Bewaffnete Kampfmaschinen

Beim Forum „Unmanned Vehicles“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sprachen Vertreter der Bundeswehr mit ungewohnter Offenheit über die Bewaffnung von ferngelenkten Plattformen. Am ausgereiftesten sind die Fluggeräte. Bei Bodenrobotern gibt es jedoch noch technischen Entwicklungsbedarf.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Der neue US-Präsident Barack Obama war erst drei Tage im Amt, als er Raketenangriffe auf pakistanische Dörfer im Grenzgebiet zu Afghanistan anordnete. Dort wurden al-Qaida-Kämpfer vermutet. Von unbemannten Predator-Drohnen abgefeuerte Hellfire-Raketen zerstörten mehrere Häuser und töteten mindestens 18 Menschen.

Die ursprünglich ausschließlich zu Aufklärungs- und Überwachungszwecken eingesetzten unbemannten Fluggeräte, zumeist als UAV (Unmanned Aerial Vehicle) bezeichnet, haben sich zu Angriffswaffen weiterentwickelt. Solche UCAV (Unmanned Combat Aerial Vehicle) will jetzt auch die Bundeswehr haben. Etwa 400 Fachleute diskutierten beim Forum „Unmanned Vehicles II – Land, Luft, See“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) in Bad Godesberg den Stand der Entwicklung in der militärischen Robotik.

Soll Anfang 2011 an die Bundeswehr ausgeliefert werden: Euro Hawk, ein unbemanntes Aufklärungsflugzeug, das bis zu 30 Stunden in der Luft bleiben kann und in knapp 20 Kilometer Höhe operieren soll.

(Bild: Bild: EADS)

Auffallend war, mit welcher Selbstverständlichkeit gerade die Vertreter des deutschen Militärs die Bewaffnung unbemannter Systeme erörterten. Ullrich Heym, Referatsleiter beim Bundesministerium der Verteidigung und fachlicher Leiter der zweitägigen Konferenz, stellte gleich in seinem Eröffnungsvortrag fest, dass die UAV sich derzeit in einem Prozess der Erweiterung durch bewaffnete Systeme befänden. Sein Ministeriumskollege, der Oberst im Generalstabsdienst (i. G.) Peter-Georg Stütz, bestätigte, es sei „zweckmäßig, UAV zu bewaffnen“. Für unbemannte Seefahrzeuge nannte Joachim Kimpel vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung ebenfalls die „Einrüstung letaler Waffen“ als eine Option. Allgemein herrschte Einigkeit, dass unbemannte Systeme nicht nur beobachten, sondern auch „Wirkung erzielen“ sollen.

Die klaren Äußerungen sind umso bemerkenswerter, als der stellvertretende Inspekteur des Heeres Generalleutnant Günter Weiler noch vor gut einem halben Jahr bei der europäischen Leistungsschau Robotik (Elrob) erklärt hatte, bewaffnete Systeme würden derzeit bewusst nicht angestrebt. Offenbar hat es beim deutschen Militär in der Zwischenzeit einen Sinneswandel gegeben, wahrscheinlich weniger in der Sache als hinsichtlich der Frage, wie offen darüber geredet werden darf.

Im Vordergrund stehen beim Einsatz unbemannter Systeme allerdings immer noch Aufklärung und Überwachung. Oberst i. G. Horst Peter Meyer nannte die „kontinuierliche Abdeckung“ als vordringlichstes Ziel. Eine Flotte von UAVs, die in unterschiedlichen Höhen fliegen, soll die pausenlose Überwachung kritischer Gebiete ermöglichen. An der Spitze dieser Infrastruktur könnte Meyer zufolge ein stratosphärisches Höhenluftschiff stehen. Bei einer Verweildauer von 12 bis 18 Monaten könnte es bis zu 5000 Kilogramm Nutzlast tragen, ein Gebiet mit einem Radius von 500 Kilometer überwachen und von Deutschland aus betrieben werden, auch wenn es in Afghanistan stationiert wäre. „Es wäre wünschenswert, wenn die deutsche Industrie diesem Projekt mehr Aufmerksamkeit widmen würde“, sagte Meyer.

Zunächst einmal wird aber ein eher traditionelles UAV die Aufklärung aus großer Höhe übernehmen. Auf der Basis der bereits im Einsatz befindlichen US-amerikanischen Plattform „Global Hawk“ entwickelt der europäische Konzern EADS gemeinsam mit der US-Firma Northrop Grumman den „Euro Hawk“, ein Fluggerät, das in 18 300 Meter Höhe bis zu 30 Stunden operieren kann. Das erste Exemplar soll Anfang 2011 an die Bundeswehr übergeben werden. Insgesamt sollen fünf Flugzeuge und zwei Kontrollstationen geliefert werden.

Für die Aufklärung aus mittleren Höhen stehen zwei Robotersysteme zur Wahl. Die von Israel Aircraft Industries entwickelte „Heron TP“, die in Deutschland von der Firma Rheinmetall vermarktet wird, und die „Predator B“ der US-Firma General Atomics, in Deutschland vertreten durch die Diehl BGT Defence GmbH. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung hat die Heron TP empfohlen und damit die Luftwaffe vor den Kopf gestoßen. Die hätte lieber die Predator B, da sie, wie Stütz erklärte, eher verfügbar sei. Ein anderer Vertreter der Luftwaffe hob hervor, dass dieses System zudem besser erprobt sei. Die Entscheidung liegt jetzt beim Verteidigungsminister.

