Ausschlag. Sicherheitsbewusste Webmaster stellen automatische FTP-Backups, Monitoring-Services und Redundanz in den Vordergrund. Andere Anwender legen mehr Wert auf günstigen Support, bequeme Administrationsmöglichkeiten jenseits der Kommandozeile oder die Möglichkeit, mehrere Domains oder IP-Adressen ohne Zusatzkosten nutzen zu können. Für wieder andere Anwender gibt allein der Preis den Ausschlag.
Einige Provider reagieren flexibel auf spezifische Wünsche der Kunden, lassen sich allerdings für derlei Zusatzdienste teilweise fürstlich entlohnen. Wer auf solche Zusatzleistungen verzichten will, kann deutliche Einsparungen erzielen. Angebracht ist eine Lektüre der Vertrags- und Geschäftsbedingungen (AGB).
Wie bei DSL-Zugängen besteht auch beim Webhosting ein Trend zu längeren Vertragslaufzeiten. Kurze Laufzeiten und Kündigungsfristen gehen oft mit Preisaufschlägen oder einer deutlich ausgedünnten Angebotsauswahl einher. Umgekehrt bieten Provider bei Vertragslaufzeiten von 12 oder sogar 18 Monaten teilweise erhebliche Preisnachlässe, erlassen die Setup-Gebühren oder stellen ihre Systeme sogar monatelang ohne Berechnung zur Verfügung.
Ähnlich wie im DSL- und Mobilfunkmarkt werden die Tarife und Vertragsbedingungen zunehmend undurchsichtiger, das Kleingedruckte nähert sich in Umfang, Farbgebung und Komplexität immer mehr den Pflichtangaben für den Bezug von Klingelton-Abos an. Bei so manchem Angebot springt ein monatlicher Mietpreis von 1 oder gar 0 Euro ins Auge und wird erst bei genauem Hinschauen mittels Sternchen und zugehöriger Fußnote relativiert. Unsere Vergleichstabellen ab Seite 140 vermitteln einen Überblick zu den Zusatzfunktionen und Vertragsbedingungen.
Literatur
[1] Andreas Neue, Dr. Harald Leinders, Offene Festung, Linux-Rootserver einrichten und absichern, c't 6/06, S. 244
[2] Andreas Neue, Dr. Harald Leinders, An die Arbeit, Linux-Rootserver mit LAMP fit fĂĽrs Web machen, c't 9/06, S. 218 (hob)