Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: Das große Bibbern vor den Landtagen

Im neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag soll es u.a. einheitliche Vorgaben für Jugendschutzprogramme, einheitliche Alterskennungen, Neuausrichtung der Selbstregulierung und dauerhafte Finanzierung von jugendschutz.net geben.

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Youtube & Co. erklären Jugendlichen Politik
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Landespolitiker erwarten, dass sie mit dem im August noch einmal gründlich überarbeiteten Entwurf für einen neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) nicht erneut Schiffbruch erleiden. "Wir hoffen, sie zu kriegen", betonte Antje Höhl, Medienreferentin der niedersächsischen Staatskanzlei, zu der noch ausstehenden Zustimmung der 16 Landtage.

Höhl räumte bei einer Diskussion der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in Berlin ein, dass die Abgeordneten an dem Text "nicht mehr rumflicken", sondern diesen nur insgesamt annehmen oder ablehnen könnten. Für sie käme es aber einem "Armutszeugnis" gleich, wenn die erneute jahrelange Arbeit an dem Papier wieder "nicht genügend wertgeschätzt wird".

Die Medienreferenten seien diesmal strategischer vorgegangen und hätten das Reformvorhaben "eingepackt in diverse andere Ziele, die erstrebenswert sind", erläuterte die Referentin. Nordrhein-Westfalen habe sich 2010 mit seinem Nein zum damaligen Vorstoß "deutlich blamiert". (Lesen Sie dazu auch: "Zurück auf Los - Die neuen Jugendschutz-Regeln fürs Web kommen doch nicht") Dies hätte sicher auch daran gelegen, dass die "Piraten-Netzgemeinde" zu dieser Zeit ein "unglaubliches Forum" abgegeben habe, während "die Eltern kaum zu hören waren". So seien die Gegner einfach lauter gewesen.

Mit dem neuen JMStV-Entwurf, den die Ministerpräsidenten bereits abgesegnet haben, wollen die Länder unter anderem einheitliche Vorgaben für Jugendschutzprogramme formulieren, Alterskennungen vereinheitlichen, die Selbstregulierung neu ausrichten und das "Kompetenzzentrum" jugendschutz.net dauerhaft finanzieren.

Besonders umstrittene Passagen im JMStV-Entwurf wie die, wonach Anwender hätten verlangen können, dass Anbieter von Plattformen wie sozialen Netzwerken oder YouTube eine technische Möglichkeit zur Alterskennzeichnung anbieten, haben die Verfasser nach mehreren öffentlichen Konsultationen gestrichen. Entwicklern von Filtersoftware wollen die Länder zudem nicht länger sehr detaillierte technische Anforderungen vorgeben.

Die Internetwirtschaft sieht das Vorhaben so inzwischen positiver. Medienrechtler wie Marc Liesching wittern in der entschlackten Initiative dagegen nach wie vor den ein oder anderen Verfassungsverstoß und beklagen, dass "das verbliebene Normrudiment ein Offenbarungseid ist". Die Politik kaputiere damit vor der Medienwirklichkeit. Vor allem das rot-rot-grüne Thüringen gilt als potenzieller Wackelkandidat, da die gefundene Lösung dort nicht von allen Koalitionsmitgliedern als Exportschlager fürs globale Netz angesehen wird.

International werde man mit Konstrukten wie einer zwingenden Registrierung für Videoplattformen mit nicht-jugendfreien Inhalten oder der Notwendigkeit, Kreditkartendaten hinterlegen zu müssen, "Schwierigkeiten haben", bestätigte Susanne Ahrens, Jugendschutzbeauftragte der Online-Auftritte von ProSiebenSat.1. Dass künftig erst ab 18 Jahren freigegebene Filme auch im Tagesprogramm beworben werden dürften, sei dagegen "eher ein Elternaufreger", als dass die Anreißer Kindern zusetzten.

"So ziemlich alle Jugendlichen" verstünden von einschlägigen Gesetzestexten wie dem JMStV "überhaupt nichts", beklagte Sorina Lungu, Scout der Selbstschutzplattform juuuport. Selbst Kinder würden deswegen auch nicht aufhören, Pornos zu googeln. Es sei daher wichtiger, für "bessere" Ergebnisse und Verweise auf Inhalte zu sorgen, die dem Jugendmedienschutz entsprächen. Alterseinstufungen bezeichnete die Jugendliche als "super-schwieriges Thema", da damit individuelle Reifeprozesse nicht abgedeckt würden. Sie sprach sich dafür aus, Inhalte vor einem Konsum so zu beschreiben, dass klar werde, welche Kompetenzen im Umgang damit vorhanden sein sollten.

"Zugriff auf Pornographie ist für Kinder wie Erwachsene nie leichter gewesen als heutzutage", ergänzte der KJM-Vize Andreas Fischer. Dies mache die Arbeit der Landesmedienanstalten, die letztlich nur auf Löschungen inkriminierter Inhalte hinwirken könnten, "ein Stück weit frustrierend".

Von praktischen Problemen mit dem Jugendschutz im Netz berichtete Susanne Böhmig von der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft. So sei der Versuch der Berliner Politik, die Schulen zu entlasten und ihnen die Verantwortung für Server oder WLAN abzunehmen, zwar zu begrüßen. Ein Dienstleister habe dabei aber den verschlüsselten Webstandard https gesperrt, sodass die Schüler beispielsweise Teile der auf Kinder ausgerichteten "Frag Finn"-Suchmaschine gar nicht mehr hätten aufrufen können. Generell fehle nach wie vor ein Schulfach Medienbildung analog zur Verkehrserziehung. (jk)