And the winner is … Blu-ray

Der Krieg um die DVD-Nachfolge ist vorbei: Knapp zwei Jahre nach dem Start der HD DVD erklärte dessen größter Verfechter Toshiba das Format für gescheitert. Doch dem Gewinner Blu-ray Disc dürfte der Kampf geschadet haben.

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Wir haben die Gesamtstrategie für die HD DVD überdacht und sind zu dem Schluss gekommen, HD-DVD-Player und -Recorder nicht mehr weiterzuentwickeln, herzustellen und zu vermarkten“ – auf diesen Satz des Toshiba-Präsidenten und CEO Atsutoshi Nishida hatten die Vertreter des HD-Disc-Konkurrenzformats Blu-ray Disc lange warten müssen. Als die Worte am 19. Februar fielen, waren sie der Höhepunkt einer Kettenreaktion, die das Hollywood-Studio Warner Anfang Januar mit der überraschenden Ankündigung auslöste, die HD DVD fallen zu lassen (siehe c't 3/08).

In der Folge hatten sich schließlich innerhalb einer Woche die größte amerikanische Online-Videothek Netflix, die US-Eletronikkette Best Buy und der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart von der HD DVD abgewandt. Damit konnte Toshibas Taktik, über drastische Preissenkungen so viele HD-DVD-Player wie möglich in den Markt zu drücken und Warner durch die damit entstehende Nachfrage nach HD DVDs zur Rückkehr zu bewegen, nicht mehr aufgehen.

Nur wenige Stunden nach Toshibas Pressekonferenz wechselte Universal als bis dahin zweitgrößter Verfechter des HD-DVD-Formats ins Blu-ray-Lager, wenige Tage später folgte Paramount. Konkrete Titel nannte bis zum Redaktionsschluss aber keines der Studios.

Warner will am angekündigten Ausstiegsszenario festhalten und bis Ende Mai in beiden HD-Disc-Formaten veröffentlichen. Auch Kinowelt teilte mit, bereits angekündigte Titel wie „Die Vorahnung“ und „Terminator 2“ noch auf HD DVD herauszubringen. Kurioserweise wird letzterer Titel die HD DVD mit den umfangreichsten interaktiven Funktionen sein, die bislang bei einer HD-Disc realisiert wurden. Dies dürfte Kritikern der Blu-ray Disc Rückenwind geben, die meinen, dass (nach VHS wieder) das schlechtere Format gewonnen habe.

Toshiba veröffentlichte wenige Tage vor dem Produktionsstopp sogar noch die Firmware 2.8 für seine europäischen HD-DVD-Player HD-E1, -EP10, -XE1, -EP30 und -EP35 (siehe Soft-Link), die unter anderem eine Unterstützung für „europäische“ HD DVDs enthielt, auf denen Videos mit einer Bildwiederholrate von 25 Voll- beziehungsweise 50 Halbbildern gespeichert sind. Entsprechende Scheiben sind jedoch nie erschienen.

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die HD DVD bei der Interaktivität bis zum Ende deutlich vor der Konkurrentin lag: Die bei HD DVD von Beginn an vorhandene Bild-in-Bild-Funktion wurde bei Blu-ray erst nachträglich in den Standard aufgenommen, die bei jedem HD-DVD-Player integrierte Internetanbindung ist bei Blu-ray-Modellen optional. Dem Großteil der Konsumenten dürfte aber vor allem die Bild- und Tonqualität wichtig sein – und da lagen beide Formate gleichauf. Blu-ray-Fans verweisen auf die früher verfügbare Ausgabe von Filmen im Aufnahmeformat mit 24 Vollbildern pro Sekunde (24p) und eine automatische Umschaltung zwischen 24- und 60-Hz-Material, die Toshiba auch erst mit Firmware 2.8 nachlieferte.

Für Neueinsteiger bedeutet das Ende des Formatstreits, dass sie sich künftig sicher sein können, alle HD-Filme auf Blu-ray Disc zu bekommen. Abzuwarten bleibt hingegen, ob die Preise für Blu-ray-Player und -Titel fallen.

Aufgrund des Formatstreits fielen die Verkaufszahlen bislang mager aus: In den USA sollen insgesamt eine Million HD-DVD-Player verkauft worden sein, inklusive der Laufwerke der Microsoft-Spielkonsole Xbox 360. In Europa verkaufte Toshiba laut dpa 100 000 Geräte. Der Absatz von Wohnzimmer-Playern des Blu-ray-Formats dürfte etwas darunter liegen. Zum Vergleich: In den USA wurden in den vergangenen beiden Jahren bis zu zwei Millionen DVD-Player verkauft – pro Monat.

Bei den Blu-ray-Playern ist in den vergangenen beiden Jahren bereits ein deutlicher Preisverfall eingetreten: Kostete Samsungs erstes deutsches Stand-alone-Modell BD-P1000 zur Markteinführung Weihnachten 2006 noch 1480 Euro, ist der Nach-Nachfolger BD-P1400 bei Online-Händlern aktuell ab rund 330 Euro zu bekommen. Dass die Markenunternehmen mit den Preisen noch weiter heruntergehen, ist unwahrscheinlich; eher wird man über eine breitere Produktpalette mit vergleichsweise preiswerten Einsteigergeräten und teureren Mittelklasse- und Topmodellen versuchen, unterschiedliche Kundengruppen zu gewinnen. Und die Hollywoodstudios hoffen auch, endlich mit HD-Filmen auf Disc Geld zu verdienen.

Nach der ständigen Werbung der Blu-ray Disc Association für die Playstation 3 als vollwertigen Blu-ray-Player wird es jedoch für alle Anbieter von Blu-ray-Playern schwer, Sonys nur noch rund 375 Euro teure, in der 40-GByte-Fassung recht leise, Update-fähige Spielkonsole wieder aus den Köpfen der potenziellen Kunden zu bekommen. Und nicht wenige Kritiker sind der Meinung, dass die momentanen Preise für Blu-ray-Filme bis zu 30 Euro zu hoch sind, um das Medium zu einem Massenerfolg werden zu lassen.

Die HD-Fans unter den Xbox-360-Besitzern hoffen derweil auf ein externes Blu-ray-Laufwerk für die Konsole. Doch Aussagen eines Microsoft-Sprechers auf der Game Developers Conference scheinen den Analysten Michael Pachter zu bestätigen, der vorausgesagt hatte, Microsoft werde diesen Schritt nicht vollziehen. Laut Pachter gehe es den Redmondern um die Feststellung, dass sich ihre Konsole über Spiele und nicht über Filme verkaufe. Video-on-Demand-Strategien dürften bei der Entscheidung allerdings auch eine nicht unerhebliche Rolle spielen.

Selbst neue HD-DVD-Abspieler sollen künftig noch angeboten werden, darunter Notebooks mit eingebautem HD-DVD-Laufwerk (siehe S. 134 in c't 6/08). LG und Samsung gaben bekannt, noch Kombi-Player auf den deutschen Markt zu bringen beziehungsweise sich mit diesem Gedanken zu tragen. Wer bereits HD DVDs besitzt, dürfte jedoch einen passenden Player sein Eigen nennen; Neueinsteiger werden kaum noch ein Interesse an HD DVD entwickeln (können).

Soft-Link (nij)