ProzessorgeflĂĽster

Nun haben auch die Europäer ihren ersten Petaflops-Rechner und immer mehr Nehalem-Systeme tummeln sich hoch in den Teraflops-Bereichen. Aber auch bei den Netbooks und den noch kleineren Gerätchen tut sich allerhand, unter anderem gibts hier neue Benchmarks.

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Von
  • Andreas Stiller

Mit nunmehr 294 912 BlueGene/P-Kernen, verteilt auf 72 wassergekühlte Racks, steht in Jülich der schnellste Supercomputer in Europa. Der so massiv aufgerüstete Jugene-Rechner wird vom Gauss Centre for Supercomputing betrieben, das vom Forschungszentrum Jülich, dem Leibniz-Rechenzentrum in München/Garching und dem Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart getragen wird. Und nicht nur das: Daneben übergaben Bundesforschungsministerin Schavan und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttger gleich zwei weitere Supercomputer in Jülich feierlich ihrer Bestimmung: Juropa, den Sun beziehungsweise nunmehr Oracle mit 4416 Nehalem-EP-Prozessoren (Xeon X5570) als Constellation-System zusammenstellte und der auf 207 Teraflops (Peak) kommt, sowie den speziell für die Fusionsforschung gedachten HPC-FF mit 101 Teraflops (peak), der von Bull aus dem Nachbarland Frankreich aufgebaut wurde. Auch dieser Rechner ist mit Nehalem-EP-Knoten bestückt (2160 Prozessoren) und kann mit seinem Sun-Kollegen zu einem größeren System verkoppelt werden. Die Knoten untereinander unterhalten sich ohnehin hier wie dort mit schnellem Infiniband QDR, darüber hinaus sind alle drei Supercomputer über den Server JUST ans gemeinsame Speichersystem (6 Petabyte Festplatten und 10 Petabyte Bandspeicher) angekoppelt.

Jülich gehört damit zu den größten zivilen Standorten für Supercomputer in der Welt und man darf gespannt sein, wie die Systeme in der nächsten Top500-Liste positioniert sind. Diese Liste wird am 23. Juni zur Supercomputer 2009 in Hamburg veröffentlicht. Darin dürften neben Juropa und HPC-FF mit Sicherheit viele weitere neue Xeon-Nehalem- und wohl auch das ein oder andere AMD-Shanghai-System verzeichnet sein. Dumm nur für Intel, dass der Nehalem ausgerechnet in dem der Top500-Liste zugrunde liegenden Linpack-Benchmark nicht so brillieren kann und er hierbei im Energieverbrauch vergleichsweise hoch liegt. So kann AMD gut punkten, denn schon der Shanghai-Prozessor ist in dieser Disziplin etwas besser und der neue Sechskerner Istanbul legt noch eine Schippe drauf (siehe S. 34).

Der aktuelle Herstellungsprozess in 45 nm läuft bei AMD offenbar auch viel runder als zuvor der „vergiftete“ Problemprozess in 65 nm. Das zeigt auch ein erster Blick auf die neuen Athlon-II- und Phenom-II-Doppelkerne (S. 18). Offenbar hatte AMD mit der 65-nm-Fertigungstechnik eine ganz ähnliche Pleite erlebt wie einst Intel mit der 90-nm-NetBurst-Generation, die bei ihrem Erscheinen Anfang 2004 mit dem für seinen extremen Stromdurst berüchtigten Pentium 4 „Prescott“ viel Spott auf sich zog. Kein Wunder, dass Intel in jener Zeit, also zwischen 2002 und 2007, – so wie von der EU-Kommission festgestellt – zu unlauteren Mitteln griff, um die Hitzköpfe im Markt zu halten: Damals waren die Konkurrenzprodukte schlichtweg attraktiver.

