Probefahrt

Browser gehören heute genauso wie Textverarbeitungen und Tabellenkalkulationen zum Standardinventar digitaler Arbeitsplätze – und sind auch zu ähnlich komplexen Gebilden herangewachsen. Wir nehmen die Bedienkonzepte der aktuellen Browser-Generation unter die Lupe: Mit welchem Programm komme ich bei welcher Aufgabe am schnellsten zum Ziel? Was lässt sich womit am elegantesten erledigen?

vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen
Lesezeit: 11 Min.
Von
Inhaltsverzeichnis

A browser is a trivial piece of software“ – wenn Bill Gates 1996 geahnt hätte, zu was für Schlachtschiffen sich Browser einmal entwickeln! Die Programme sind heute die Bibliothekare, Trüffelschweine und Reiseführer der Surfer. Sie agieren als Laufzeitumgebung für Skriptsprachen, Frontend für Software as a Service, Download-Maschinen, informieren selbsttätig über News und stellen bei den Surfgängen sicher, dass Anwender nicht auf Seiten mit gefährlichen Inhalten landen. Benutzer sollen sie erweitern können, etwa durch allerlei Add-ons und Style Sheets. Und ihre Funktionsfülle müssen sie auch noch in eine komfortable Oberfläche einbetten, die sich einfach bedienen lässt.

Derzeit stehen Firefox 3, Internet Explorer 8 und Opera 9.5 vor der Tür, neue Versionen gleich drei wichtiger Browser; Safari ist gerade in Ausgabe 3.1 erschienen – ein guter Anlass, neben den technischen Innereien (siehe Seite 140 in c't 09/08) auch die Funktionen und die Bedienung zu vergleichen. Die Tabelle auf der Seite 138 in c't 09/08 gibt einen Überblick über die wichtigsten Funktionen. Bei Aufgaben, die die Browser nicht von Haus aus erledigen, rüsten Erweiterungen die betreffenden Features nach. Wir haben für diesen Report die neuesten Betaversionen der Browser herangezogen, bei den Add-ons aber auch diejenigen berücksichtigt, die derzeit nur für die Vorgänger verfügbar sind. Es ist ja nur eine Frage der Zeit, bis die Erweiterungen auch für die neuesten Ausgaben der Browser erscheinen.

Menüleiste, Funktionsknöpfe, Adressleiste, Suchfeld, Karteireiter-Leiste und Browser-Fenster – der Look des althergebrachten Firefox 2 ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner der Browser-Bedienoberflächen. Für viele Anwender ist diese aufgeräumte Anordnung das Beste – Vielsurfer dagegen möchten sich ihren Browser mitunter anpassen, um etwa schnell auf häufig benutzte Lesezeichen zuzugreifen.

Firefox 3 ordnet die Bedienknöpfe in einer Zeile mit dem Adress- und dem Suchmaschinenfeld an. Diese kompaktere Darstellungsweise reserviert dem eigentlichen Browser-Fenster noch ein wenig mehr Platz als der Vorgänger. Firefox bettet auf Wunsch eine Bookmark-Leiste ein. Aber auch die Navigationsleiste lässt sich in Grenzen maßschneidern, etwa durch zusätzliche Funktionsknöpfe. So übersichtlich Firefox von Haus aus auch sein mag: Es gibt kaum etwas, was sich nicht per Add-on nachrüsten ließe. Das gilt für alle Firefox-Features, insbesondere auch für die Bedienoberfläche. Alleine in der Rubrik „Oberflächenanpassungen“ führt das Erweiterungsrepositorium mehr als 250 Einträge, darunter zum Beispiel die All-in-One-Sidebar, die die Möglichkeiten der Seitenleiste wesentlich erweitert.

Insgesamt weicht der Internet Explorer mit seinem etwas ungewöhnlichen Kopfbereich am stärksten vom Standardaufbau der Browser-Fenster ab: Die Tab-Leiste enthält diverse Funktionsknöpfe sowie zwei Menüeinträge, während die eigentliche Menüleiste per Default ausgeblendet ist; sie lässt sich über „Extras\Menüleiste“ einblenden. Microsoft reagiert mit dem Internet Explorer 8 auf den Wunsch nach individueller Anpassbarkeit. Neben Bookmarks kann der Benutzer in der Favoritenleiste auch Verweise auf Dokumente aus externen Anwendungen unterbringen, etwa auf Office-Dateien.

Während sich Safari unter Mac OS in das Look and Feel des Betriebssystems einpasst, wirkt das Programm mit seinem Chrom-Layout wie ein Fremdkörper auf dem Windows-Desktop. Anders als bei den anderen Browsern lässt sich das Aussehen von Safari unter Windows aber nicht per Skin verändern. Safari-Nutzer können Lesezeichen-, Status-, Tabs- und Symbolleisten ein- und ausblenden. Die Symbolleiste des Apple-Browsers lässt sich durch eine Hand voll zusätzlicher Knöpfe aufpeppen.

