Teamwork im Netz
Möchten Studenten, Arbeitsgruppen oder Unternehmen zur selben Zeit, womöglich noch über den Erdball verteilt, dieselben Dateien bearbeiten, brauchen sie technische Unterstützung. Zahlreiche Programme und Dienste versprechen eine reibungslose Zusammenarbeit über LAN oder das Internet - auch kleinen Teams mit begrenztem Budget.
Teamwork könnte so schön sein - wären da nicht die anderen. Sie verplempern Stunden damit, sinnlose Details zu regeln und unauffindbar in Mailwüsten zu vergraben, anstatt ein paar der dringenden Dinge endlich zu erledigen. Sie überschreiben mit einer veralteten Schrottversion genau jene Datei, in der man selbst gerade seine jüngsten Inspirationen in eloquente Formulierungen gegossen hat. Wenn ein längst überholter Passus hartnäckig bei jedem neuen Zugriff auf den Projektbericht wieder auftaucht, obwohl man ihn bereits zum dritten Mal gelöscht hat, wünschen sich manche, ganz allein zu Werke gehen zu dürfen. Doch nicht jedes Vorhaben kann einer alleine stemmen.
Verschiedene technische Ansätze und Software-Pakete erleichtern die Zusammenarbeit im Team über das Netz - oder machen sie überhaupt erst möglich. Allerdings entwickelt eine studentische Kleingruppe eine andere Dynamik als eine mittelständische Firma, die wiederum andere Bedürfnisse hegt als ein internationales Uni-Forschungsprojekt. Die Größe der Arbeitsgruppe, ihre innere Organisation oder Hierarchie, aber auch der Status des Projekts bestimmen mit, welche Lösung nützt und welche vielleicht sogar Schaden anrichten kann. Herrscht viel Abstimmungsbedarf, braucht die Gruppe andere Software und Infrastruktur als ein Team, das die Aufgaben klar verteilt hat und in dem jeder seine eigenen Baustellen kennt und bearbeitet.
Stilfragen
Dieser Artikel stellt exemplarisch Software-Lösungen für die Teamarbeit in Gruppen zwischen zwei und 20 Personen vor, die gemeinsam an gedruckten oder elektronischen Entwürfen, Berichten oder auch Präsentationen arbeiten. Die Anzahl der Mitarbeiter, die nur lesend auf die Dokumente zugreifen, kann deutlich höher sein.
Drei Teamwork-Szenarien illustrieren drei typische Stile der Zusammenarbeit. Sie unterscheiden sich in vielen Aspekten stark voneinander und enthalten Details, die denen realer Teams durchaus ähneln.
Gemeinsam ist allen drei Gruppen, dass sie vorwiegend Text und gelegentlich mal eine Tabelle oder ein Diagramm produzieren. Andere Projekte haben abweichende Wünsche: Softwareentwickler etwa brauchen Bug-tracker und eine Code-Versionsverwaltung. Großunternehmen setzen eher auf Workflow-Lösungen, die für Hunderttausende Euro Tausende Angestellte unter einen Hut bringen. Doch solche Konzern-Software à la Microsoft Sharepoint Server oder IBM Websphere verlangt nach hauptamtlichen Admins und maßgeschneiderter Konfiguration. Damit ist sie uninteressant für kleinere Unternehmen, Studenten oder Forschungsgruppen an der Uni, auf deren Bedürfnisse sich dieser Artikel konzentriert. Solche Teams brauchen Software, die ihre Qualität auch in kleinen Gruppen entfaltet und deren weltweite Vernetzung nicht die Welt kostet.
Szenen dreier Teams
1. Puzzle-Prinzip: Sieben Wissenschaftler der Universitäten Ulm, Houston und Ulan Bator bilden das Forschungsprojekt UHU. Der gemeinsame Abschlussbericht soll auf einer Konferenz in Amsterdam vorgestellt werden. Für jedes fällige Kapitel des Berichts gibt es einen ausgewiesenen Spezialisten im Team, sodass sich Absprachen zur Arbeitsteilung erübrigen. Allerdings liegen die Ergebnisse der letzten Messreihen erst vier Tage vor Konferenzbeginn vor - zu diesem Zeitpunkt ist der Kollege aus der Mongolei bereits unterwegs nach Holland. Nur sporadisch kann er von Hotelzimmern und Flughafen-Lounges aus auf das Internet zugreifen, die Mails der anderen lesen und sein Kapitel auf die anderen abstimmen. Zwei weitere Kollegen erstellen auf Basis der vorläufigen und fertigen Texte eine Bildschirmpräsentation, welche die Ergebnisse zusammenfasst. Ein dritter arbeitet an Diagrammen und Illustrationen, die in beiden Dokumenten gleichermaßen verwendet werden sollen. Vor Ort bei der Konferenz wird die Zeit gerade ausreichen, um den Laptop an den Beamer anzuschließen - Abstimmung oder gar Nacharbeit am Bericht oder der Präsentation sind keinesfalls mehr möglich.
