Der zweite Korb

Immer neue Vorschläge, wie denn das klassische Urheberrecht an die Welt des Internet und der digitalen Medien angepasst werden könne, hatten das „Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ verzögert. Nun hat es das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.

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Von
  • Joerg Heidrich

Mit den Stimmen der Koalition sowie der FDP hat der Bundestag Anfang Juli das „Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“, den sogenannten „Zweiten Korb“ der Urheberrechtsnovelle, beschlossen. Das Gesetz bringe „die Interessen der Urheber und die Belange der Geräteindustrie, der Verbraucher und der Wissenschaft in einen angemessenen Ausgleich“, feiert sich der Gesetzgeber in einer Pressemeldung selbst. Das sehen allerdings die Betroffenen, allen voran Verbraucherschützer und Wissenschaftler, ganz anders: Für sie bringt die Neugestaltung ganz erhebliche Nachteile. Über viele feine Süßigkeiten im Gesetzeskorb können sich dagegen wieder einmal die Rechteinhaber freuen.

Trotz intensiven Lobbybemühungen vor allem der Musikindustrie bleibt zunächst die Privatkopie zumindest auf dem Papier weiter erhalten. Diese war bereits durch die letzte Reform auf Basis von Vorgaben der EU auf ein Minimum beschränkt worden. Denn kopiert werden darf auch künftig nur das, was von Seiten der Industrie gnädigerweise nicht mit DRM und Kopierschutz versehen wurde. Allerdings kommt eine neue Einschränkung dazu. Bisher war, reichlich schwammig, die Kopie einer „offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage“ verboten. Dieses Verbot wird nunmehr ausdrücklich auch auf „unrechtmäßig online zum Download angebotene“ Vorlagen ausgedehnt, womit natürlich in erster Linie die Nutzung von P2P-Netzwerken gemeint ist. Damit soll vor allem noch einmal klargestellt werden, dass nicht nur der Up-, sondern auch der Down-load von geschützten Werken rechtswidrig ist.

Auch nur gelegentliche Nutzer von BitTorrent & Co. machen sich damit ebenso strafbar wie gewerbliche Raubkopierer. Keine Rede mehr ist in dem nun verabschiedeten Papier von der ursprünglich von Ministerin Zypries geplanten Bagatellklausel, die gerade eine solche „Kriminalisierung der Schulhöfe“ verhindern sollte. Damit wird die Überlastung der Staatsanwaltschaften durch zigtausende Strafanzeigen vor allem der Musikindustrie zunächst ebenso wenig nachlassen wie die Unmengen von teuren Abmahnungen durch die Rechteinhaber.

Trotzdem gehen dem Interessenverband IFPI die Regelungen noch nicht weit genug. Dort wurde unter anderem die Einschränkung der Privatkopie auf Kopien nur vom eigenen Original und ein Verbot von Kopien durch Dritte gefordert. Gegen die Reform prüfe man sogar eine Verfassungsbeschwerde, da diese angeblich gegen Artikel 14 des Grundgesetzes, der das Eigentum schützt, verstoße.

Betroffen sind die Verbraucher auch von den beschlossenen Änderungen hinsichtlich der Pauschalvergütungen. Diese werden als Ausgleich für die noch erlaubten Privatkopien auf Geräte und Speichermedien erhoben und über Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgeschüttet. Bisher gab in wesentlichen Teilen der Gesetzgeber die Höhe dieser Abgaben vor. Nach dem neuen Recht sollen nun die Beteiligten selbst, also die Verwertungsgesellschaften und die Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller, die Vergütung miteinander aushandeln. Dabei war ursprünglich eine Obergrenze von fünf Prozent auf den Verkaufspreis von allen Geräten und Speichermedien vorgesehen gewesen, „deren Typ zur Vornahme von zulässigen Vervielfältigungen benutzt wird“. Der Branchenverband BITKOM befürchtet durch die Herausnahme dieser Obergrenze bereits, dass zukünftig auch Handys und Digitalkameras in diese Kategorie fallen könnten und warnt zugleich vor erheblichen Verteuerungen etwa bei Druckern oder PCs.

Auch in dem Interessenduell „Wissenschaft gegen Rechteinhaber“ behielten letztere eindeutig die Oberhand, in diesem Fall vornehmlich die Verlage. Die Novelle erlaubt es öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven zwar erstmalig, ihre Bestände an elektronischen Leseplätzen digitalisiert zu zeigen. Allerdings ist die Anzahl der Vervielfältigungen eines bestimmten Werkes, die an Leseplätzen gleichzeitig gezeigt werden dürfen, grundsätzlich an die Anzahl der Exemplare im Bestand dieser Einrichtung geknüpft. Ist also ein bestimmtes Buch nur einmal vorhanden, so darf in der Regel auch nur von einem speziellen Leseplatz darauf zugegriffen werden - auch wenn das Werk etwa für zehn Studenten im Rahmen einer Hausarbeit wichtig ist. Ebenso ist der Versand innerhalb einer Bildungseinrichtung, etwa einer Universität, nicht erlaubt. Zudem steht künftig der Versand digitaler Kopien unter einem sogenannten Verlagsvorbehalt.

Ebenfalls beschlossen wurde die Möglichkeit, zukünftig in Verträgen auch die Übertragung von Rechten für neue, unbekannte Nutzungsarten zu vereinbaren. Bislang war dies nicht gestattet. Wollte also etwa ein Verlag einen Artikel aus der Zeit vor der Einführung des Internet online veröffentlichen, so brauchte er hierzu bislang explizit die Einwilligung des Autors.

Nach der Verabschiedung durch den Bundestag wird der Gesetzesbeschluss nun an den Bundesrat weitergeleitet, der sich damit voraussichtlich in seiner Sitzung am 21. September 2007 beschäftigen wird. Da Experten ein „Durchwinken“ der Novelle erwarten, kann das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten. Damit sind die Auseinandersetzungen um das Urheberrecht jedoch noch lange nicht beendet: Interessenverbände und Politiker mahnen bereits die Notwendigkeit eines „Dritten Korbs“ an.

Weitere Änderungen in Form des Gesetzentwurfs zur „Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ nehmen bereits Gestalt an. Umstritten ist allerdings noch, wie diese Verbesserungen aussehen sollen. So wird über ein direktes Auskunftsrecht von Rechteinhabern bei Providern ebenso diskutiert wie über die von Zypries angekündigte Deckelung von Abmahngebühren auf 50 Euro im Falle einfach gelagerter Urheberrechtsverletzungen. (jk) (jk)