Die 1.4te Kabeldimension

Knapp ein halbes Jahr nach der Ankündigung ist die Fassung 1.4 der digitalen Audio/Video-Schnittstelle High-Definition Multimedia Interface (HDMI) fertig. Neben angekündigten Features wie 3D-Unterstützung sind noch einige bislang nicht genannte Funktionen hinzugekommen.

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Von
  • Nico Jurran
Inhaltsverzeichnis

Auf der Consumer Electronics Show (CES) im Januar hatte sowohl die HDMI Licensing als auch die Video Electronics Standard Association (VESA) noch für das erste Halbjahr die Neufassungen ihrer digitalen Audio/Video-Schnittstellen HDMI und DisplayPort angekündigt [1]. Anlässlich der geplanten Veröffentlichung der Spezifikation lud HDMI Licensing Journalisten zu einer Vorschau auf die Neuerungen ein.

Der kleine Sprung in der HDMI-Versionsnummer täuscht über das Ausmaß der Neuerungen ein wenig hinweg: Nicht weniger als sieben kommen mit der Fassung 1.4 hinzu. Dazu zählt die Übertragung von Filmen mit einer Auflösung von bis zu 4K, die bislang gerade einmal in wenigen Digitalkinos zu bewundern ist. Konkret geht es laut HDMI Licensing um Vollbilder mit einer Auflösung von 4096 x 2160 Pixel und einer Wiederholfrequenz von 30 Bildern pro Sekunde sowie mit einer Auflösung von 3840 x 2160 bei einer Bildwiederholfrequenz von 24, 25 oder 30 Hertz. Doch obwohl dieser Plan seit Januar bekannt war, hatte Steve Venuti bei der Präsentation eine Überraschung parat: Entgegen der allgemeinen Erwartung drehen die HDMI-Entwickler für die 4K-Übertragung nicht weiter an der Geschwindigkeitsschraube. Die Datenrate bleibt auch bei 4K unter der – mit HDMI 1.3 erhöhten – Obergrenze von 10,2 GBit/s, sodass sich die bisherigen High-Speed-Kabel weiterverwenden lassen.

Während es für 4K im Heimkino nicht nur an geeigneten Displays, sondern auch an passenden Medien und Abspielern mangelt, mag man der mit HDMI 1.4 ebenfalls unterstützten 3D-Wiedergabe zumindest im PC-Bereich noch Chancen auf einen Start in näherer Zukunft einräumen. Bei der Einbindung gibt sich HDMI Licensing offen und zählte bei der Präsentation selbst sieben Methoden auf, die unterstützt werden – darunter Systeme, bei denen die Bilder für das rechte und das linke Auge abwechselnd übertragen werden und solche, wo ein Bild zusammen mit einer Tiefeninformation geliefert wird. Weitere 3D-Systeme sollen sich einbinden lassen, ohne dass der HDMI-Standard noch einmal geändert werden muss. Verwunderlich ist dies angesichts der Tatsache, dass sich bislang kein 3D-Standard herauskristallisiert hat, aber kaum. Mit einer maximalen Vollbildauflösung von 1920 x 1080 Pixeln (1080p) für 3D-Inhalte bleibt die Datenrate selbst bei gleichzeitiger Übertragung von zwei Videoströmen mit je 60 Bildern pro Sekunde auch hier unter dem Limit von HDMI 1.3 [2].

Die übrigen Neuerungen spielen aber durchaus – mehr oder weniger – im Hier und Jetzt: Um der zunehmenden Vernetzung von Unterhaltungselektronikgeräten (Consumer Electronics, CE) untereinander und mit dem Internet gerecht zu werden, kommt HDMI 1.4 mit einem integrierten Fast-Ethernet-Kanal (HDMI Ethernet Channel, HEC). Laut Venuti soll dabei jedes CE-Gerät als Hub dienen können. Befürchtungen, das Netz könne zusammenbrechen, wenn das als Hub genutzte Gerät in den Standby geschickt werde, tritt HDMI-Licensing-Präsident Steve Venuti entgegen: Alle Lösungen besäßen eine Passthrough-Funktion, die auch funktioniere, wenn das Gerät nicht eingeschaltet sei. Der Marketing-Chef des Chipherstellers Silicon Image bestätigte dies auf Nachfrage von c't – räumt aber auch ein, dass eine niedrige Leistungsaufnahme im Standby dadurch zu einer größeren Herausforderung gerate.