Opera ist weit mehr als nur ein Browser. Das Programm umfasst außer den Ergänzungen, die heutzutage zu einem Browser dazugehören – etwa einen RSS-Reader und einen Download Manager –, auch einen leistungsfähigen E-Mail-, Usenet- und Chat-Client. Der Browser nötigt den Anwender aber nicht, diese Programmteile zu nutzen, im Gegenteil. So verbirgt er Menüeinträge des E-Mail-/RSS-Clients so lange, bis der Benutzer einen entsprechenden Account einrichtet.

Wer sehr spezielle Vorstellungen davon hat, wie seine Surf-Umgebung aussehen sollte – oder wer gerne experimentiert –, der kommt mit Opera am weitesten. Der norwegische Browser kann alle Symbolleisten (Hauptleiste, Persönliche Leiste, Tab-, Status-, Adress- und Navigationsleiste) aus- und einblenden, und zwar oben, unten, rechts oder links. Die persönliche Leiste lässt sich komplett mit eigenen Bedienelementen füllen, also etwa Suchmaschinenfeldern, Bookmarks oder Funktionsknöpfen; der Browser stellt dem Nutzer dafür Dutzende Bedienelemente bereit. Daneben veröffentlichen einige Opera-Fans auf ihren Homepages weitere Buttons für zusätzliche Funktionen, die sich einfach per Drag and Drop in den Browser ziehen lassen.

Ein Suchmaschinenfeld ist Pflicht – alle Browser verfügen über einen Eingabeschlitz für einige wichtige Suchdienste, etwa Google oder die Wikipedia. Auf speziellen Websites stellen Microsoft sowie die Mycroft-Community weitere Suchanbieter zum Einbetten in die Suchfunktion bereit. Das Mycroft-Projekt versammelt etwa 15 000 Suchdienste aus aller Welt, die sich auch mit der Mac-OS-Version von Safari sowie zum Teil mit dem Internet Explorer nutzen lassen.

Findet sich die Suchfunktion für den gewünschten Dienst dort nicht, so kann ihn sich der Benutzer durch einen Generator fabrizieren lassen. Das erfordert allerdings ein wenig Einarbeitung. Am elegantesten lassen sich neue Suchdienste aus beliebigen Websites bei Opera integrieren. Dazu fährt der Benutzer mit dem Mauszeiger auf das Suchmaschinen-Eingabefeld, das er in den Browser einbetten möchte, und wählt den Kontextmenü-Befehl „Suche erstellen“.

Firefox bietet bei der Suche ein praktisches Alleinstellungsmerkmal. Schon während der Surfer den Suchbegriff eintippt, wird versucht zu erraten, wonach er wohl fahndet. Firefox unterbreitet dem Suchenden in einer herunterklappenden Liste – mitunter englisch gefärbte – Vorschläge für seine Suchbegriffe. Die Funktion überträgt dazu die Eingaben zu den Suchdiensten, die diese Funkton anbieten; wer dies nicht mag, schaltet es in den Suchmaschinen-Einstellungen ab.

Der Bookmark-Manager ist neben der Suchmaschine wohl noch immer die wichtigste Orientierungshilfe des Surfers. Eine inkrementelle Suchfunktion, die hilft, schnell zu den gewünschten Bookmarks vorzustoßen, gehört bei Firefox und Opera dazu, bei Safari und Internet Explorer lässt sie sich über Erweiterungen nachrüsten. Opera und Firefox ermöglichen es dem Benutzer, neben einer starren Taxonomie ein zweites, wesentlich flexibleres Ordnungskriterium zu nutzen: Mit sogenannten Etiketten, Tags, ordnen sie Webseiten beliebige Schlagwörter zu. Bei Opera sind Tags zwar nicht explizit vorgesehen; Schlagwörter in den Webseiten-Beschreibungen erfüllen aber denselben Zweck.

Wer an verschiedenen Arbeitsplätzen surft, wird einen Synchronisationsmechanismus begrüßen, der die Bookmarks auf allen Programminstanzen auf demselben Stand hält. Eingebaut ist ein solches Verfahren nur bei Opera 9.5. Der Browser speichert die Bookmarks dabei auf einem Server beim Hersteller. Als besonderen Clou können Mobilisten auch unterwegs per Opera Mini ihre Lesezeichen abgleichen. Für Firefox gibt es gleich mehrere Erweiterungen, die Ähnliches leisten. Safari-Nutzer gleichen ihre Lesezeichen mit der Erweiterung SafariDepot ab. Für den Internet Explorer haben wir nur Anwendungen gefunden, die mit einem Online-Dienst verknüpft sind, zum Beispiel Zinkmo, das sich auch für die Browser-übergreifende Synchronisation zwischen Firefox und Internet Explorer nutzen lässt.

