Schneller, genauer, intelligenter

Im österreichischen Graz versammelten sich über 2000 Teilnehmer aus aller Welt zur 13. Weltmeisterschaft im Roboterfußball und anderen Disziplinen – und dank guter Organisation konnte selbst ein Fall von Schweinegrippe die Veranstaltung nicht nachhaltig stören.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Beim RoboCup lade ich meine Batterien für ein ganzes Jahr auf“, erzählt Sahar Asadi. Damit dürfte die iranische Studentin, die am Learning Systems Lab der schwedischen Universität von Örobro an ihrer Dissertation über die Modellierung von Gasen arbeitet, vielen Teilnehmern der 13. RoboCup-Weltmeisterschaft in Graz aus dem Herzen gesprochen haben. Der RoboCup sei „ein internationales Netzwerk von ganz tollen Leuten“, bestätigt auch Gerald Steinbauer von der Technischen Universität Graz, Cheforganisator der diesjährigen WM. „Das sind hochklassige und zugleich hemdsärmelige Wissenschaftler, die ich jederzeit anrufen kann, wenn ich eine Frage habe oder etwas auf die Beine stellen will.“

Etwa 2300 dieser Netzwerker aus 44 Ländern waren Anfang Juli in die zweitgrößte Stadt Österreichs gekommen, um die von ihnen entwickelten Roboter und Computerprogramme in einer Vielzahl von Disziplinen gegeneinander antreten zu lassen. Neben verschiedenen Fußballwettbewerben für laufende, radgetriebene und simulierte Roboter gab es auch Wettkämpfe für Rettungs- und Haushaltsroboter sowie Demonstrationen möglicher zukünftiger Ligen. Im Nachwuchsturnier RoboCup Junior wetteiferten Schülerinnen und Schüler um Trophäen in den Bereichen Soccer, Rescue und Dance.

Etwas enttäuscht zeigte sich Asadi, die als Mitglied des Technischen Komitees seit mehreren Jahren die Fußball-Simulationswettbewerbe mit organisiert, lediglich von der Platzierung der Simulationsligen in den Ecken der Messehallen. Die Spiele der Simulation League, eine der drei Ur-Ligen des RoboCup, fanden so fast im Verborgenen statt.

Ein Nao-Roboter des Teams B-Human wagt einen Weitschuss aufs gegnerische Tor.

Besucher, die trotzdem den Weg dorthin fanden, wurden am letzten Turniertag mit einem packenden Finale in der 2D-Simulation belohnt, das zu den sportlichen Höhepunkten dieses Turniers zählt. Elf gegen elf Software-Agenten treten hier auf einem simulierten Spielfeld gegeneinander an. Das chinesische Team Wright Eagle hatte bereits im Halbfinale das Team HELIOS aus Japan mit 1:0 besiegt. Die Verlierer der Finalrunden bekommen in der Simulationsliga jedoch eine zweite Chance. So kämpfte sich HELIOS durch die Trostrunde doch noch ins Endspiel und bezwang diesmal Wright Eagle mit 4:1. Nunmehr war ein weiteres Entscheidungsspiel erforderlich, das wiederum die Chinesen mit 2:1 für sich entscheiden konnten.

Die knappen Ergebnisse spiegeln dabei durchaus die Dynamik des Spiels wider, bei dem die Software-Agenten ihre Chancen innerhalb weniger Millisekunden erkennen und nutzen müssen. Dabei ist insbesondere eine gute Kooperation der Spieler wichtig. Nur mit schnellen und präzisen Pässen lässt sich die gegnerische Verteidigung überwinden. Manchmal hilft auch eine kluge Taktik: Den mehrfachen Weltmeister Brainstormers von der Universität Osnabrück besiegte Wright Eagle, indem Angreifer und Verteidiger des chinesischen Teams plötzlich und wiederholt die Rollen tauschten. Das verwirrte die Manndeckung der Brainstormers und riss Lücken in ihrer Verteidigung auf, die Wright Eagle erbarmungslos nutzte.

Bei den realen Robotern können bislang allenfalls die fahrenden Roboter der Small Size League ein vergleichbares Tempo vorweisen. Hier werden die Spieler über Funk von einem Computer gesteuert, der wiederum auf die Bilder einer über dem Spielfeld befestigten Kamera zugreift. Dieser Wettbewerb wurde in diesem Jahr von thailändischen und japanischen Teams dominiert. Gespielt wird mit einem orangefarbenen Golfball. Die Spielzüge und Schüsse erfolgten so schnell, dass häufig nur am Klang, mit dem der Ball auf die Rückwand des Tores traf, zu erkennen war, dass ein Tor erzielt wurde.