Die „asymmetrische Bedrohung“ erfordere aber nicht nur Aufklärung aus der Luft, sondern müsse durch entsprechende Maßnahmen zu Wasser und zu Land ergänzt werden, betonten mehrere Redner beim DWT-Forum. Joachim Kimpel etwa brachte das Beispiel eines in einem Hafen stationierten Militärschiffs, das auf Angriffe durch mit Sprengstoff gefüllte Boote vorbereitet sein müsse. Um verdächtiges Verhalten solcher an sich unverdächtiger Objekte oder auch auffällige Bewegungen wie die von Tauchern, die Minen anbringen, frühzeitig zu erkennen, wollen die Militärvertreter „abgesetzte Sensorträger“ einsetzen. Dazu zählen unbemannte Vehikel, die sich sowohl auf der Wasseroberfläche als auch unter Wasser bewegen können.

Insbesondere bei Unterwasserrobotern wünschen sich die Militärs autonome Funktionen, da die abhörsichere Kommunikation mit den Plattformen und damit auch deren Fernsteuerung sehr schwierig ist. Einsatzreife militärische AUVs (Autonomous Underwater Vehicle) gebe es jedoch noch nicht, sagte Jörg Schmidt vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. Er berichtete von einer Kooperation mit Singapur, wo in die Kaimauer des Hafens Unterwassergaragen gebaut werden sollen, um von dort aus mit Robotern eine kontinuierliche Überwachung des potenziellen Angriffsziels zu gewährleisten. Solche Unterwasserwächter sollen unter anderem selbstständig Hindernissen ausweichen, automatisch Objekte identifizieren und klassifizieren und auf unerwartete Ereignisse missionskonform reagieren. Die AUVs sollen gefährliche Gegenstände wie Minen erkennen oder zumindest Veränderungen in der überwachten Umgebung registrieren können. Auch der Einsatz in Schwärmen und Verbänden ist ein Ziel der Entwickler.

Wenn es um die rasche Reaktion auf Bedrohungen geht, sind Oberflächenfahrzeuge den Unterwasservehikeln klar überlegen. Danny Anbary von der israelischen Firma Elbit Systems präsentierte das System „Silver Marlin“, ein 45 Knoten schnelles Boot, das Zielkoordinaten an die Kontrollstation übermitteln, mit einem 7,62-Millimeter-Maschinengewehr aber auch selbst das Feuer eröffnen kann. Anbary demonstrierte diese Fähigkeiten mit einem mit martialischer Musik unterlegten Werbevideo. Bei seinen deutschen Vertriebspartnern von der Elbit-Tochterfirma Telefunken Racoms sorgte er damit für Verstimmung, denn diese wollen die israelischen Systeme für den zivilen Markt anbieten und würden die Möglichkeiten der Bewaffnung dabei gern unerwähnt lassen. Aus Angst vor „Fehlinterpretationen“ wollte Telefunken der c't nach einem ersten Newsticker-Bericht denn auch kein Bildmaterial zur Verfügung stellen.

In Deutschland sind vergleichbare Systeme noch in der Entwicklung. Dazu zählen RoboShip von der Firma Rheinmetall und das von der Veers GmbH entwickelte Seewiesel II.

Am weitesten von der Einsatzreife entfernt sind derzeit die Landroboter. Anders als die Luft- und Wassersysteme bewegen sie sich nicht in einem homogenen Medium und müssen sich in einer sehr unstrukturierten Umgebung orientieren. Oberst Ulrich Pohl vom Heeresamt in Köln räumte ein, dass „manche funktionelle Forderungen nicht zeitnah realisierbar“ seien, namentlich autonome Funktionen. Das habe insbesondere die Elrob gezeigt, Pohl zufolge ein „wesentlicher Meilenstein“. „Langfristig wird am Ziel Autonomie festgehalten“, sagte Pohl. „Doch der Schutz der Soldaten hat Priorität.“

Zu den kurzfristig realisierbaren Landsystemen zählt Axel Stephenson vom Streitkräfteamt in Bonn unbemannte Transportsysteme. Tatsächlich sind Technologien etwa zum automatischen Konvoifahren von Kfz-Herstellern bereits recht weit entwickelt. Allerdings gab Stephenson zu bedenken: „Was hier auf einer Autobahn realisiert werden kann, ist nicht das, was wir brauchen.“

Führend im Bereich der militärischen Bodenroboter ist wiederum Israel. Dort patrouilliert das (teil-)autonome Fahrzeug „Guardian“ der Firma G-nius bereits an Grenzen und auf Flughäfen. Dabei überträgt es auf drei Videokanälen bis zu elf Kamerabilder an die Kontrollstation, in der ein Operator zwei Fahrzeuge gleichzeitig kontrolliert. Am Schluss seines Vortrags gab Noam Segal, Marketingdirektor von G-nius, noch einen kleinen Ausblick auf die weitere Entwicklung. In einem kurzen Video zeigte er ein bewaffnetes Kettenfahrzeug, das über einen unebenen, staubigen Weg fuhr. „Darüber darf ich nicht viel erzählen“, sagte er. Die Botschaft kam auch so an. (anm)