Sie haben neulich eine interessante Website besucht, aber vergessen, sie zu bookmarken? Kein Problem, wenn Sie sich noch an Teile der URL erinnern. Bei allen Browsern hilft die Adressleiste vergesslichen Surfern auf die SprĂĽnge, indem sie schon beim Eintippen von URLs passende Adressen aus der Browser-History hervorkramt. Erinnert man sich noch an den Titel der Seiten, helfen nur Firefox und Opera weiter. Opera berĂĽcksichtigt sogar den Volltext der besuchten Seiten. Bei Firefox, Internet Explorer und Safari berĂĽcksichtigt die Adresszeile auch die Bookmarks, sodass man eine Site in der Lesezeichenverwaltung oft nicht mehr nachschlagen muss.

Kurzadressen werten die Adressleiste zusätzlich auf. So kann man mit Opera und Firefox zum Beispiel „sp“ als Kurzbefehl für die Homepage von Spiegel online definieren und diese zukünftig mit zwei Tastaturanschlägen öffnen. Internet Explorer sieht für diesen Zweck etwas weniger intuitive Tastenkombinationen vor. Bei Safari muss man für die Vergabe von Kurzbefehlen eine Steuerdatei editieren.

Suchmaschinen-KĂĽrzel machen die Adressleiste zur Multisuchmaschinenleiste. Bei Opera und Firefox 3 kann der Benutzer jeder Suchmaschine einen Kurzbefehl zuordnen, um sie dann in der Form per Adressleiste aufzurufen. Internet Explorer und die Mac-OS-Version von Safari rĂĽsten diese Funktion in Form eines Plug-in nach.

Ähnlich wie man den Browser fast ausschließlich per Tastatur steuern kann, lassen sich viele Funktionen auch mit der Maus abrufen, und zwar mit Mausgesten. Opera hat die Maussteuerung eingebaut, bei den anderen Browsern lässt sie sich mit Erweiterungen nachrüsten.

Alle Browser verfügen über Rück- und Vorwärtstasten, mit denen der Surfer auf die zuletzt besuchten Seiten und wieder zurückwechselt. Nur Opera kennt auch den schnellen Vor- und Rücklauf: Bei ersterem versucht der Browser Verweise auf weiterführende Seiten zu erkennen, etwa solche, die mit „next“ oder „>“ beschriftet sind – praktisch, um sich zum Beispiel durch Suchmaschinenseiten zu klicken. Der schnelle Rücklauf führt den Benutzer jeweils zu den ersten und letzten Seiten besuchter Sites.

Benutzer des Firefox ergänzen den schnellen Vor- und Rücklauf mit einem Add-on. Safari kennt etwas Ähnliches wie den schnellen Rücklauf. Dort setzt der Benutzer sogenannte Snapbacks, also Surfpunkte, zu denen der Browser zurückfinden soll.

Karteireiter sind ein Muss: Die praktischen Tabs geben dem Nutzer den Überblick über die geöffneten Seiten – allerdings nur, wenn es nicht zu viele werden, denn dann muss der Browser die Seitentitel in den Karteireitern zu stark beschneiden. In so einem Fall sind grafische Vorschaubilder der Tabs nützlich. Der Internet Explorer zum Beispiel zeigt auf die Tastenkombination Strg+Q hin eine Übersicht mit Miniaturen aller geöffneten Seiten an, Opera blendet Miniaturen ein, wenn der Benutzer mit der Maus über die Tab-Reiter fährt.

Der norwegische Browser kann die Tab-Liste aber auch mehrzeilig umbrechen oder am rechten oder linken Browser-Rand darstellen, um den Überblick anzubieten. Safari zeigt mit der Erweiterung TabExposé Vorschaubilder an, die Firefox-Community hat für das Tabbing insgesamt knapp 30 Erweiterungen hervorgebracht, darunter mit Tab Sidebar, Tab Scope und Firefox Showcase gleich mehrere, die Tab-Vorschauen anzeigen.

Wer regelmäßig dieselben Sites besucht oder wer am nächsten Tag die Arbeit mit den Seiten fortsetzen will, die er abends zuletzt geöffnet hatte, der wird eine Sitzungsverwaltung begrüßen, mit der sich eine Reihe von Tabs im Paket abspeichern lassen. Internet Explorer 8 und Opera haben eine solche Sitzungsverwaltung eingebaut. Bei Safari lässt sie sich mit der Erweiterung SafariExtender, bei Firefox mit dem Add-on Tab Mix Plus nachrüsten. Mit Tab Mix Plus stellt der Mozilla-Browser Sitzungen auch nach einem Crash wieder her. Mit IE7pro lernt dies auch der Internet Explorer, Opera kann es von Haus aus.

[1] Jo Bager, Webseiten redigieren, Webseiten in Internet Explorer 7 mit User JavaScript anpassen, c't 12/07, S. 190

Soft-Link

"Die neuen Web-Browser"
Artikel zum Thema "Die neuen Web-Browser" finden Sie in der c't 09/2008:
Schneller zum Ziel mit den neuen Browsern S. 132
Ein Blick unter die Haube S. 140

(jo)