BND/NSA-Affäre: Opposition nimmt Sonderermittler in die Mangel

Fehlende Sachkenntnis, Falschdarstellungen, Befangenheit: Linke und Grüne sparten im NSA-Untersuchungsausschuss nicht mit Kritik an der Arbeit des Ex-Bundesrichters Kurt Graulich, der im Regierungsauftrag Selektoren prüfte.

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BND

(Bild: dpa, Soeren Stache)

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Vertreter der Opposition und der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die vom Bundesnachrichtendienst (BND) abgelehnten NSA Selektoren, Kurt Graulich, lieferten sich am Donnerstagabend einen heftigen Schlagabtausch im Bundestag. Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht treffe in seinem Prüfbericht "falsche Feststellungen", warf der Linke André Hahn ihm im NSA-Untersuchungsausschuss vor. Seine Fraktionskollegin Martina Renner hieb in die gleiche Kerbe: "Ich wäre froh gewesen, wenn Sie sich sachkundig gemacht hätten."

Den gesamten mehrmonatigen Prüfvorgang der knapp 40.000 NSA-Selektoren tat Renner als "Farce" ab. "Sie nehmen nur Informationen des BND zur Kenntnis, dekontextualisieren alles", ging die Linke Graulich scharf an. Der Jurist, der den Kooperationsansatz trotz Rechtsverstößen prinzipiell befürwortete, sei in der neuen BND-Zentrale in der Berliner Chausseestraße in eine "Black Box" gesetzt und "indoktriniert" worden.

Der grüne Obmann Konstantin von Notz beschuldigte Graulich, offensichtlich Teile aus einem umstrittenen Gutachten kopiert zu haben, das der BND im Sommer 2013 nach den Snowden-Enthüllungen "mit heißer Nadel gestrickt" habe. Selbst Vertreter des Bundeskanzleramts hätten darin vertretenen Auffassungen mittlerweile widersprochen. Schon zu Beginn der Anhörung des Sachverständigen hatte von Notz klargestellt, dass die Opposition das von der Koalition gewählte Prüfverfahren komplett ablehne.

Graulich versuchte, sich nicht nur mit Zitaten von Jürgen Habermas und Joseph Beuys als unabhängigen Geist darzustellen. Ihn beeindrucke "weder schlechte Presse" noch der BND oder kritische Fragen von Abgeordneten, unterstrich er. Bevor er sich von irgendjemand unlauter beeinflussen lasse, lese er lieber "ein gutes Buch". Von Notz bot er an: "Vielleicht trinken wir zusammen eine Flasche Whiskey." Dieser konterte mit Verweis auf ein Spionageprogramm des britischen Geheimdiensts GCHQ, dass dann wohl am besten ein "Monkeyshoulder" passe.

Ab und an platzte Graulich trotz aller trockenen Kommentare doch der Kragen. "Sie versuchen mir einen Schuh anzuziehen, zu dem ich mich nicht verpflichtet habe, ihn zu tragen", wetterte er einmal in Richtung Opposition. Ein andermal empörte er sich über einen Angriff auf ihn: "Sie behaupten, Sie schießen nicht auf die Person. Aber Sie treten. So kommen Sie nicht durch." Einem weiteren Abgeordneten hielt er vor, Dinge zu verzerren: "Sie sind neben der Spur."

Von einem "Tunnelblick" auf die Spionageaffäre wollte der 66-Jährige ebenfalls nichts wissen, höchstens von einem klar beschränkten Auftrag. So könne er sofort mit der Opposition in die Klage über eine unangemessene Weitergabe von Metadaten durch den BND an die NSA einstimmen. "Das war aber nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes" und "steht nicht in meinem Vertrag".

"Etwas ratlos" zeigte sich der Sonderermittler, als ihm Linke und Grüne dafür rügten, immer nur von der begrenzten Satellitenaufklärung zu sprechen. Alle, mit denen er geredet habe, hätten ihm dies so dargestellt. Dass die Selektoren auch beim Projekt Eikonal zur Netzüberwachung eingesetzt worden seien, habe er bislang nicht gehört.

Wie Graulich vertrat der im Anschluss vernommene Werner Ader, Leiter des BND-Justiziariats, die umstrittene "Weltraumtheorie". Diese besagt, dass der Geheimdienst insbesondere Satellitendaten nicht mit seinen Schüsseln am Standort Bad Aibling erfasst, sondern im rechtsfreien Bereich der beteiligten Himmelskörper.

"Die These, dass wir direkt an Satelliten Informationen erheben, halte ich für zutreffend", gab der Referatsleiter zu Protokoll. Die offenbar im August 2013 entwickelte Theorie "bildet das, was in Bad Aibling stattfindet, am sach- und realitätsgerechtesten ab". Obwohl an dem bayerischen Horchposten "sehr anspruchsvolle Technik" nötig sei, um den teils nicht geostationären Satelliten überhaupt zu folgen und atmosphärische Störungen auszufiltern, halte er das Konstrukt "mitnichten" für abwegig.

Im Graulich-Bericht findet Ader die BND-Auffassung "ganz kurz korrekt angerissen". Die Behörde habe für den Sonderermittler ihre Position zusammengestellt und mit ihm darüber diskutiert. Eine Datenweitergabe an die NSA müsse unterbleiben, wenn äußere Belange der Bundesrepublik oder Anforderungen zum persönlichen Schutz der Betroffenen einer solchen entgegenstünden, konstatierte der Justiziar. Falls sich etwa Standortdaten "letal" auswirken könnten, führe der BND deswegen eine "Verunschärfung" durch.

(axk)