Da für die Einbindung des Ethernet-Kanals chipseitig die Verdrahtung geändert werden muss, lässt sich HEC bei aktuellen netzwerkfähigen Geräten mit HDMI-Anschluss nicht mittels Firmware-Update nachrüsten. Chiphersteller Silicon Image kann sich für aktuelle Geräte wie Sonys Spielkonsole Playstation 3, BD-Live-taugliche Blu-ray-Player und Fernseher mit Internetzugang (beispielsweise für die sogenannten „TV Widgets“) aber durchaus Beistelllösungen vorstellen – kleine Kästchen, die einen Eingang mit Buchsen für HDMI und Ethernet haben und einen Ausgang, an dem der fertige HDMI-HEC-Mix aus beiden Komponenten bereitsteht.

HDMI Licensing spricht im Zusammenhang mit HEC auch erstmals von „Aufnahmen über HDMI“. Die Idee: Ein via HDMI an einem Festplatten-Recorder angeschlossener HD-Camcorder soll seine Aufnahmen auch gleich über diese Strippe überspielen können. Dass der Recorder dabei einfach nur die komprimierten Videodaten speichert, die ihm über den Ethernet-Kanal geschickt werden, dürften viele Konsumenten nicht verstehen – sondern fälschlicherweise davon ausgehen, dass ein solches Gerät auch in der Lage ist, die unkomprimierten Videodaten festzuhalten, die ihm beispielsweise ein Blu-ray-Player via HDMI zuspielt. Doch hier stellte HDMI Licensing bei der Präsentation klar, dass es auch weiterhin keine HDMI-Aufnahmegeräte geben wird. Man muss also künftig unterscheiden zwischen dem Ethernet-Kanal, über den jegliche Art von IP-Daten laufen können, und der eigentlichen Audio/Video-Übertragung über HDMI, die sich weiterhin an die Spielregeln der Inhaltelieferanten aus Hollywood hält.

Die eigentliche Überraschung hält HEC allerdings an anderer Stelle parat: Wer den Ethernet-Kanal nutzen will, benötigt neue Kabel. Dies liegt nicht etwa daran, dass zusätzliche Leitungen genutzt würden – auch HDMI 1.4 verwendet 19 Pins; für die Übertragung der IP-Daten verwendet man bereits zuvor reservierte Leitungen. Tatsächlich werden die für HEC genutzten Adernpaare jedoch wie bei einem Ethernetkabel verdrillt (Twisted Pair), um gegen den störenden Einfluss von äußeren magnetischen Wechselfeldern auf die übertragenen Signale besser geschützt zu sein. Die bislang angebotenen HDMI-Kabel ließen sich zwar auch verwenden, wären aber störanfälliger. HDMI Licensing spricht bei den neuen Strippen, analog zu den bisherigen Bezeichnungen, von „Standard-HDMI-Kabeln mit Ethernet“ und „High-Speed-HDMI-Kabeln mit Internet“. Von Bezeichnungen wie HDMI-1.4-Kabel möchte man hingegen lieber nichts lesen.

Bereits angekündigt war auch der Audiorückkanal (Audio Return Channel, ARC), der vom Fernseher zum Audio/Video-Receiver laufen soll und es erlaubt, Digital-Audio-Signale vom DVB-Tuner im Fernseher an den Audio/Video-Receiver zur Dekodierung und Verstärkung weiterzuleiten. Bislang muss zu diesem Zweck eine separate SPDIF-Leitung gezogen werden. Zu den seit Januar neu hinzugekommenen Funktionen zählt indes die Unterstützung zusätzlicher Farbräume: Nachdem HDMI mit der Version 1.3 um xvYCC erweitert wurde, legen die Entwickler nun noch sYCC601, AdobeRGB und AdobeYCC601 obendrauf. Freuen dürfte dies vor allem Fotofans, da diese Farbräume bei digitalen (Spiegelreflex-)Kameras anzutreffen sind. Für eine Darstellung auf dem HDTV-Fernseher muss dieser natürlich seinerseits die Darstellung der neu eingeführten Farbräume unterstützen.