Die ebenfalls radgetriebenen Roboter der Middle Size League, die auf einem 12 mal 18 Meter großen Feld spielen, lassen sich besser verfolgen, obwohl auch hier Geschwindigkeiten von mehreren Metern pro Sekunde erreicht werden. Hier erwiesen sich die Roboter des 1. RFC Stuttgart (Universität Stuttgart), die mit hohem Tempo enge Kurven fahren können, ohne den Ball zu verlieren, als wahre Augenweide. Mit ihrer Wendigkeit dribbelten sie sich ins Finale, in dem sie das niederländische Team Tech United von der Technischen Universität Eindhoven verdient mit 4:1 besiegten. Einen Spezialpreis bekamen die Stuttgarter außerdem für ein Kamerasystem, das automatisch dem Spielgeschehen folgt, gesteuert von den Sensordaten der Roboter, die über WLAN von einem Computer zu einem sogenannten Weltmodell integriert werden. Die Bilder der Kamera können in Echtzeit mit diesem Modell überlagert werden und dadurch dessen Genauigkeit testen.

Diese Spezialwettbewerbe, die „Technical Challenges“, werden außerhalb der RoboCup-Gemeinde weniger wahrgenommen als etwa Turniererfolge. Für die Teams sind sie gleichwohl wichtig, da hier neue Verfahren erprobt werden können und häufig wissenschaftliches Neuland betreten wird, während es auf den Spielfeldern eher um die Robustheit der Systeme geht.

Bei den zweibeinigen Robotern der Humanoid League wurde in diesem Jahr unter anderem der Balleinwurf als Technical Challenge erprobt. Das zwingt die Teams, die Steuerung der Arme weiter zu verbessern, die bislang vor allem zum Aufstehen und zur Kontrolle des Gleichgewichts genutzt werden. Jacky Baltes von der University of Manitoba, der die Wettbewerbe in dieser Liga mit organisiert, glaubt, dass der Einwurf schon in zwei Jahren Bestandteil des Regelwerks bei regulären Spielen werden könnte.

Das Team HWM (Humanoid Walking Machine) der Fachhochschule Kärnten musste sich in der Teen Size mit einem vierten Platz zufriedengeben.

In diesem Jahr dominierten im Wettbewerb der kleinen (Kid Size) Roboter klar die Darmstadt Dribblers von der Technischen Universität Darmstadt. Auffallend war – neben der Schnelligkeit und Zielstrebigkeit ihrer Bewegungen – insbesondere ihre Standfestigkeit. Bei Kollisionen mit anderen Spielern stürzten die Dribblers deutlich seltener als ihre Gegner. Ebenso beeindruckend war, wie schnell viele Roboter mittlerweile nach Stürzen wieder auf die Beine kommen.

Die Spieler des Teams FUmanoid von der Freien Universität Berlin brauchen dafür nur drei bis vier Sekunden. Dennoch mussten sie sich im Kid-Size-Finale den Dribblers mit 11:1 geschlagen geben.

Bei den über einen Meter großen Robotern der Teen Size können Stürze noch zu großen Schaden anrichten. Teamspiele werden daher vermieden, die Spieler müssen stattdessen Strafstöße abwechselnd schießen und halten. Nur das Team NimbRo von der Uni Bonn verfügt über einen Roboter, der sich als Torwart gezielt hinwerfen kann, wobei ein nachgebendes Hüftgelenk den Sturz abfedert. Dank dieser Fähigkeit erkämpfte sich NimbRo den WM-Titel in der Teen Size.

Sowohl NimbRo als auch das Darmstädter Team haben in diesem Jahr ihre RoboCup-Teilnahme auf andere Ligen ausgeweitet. Darmstadt beteiligte sich erstmals auch am Wettbewerb der Rescue Robot League, bei dem die Fähigkeiten von Rettungsrobotern getestet werden. Der hierfür verwendete vierrädrige „Monstertruck“ hat zwar äußerlich keinerlei Ähnlichkeit mit den agilen Zweibeinern der Humanoid League, doch im Inneren gibt es Gemeinsamkeiten. „Wir konnten die Software-Architektur der humanoiden Roboter übernehmen“, erklärt Teamleiterin Karen Petersen, die im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Cooperative, Adaptive and Responsive Monitoring in Mixed Mode Environments“ ihre Dissertation erarbeitet. „Dadurch waren wir überhaupt nur in der Lage, uns noch rechtzeitig für den Wettbewerb zu qualifizieren.“