Doch bekanntlich wendete sich mit der Core-2-Generation das Blatt, und der AMD-Umstieg auf die 65-nm-Technik brachte den Athlons keine spürbaren Vorteile. Auch die ersten Phenoms und K10-Opterons waren nicht nur von Bugs geplagt, sondern arbeiteten wegen ihrer hohen Volllast-Leistungsaufnahme nach heutigen Maßstäben ineffizient. Erst bei der 45-nm-Generation haben die AMD-Entwickler nun wohl die richtigen Stellschrauben für sparsame Prozessoren gefunden. Ironie des Schicksals, dass dieser Erfolg mit der Abspaltung von GlobalFoundries und zahlreichen Entlassungen zusammenfällt. Ende März hatte die AMD Product Company nur noch 10 511 Mitarbeiter, fast genau doppelt so viele wie Nvidia (5420).

Intel und AMD verhandeln ansonsten freundschaftlich hinter den Kulissen bezüglich ihres Patentaustauschabkommens, und ebenso freundschaftlich hat sich Intel derweil mit Psion über die Nutzung des Wortes Netbook geeinigt. Im Rahmen dieses „amicable agreement“ zieht Psion freiwillig den eingetragenen Handelsnamen Netbook zurück. In Deutschland ist unterdessen ein mit Abmahnungen gut vertrauter Kaufmann mit der beantragten Eintragung der Wortmarke Netbook gescheitert, sie wurde unter anderem wegen „fehlender Unterscheidungskraft“ abgewiesen. Dank Intels Einsatz steht nun die Nutzung von Netbook als Kategoriebegriff jedermann offen, ähnlich wie Notebook. AMD könnte davon Gebrauch machen, zum Beispiel für Systeme mit den Neo-Prozessoren, die jetzt auch als Dual-Core herauskommen – wird es aber wohl nicht. Doch es gibt auch zahlreiche andere Kandidaten, beispielsweise Qualcomm, die mit ihrem Snapdragon-Prozessor, bestehend aus 1-GHz-ARM-Kern und 600-MHz-Signalprozessor in Verbindung mit Android OS, jetzt als Alternative den Eee-PC von Asus befeuern. Oder Mips Technologies, die für ihre Prozessorarchitektur jetzt ebenfalls Android OS portiert haben. Und Mips ist weiterhin lebendig: Es erscheinen laufend neue Prozessoren mit Mips-Architektur, wie jetzt der Thin Client Media Processor SMP8652 von Sigma.

Um diese vielen Architekturen für kleinere Geräte vergleichen zu können, braucht man auch einen kleinen, portablen, einfach zu benutzenden Benchmark, der die Nachfolge des betagten Dhrystone antreten kann. Genau den hat das Embedded Microprocessor Benchmark Consortium (EEMBC) jetzt mit dem Coremark 1.0 fertiggestellt (Listenverarbeitung, Matrixoperationen und ein Zustandsautomat). Man kann ihn gegen Registrierung als C-Sourcecode bei www.coremark.org herunterladen und muss sich nur verpflichten, sich bei Veröffentlichungen an die runrules zu halten. Bei der Entwicklung haben Mitarbeiter von ADI, ARM, Cavium, EEMBC, IBM, Mips, NEC, NXP und Renesas mitgeholfen – doch zurzeit findet man auf der Coremark-Website nur ein paar Ergebnisse für kleinere Intel-Prozessoren. Komisch – Intel war ja gar nicht dabei …

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Nehalem-Xeons: völlig inkompatibel

Oh weh, nun wirklich: Das A20-Gate ist weg. Während selbst die neuesten Core i7 noch tapfer an diesem Prunkstück der IBM-Ingenieurskunst festhalten, ist bei den Nehalem-Xeons nun erstmals in der x86-Geschichte tatsächlich das von vielen (jedenfalls von mir) so innig geliebte A20-Gate einfach sang- und klanglos verschwunden. Wer also auf neuen Xeons noch altes DOS booten möchte, darf sich über entsprechende Fehlermeldungen von Himem.sys nicht wundern. Dieses haben wir im Rahmen des BIOS-Updates des Primergy-Servers (siehe S. 156) per Boot via USB-Stick mit FreeDOS überprüft. Das vom Update verwendete FreeDOS-Himem.sys kommt jedoch mit diesem schmerzlichen Verlust problemlos klar und meldet schlicht „A20 permanent on“. Eine Ära geht zu Ende – vielleicht sollte auch ich so langsam auf Altersteilzeit gehen …

(as)