Apropos Fernseher und Digitalfotos: Bislang sind generell die Bildeinstellungen der meisten Fernseher von ihren Nutzern wohl auf die Darstellung von Filmen optimiert. Nur wenige Anwender dürften sich die Mühe machen, Helligkeit, Kontrast und Farben stets auf die jeweils zugespielten Inhalte anzupassen. Hier soll nach Vorstellung der HDMI-Entwickler dem Zuschauer nun eine Funktion namens „Automatic Content Enhancement“ (ACE) unter die Arme greifen: Der Zuspieler signalisiert dem Fernseher dabei, welche Art von Inhalten er gerade ausspielt. Kennzeichnen lässt sich so beispielsweise die Übertragung von Filmen, Digitalbildern, Spielen – oder etwa 3D-Videos. Ein mit dieser Funktion ausgestatteter Fernseher würde dann automatisch das passende Profil wählen. Da die Quelle für die automatische Inhalteerkennung lediglich ein Flag mit dem HDMI-Datenstrom versenden muss, ist nach Angaben von Steve Venuti durchaus vorstellbar, dass sich die Playstation 3 über ein Firmware-Update mit dieser Funktion nachrüsten lässt.

Auch bei den Steckern gibt es zwei Neuzugänge: Nur für die Autoindustrie gedacht sind die HDMI-Buchsen und -Stecker des neuen „Automotive Connection System“, die den widrigen Verhältnissen angepasst wurden und so für eine höhere Betriebssicherheit sorgen sollen – obwohl sich einige Videofans das dort vorhandene Locking-System für einen sicheren Halt der Stecker wohl auch im Heimkino gewünscht hätten.

Interessanter erscheint die neue Micro-HDMI-Buchse für mobile Geräte wie Handys und tragbare Videoplayer, die Videobilder mit einer Auflösung von 1080p übermitteln kann. HDMI Licensing entschied sich mit der Micro-Buchse gegen eine „Mobile High-Definition Link“ (MHL) genannte Lösung von HDMI-Mitentwickler Silicon Image (SI), die stattdessen auf den Micro-USB-Port setzt, über die die HDMI-Signale (ebenfalls bis 1080p) nach einer Bearbeitung geschickt werden. Diese USB-Schnittstelle lässt sich bei MHL-tauglichen Mobilgeräten wie gewohnt für die Datenverbindung mit dem PC nutzen. Erst wenn der eingebaute Transmitterchip als Gegenstelle einen Fernseher, Monitor oder Projektor mit HDMI-Port und MHL-Receiver-Chip erkennt, schaltet er in den HDMI-Übertragungsmodus um.

Beide Lager sahen im Gespräch mit c't ihre jeweilige Lösung als optimal an: SI weist darauf hin, dass man bei MHL nur eine Buchse am Mobilgerät benötige, das zudem während der Verbindung nebenbei noch vom Display aufgeladen werde. HDMI Licensing weist wiederum darauf hin, dass man bei ihrer Lösung lediglich ein einfaches Adapterkabel benötige. Damit ließen sich Mobilgeräte mit jedem beliebigen Display mit HDMI-Eingang verbinden, während man bei MHL ein Gerät mit passendem Chip benötige.

Ausgerechnet Silicon Image gehört nun aber zu den Chipherstellern, die die ersten HDMI-1.4-Prozessoren für Fernseher anbieten werden – MHL darin natürlich ebenso inklusive wie SIs neue Funktion „InstaPort“, bei dem zur Reduzierung der Umschaltzeiten an allen HDMI-Eingängen des Fernsehers gleich nach dem Einschalten des Geräts beziehungsweise dem Einstöpseln eines neuen HDMI-Zuspielers ein Handshake initiiert wird.