2. Kreatives Chaos: Drei Studenten der Kognitionswissenschaften haben zugesagt, gemeinsam ein Referat über Raumorientierung zu halten und die lästige Pflicht lange vor sich hergeschoben. Am Ende bleibt nur noch ein einziges Wochenende zur Vorbereitung übrig, und geplant haben sie noch nichts. Für einen der drei ist das allerdings noch lange kein Grund, auf die gewohnte Heimfahrt zu Eltern und Freundin zu verzichten - selbst wenn er dort mit einer schmalen Internetanbindung über Modem auskommen muss. Am späten Sonntagnachmittag arbeiten die drei mit Hochdruck gleichzeitig an ihren Referatsfolien: Einer liest sich quer durch die Literaturquellen und fasst die verschiedenen Theorien in ein paar Spiegelstrichen zusammen, der zweite bemüht sich um ein griffiges Fazit, der dritte sorgt für Layout und Bilder der Präsentation und formuliert parallel ein Thesenpapier, das später an alle Seminarteilnehmer ausgeteilt werden soll. Schiefgehen darf kurz vor Mitternacht nichts mehr - verwaltet keine Software ältere Versionen, würde ein falscher Mausklick die Arbeit von Stunden zunichte machen und ließe die drei von der Spätschicht am nächsten Morgen mit halbleeren Händen dastehen.
3. Big Business: Das mittelständische Mechatronik-Unternehmen Bolzmann richtet dauerhaft eine 20-köpfige Projektgruppe ein, die neue Produkte entwickeln soll. Sie gliedert sich in Abteilungen für Marktanalyse, technische Entwicklung und Kostenkalkulation. Die Leiter dieser Abteilungen bilden ein Core-Team, das sich regelmäßig über den Stand der Entwicklungen austauscht. Bei einem monatlichen Plenum berichtet es über den Stand der Arbeit und erläutert die nächsten Schritte. Die Ergebnisse dieses Plenums müssen allen Projektmitgliedern zugänglich sein, selbst wenn sie nicht selbst vor Ort sein konnten. Dies kommt häufiger vor, denn die Projektmitglieder sind über verschiedene Standorte der Firma in Deutschland verteilt, manche sogar die meiste Zeit im Außendienst tätig. Nicht alle Dateien und Dokumente, die innerhalb der Produktentwicklungsgruppe umgehen, sind für alle Mitglieder zugänglich oder auch nur interessant - die Konkurrenz dagegen wäre durchaus nicht abgeneigt, über Prototypen frühzeitig ein paar Details zu erfahren, um den Markt kurzerhand mit billigen Kopien zu überschwemmen.
Wunschpaket
Ein Grundproblem bei jeder Zusammenarbeit im Netz sind konkurrierende Änderungen an gemeinsam genutzten Dokumenten. Ohne Software, die Zugriffe auf Dateien regelt oder aktiv die gleichzeitige Arbeit daran unterstützt, gehen bei der Teamarbeit immer wieder Änderungen verloren, gerade unter Zeitdruck. Kaum etwas beschädigt das Klima in einem Team so nachhaltig, wie Arbeit, die jemand wegen Fehler anderer noch einmal erledigen muss.
UnterstĂĽtzt eine Team-Software etwa per Chat die synchrone Kommunikation, kann man sich vorher ĂĽber Zugriffe auf Dateien abstimmen. Daneben brauchen Arbeitsgruppen noch asynchrone Kommunikationsmittel, virtuelle schwarze Bretter, auf denen langfristige Abmachungen wie das einheitliche Format fĂĽr Literaturhinweise gut sichtbar festgeschrieben wird.
Gehen einem Kollegen mal die Pferde durch und er hat ein Dokument bis zur Unlesbarkeit umgebaut, unterstützt manche Team-Software den geordneten Rückzug auf eine ältere Version. Gegen Totalverlust etwa bei einem Festplattenschaden schützen nur regelmäßige Backups der gemeinsamen Dateien, für die man selbst sorgen muss - automatisch fertigt sie keine der vorgestellten Lösungen an.
Gemeinsam statt einsam
Zusammenarbeiten kann man auf gemeinsamen Netzlaufwerken, mit teilweise kostenlosen Editoren für mehrere Benutzer, über Wikis (Webseiten, die Benutzer online ändern können) auf eigenen oder fremden Servern, aber auch mit einer professionellen Webkonferenz-Lösung ab hundert Euro pro Mitarbeiter und Jahr.
Muss es ganz schnell gehen, lohnt sich ein Blick ins so genannte Web 2.0: Im Internet bieten Server Dienste auf Basis von Java oder Ajax an, die man im Browser ähnlich wie Desktop-Anwendungen benutzt. Eine lokale Installation oder gar die Administration eines eigenen Servers erspart man sich dabei komplett. In der Regel stellen die Anbieter jedem Nutzer ein Stückchen passwortgeschützten Webspace für eigene Dateien zur Verfügung. Kollegen lädt man per Mail zur Mitarbeit ein und gewährt ihnen Schreib- und Leserechte für einzelne Dokumente. Web-2.0-Dienste befinden sich derzeit meist noch im Beta-Stadium und sind bis zu dessen Ende überwiegend kostenlos.
Literatur
[1] Ernst Ahlers, Das Netz im Netz, Ein eigenes LAN sicher durchs Internet spannen, c't 7/06, S. 105
[2] Helge Cramer, Holger Bleich, Trautes Heim, Was dedizierte und virtuelle Mietserver leisten
[3] Karsten Violka, Fix verknĂĽpft, Hard-Link-Backups fĂĽr Windows, c't 9/06, S. 126
| "Teamwork im Netz" | |
| Weitere Artikel zum Thema "Teamwork im Netz" finden Sie in der c't 20/2006: | |
| Programme und Dienste fĂĽr gemeinsames Arbeiten | S. 96 |
| Texte bearbeiten mit MediaWiki | S. 106 |
| Sharepoint Service einrichten | S. 110 |
(pek)