Einer der vorderen Plätze war in diesem Jahr allerdings noch nicht drin. Überhaupt mussten europäische Teams beim Rettungswettbewerb diesmal der Konkurrenz aus Asien und Australien das Feld überlassen – was nicht zuletzt früheren Erfolgen zu verdanken ist. Denn die Verfahren zur autonomen Navigation und Opfererkennung in der Rescue Arena, mit denen deutsche Teams in den letzten Jahren häufig punkten konnten, sind innerhalb der RoboCup-Gemeinde auf Workshops und bei Rescue Camps veröffentlicht und von anderen Teams adaptiert worden. Dieser Austausch wird vom Wettbewerbsleiter Adam Jacoff vorangetrieben, der die Philosophie vertritt: „Bei diesem Wettbewerb treten nicht die Teams gegeneinander an, sondern die Teams gemeinsam gegen die Arena.“

Sieger dank überlegener Mimik-Erkennung: der @home-Roboter des Teams bit-bots

Die Roboter, mit denen das Team NimbRo in der RoboCup@home League für Haushaltsroboter teilnahm, haben äußerlich mehr Ähnlichkeit mit den Spielern der Humanoid League. Einer, Robotinho, hat sogar früher in der Teen-Size-Kategorie gekickt und wurde für diese Liga jetzt auf eine fahrende Plattform gestellt und mit Mimik und anderen Kommunikationsfähigkeiten ausgestattet. Dynamaid, der andere Roboter, wurde speziell für den @home-Wettbewerb entwickelt. Der zweiarmige, ebenfalls auf einer fahrenden Plattform montierte Roboter zeigte sich unter anderem in der Lage, auf Kommando ein bestimmtes Getränk zu greifen und einem menschlichen Gast in der nachgebildeten Wohnung zu servieren. Diese Fähigkeiten beeindruckten die Jury so stark, dass Newcomer NimbRo auf Anhieb Platz drei erreichte.

Sieger in dieser Liga wurde das Team b-it-bots von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Ihr Roboter konnte nicht nur Gesichter erkennen, sondern auch deren Ausdruck, und gab Getränke nur an freundlich schauende Gäste. Das japanische Team eR@sers, das Platz zwei erreichte, machte großen Eindruck mit einem Roboter, der beim Lernen durch Vormachen unterscheiden konnte, ob es sich bei einem Objekt um die Hand eines Menschen oder einen Gegenstand handelte, den diese hielt und um den es eigentlich ging.

Die beiden Roboter Dynamaid (links) und Robotinho des Teams NimbRo in der RoboCup@home-Arena

Obwohl erst vor drei Jahren eingerichtet, hat sich RoboCup@home zu einer der dynamischsten Ligen im Rahmen des RoboCup entwickelt. Derzeit geht es zwar vornehmlich noch darum, Konzepte zu erproben. Aber wenn in den kommenden Jahren mehr und mehr kommerzielle Haushaltsroboter auf den Markt drängen, könnte sich der Wettbewerb zu einem Gütesiegel entwickeln, ohne das es schwer werden dürfte, die mechanischen Helfer zu verkaufen.

Nicht ganz so dynamisch geht es derzeit noch bei den humanoiden Nao-(Spielzeug-)Robotern zu, mit denen in der Standard Platform League gespielt wird. Ein knappes halbes Jahr hatten die Teams Zeit, ihnen das Laufen, Gucken und Kicken beizubringen. Das gelang am besten dem Team B-Human von der Universität Bremen, dessen Roboter einen regelrechten Durchmarsch ins Finale veranstalteten, wo sie mit 5:0 gewannen. Die Kinderkrankheiten der Hardware scheinen damit weitgehend überwunden. In den zwölf Monaten bis zur nächsten RoboCup-WM 2010 in Singapur können sich die Teams aufs Programmieren konzentrieren, sodass deutliche Fortschritte zu erwarten sind.

Organisatorisch hat die diesjährige RoboCup-WM die Messlatte höher gelegt. Die Teilnehmer äußerten sich einhellig positiv über die Veranstaltung, zu der eine übersichtlich gestaltete Homepage gehörte und die selbst durch einen akuten Fall von Schweinegrippe nicht nennenswert gestört wurde. Nicht zuletzt trug das angenehme Ambiente von Graz zu einer rundum gelungenen Veranstaltung bei. (ha)