Interessant ist aber vor allem, dass Silicon Image nicht mit dem klassischen Receiver-Chip startet, sondern mit dem SiI9387 gleich die neue Produktkategorie des „Port Processor“ ins Leben ruft. Die Idee dahinter: Hersteller von Fernsehgeräten können ihre bisherigen Hardwarelösungen in Digital-TVs (DTV) weiterverwenden und schalten den SiI9387 dieser einfach vor. Der neue Chip bringt selbst fünf HDMI-Eingänge sowie den neuen Ethernet-Kanal, den Audiorückkanal und die automatische Inhalteerkennung mit und wird seinerseits über HDMI, SPDIF und Ethernet mit den entsprechenden Eingängen des bisherigen System-on-a-Chip (Soc) verbunden (siehe Diagramm). Da der HDMI-Port des „alten“ SoC ja noch höchstens nach der Fassung 1.3 spezifiziert ist, bleibt bei dieser Lösung die Unterstützung der neuen Farbmodelle außen vor.

Der neue Port Processor SiI9387 lässt sich vorhandenen System-on-a-Chip-Lösungen (SoC) für Digital-TVs (DTV) vorschalten. Die Anbindung erfolgt via HDMI. Besitzt der Fernseher einen Tuner, kann er den Digitalton via SPDIF an den SiI9387 weitergeben, der diesen für den neuen Audiorückkanal (ARC) nutzt. Ist auf dem SoC eine Ethernetanbindung vorhanden, nutzt der Port Processor diese für den Ethernet-Kanal (HEC).

Weiterhin hat Silicon Image bereits den Transmitter Sil9334 für den Einbau in Zuspieler wie BD-Live-taugliche Blu-ray-Player entwickelt, der die oben genannten HDMI-1.4-Neuerungen und daneben eine Farbtiefe von 48 Bit unterstützt. Samples beider Prozessoren sollen in der zweiten Hälfte des Jahres an die CE-Hersteller ausgeliefert werden. Silicon Image erwartet, dass auf der CES 2010 die ersten Geräte mit den neuen Chips angekündigt werden und deren Auslieferung noch im ersten Halbjahr 2010 beginnt.

HDMI Licensing rüstet sich mit der Spezifikation 1.4 für alle Eventualitäten – und wirkt dadurch aktuell an manchen Stellen recht praxisfern. Da kann man den Entwicklern nur wünschen, dass sich die Prophezeiungen auch erfüllen. Dass für die Einbindung des Ethernet-Kanals nun ein Wechsel des Kabelaufbaus nötig wird, spricht jedenfalls dafür, dass bei der Entwicklung der HDMI-Grundspezifikation die Kristallkugel etwas beschlagen war.

Apropos Ethernet-Kanal: Eine (Brutto-)Übertragungsrate von 100 MBit/s mag durchaus für die derzeit angedachte Online-Funktion wie die Einblendung von Wettervorhersagen und RSS-Feeds auf dem Fernsehschirm ausreichen. Wenn HDMI Licensing jedoch ernsthaft von Aufnahmen über HDMI spricht und damit die Übertragung von HD-Videos meint, muss man sich allerdings fragen, ob die Entwickler wirklich glauben, mit HEC der etablierten und schnelleren Verbindung USB 2.0 (und demnächst USB 3.0) ernsthaft Konkurrenz machen zu können.

Mit den neuen Farbraummodellen, dem Audiorückkanal und der automatischen Inhalteerkennung finden sich im neuen Standard durchaus sinnvolle Neuerungen. Das von HDMI 1.3 bekannte Motto „alles kann, nichts muss“ gilt aber auch bei der neuen Spezifikationen: Da alle Funktionen optional sind, lässt das HDMI-1.4-Logo allein erst einmal keine Rückschlüsse zu. Immerhin verspricht HDMI-Licensing-Präsident Venuti, dass man Gerätehersteller dazu verpflichten werde, die tatsächlich unterstützten Features deutlich zu nennen.

Literatur

[1] Nico Jurran, Zukunftsvision – Die kommenden Fassungen von HDMI und DisplayPort, c't 4/09, S. 76

[2] Nico Jurran, Kabelsalat, Die HDMI-Kabelkategorien in der Praxis, c't 13/08, S. 198 (nij)