Expertenbörsen: Auf jede Frage eine Antwort

Wenn es um komplexe Zusammenhänge geht, ist der Mensch dem Computer immer noch haushoch überlegen. Deshalb sind Expertenbörsen auch nicht durch Unix-Server ersetzbar.

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Von
  • Miriam Tang
  • gms
  • Michael Kurzidim

Fühlen, riechen, schmecken, rechnen, küssen, spielen – alles kein Problem. Unser Gehirn lässt Hochleistungs-PC wie billige Taschenrechner aussehen. Überlegen ist der Mensch dem Computer besonders dann, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht. So genannte Internet-Wissensbörsen dagegen verbinden die Schnelligkeit des Web mit dem komplexen menschlichen Wissen.

Wer etwas genau wissen will, erhält zumindest in den Portalen Wer-weiss-was.de, Meome.de, Expertenseite.de oder Infosphinx.de einen guten Start zur Netzrecherche. Meome.de preist sich zum Beispiel als größtes europäisches Expertennetz im Internet an. Das Anfang des Jahres in Berlin gegründete Startup-Unternehmen verfügt inzwischen über 400 Experten, die 19 Rubriken mit Beiträgen füllen.

In der Anfangszeit bekam fast jeder Bewerber die Chance, sich als Cyberführer zu profilieren. "In den letzten zwei Monaten haben wir jedoch die Zahl der Experten reduziert", erläutert Meome-Pressesprecher Boris Hageney den veränderten Ansatz. Fachleute sind gefragt: "Im Bereich Gesundheit und Wellness versuchen wir verstärkt, Ärzte anzusprechen", sagt Hageney. Bei den Computerspielen haben jedoch nach wie vor Studenten und Schüler den Durchblick.

Die von Meome.de ernannten Fachleute stellen ausgewählte Artikel in ihr Portal und empfehlen Webseiten anderer Anbieter. Das Jura-Portal ermöglicht zum Beispiel den Online-Besuch eines Repetitors, das Gartenportal weist den Weg zum Pflanzendoktor. Wer keine Antwort auf seine Frage findet, kann sich auf dem Expertenmarktplatz direkt per E-Mail an einen Ansprechpartner wenden.

Dass der Mensch schneller sein kann als der Computer, zeigt das direkte Eingreifen des Anti-Virus-Experten von Meome.de im Mai dieses Jahres. Während sich die ersten Warnungen gegen den "I Love You"-Virus übers Netz verbreiteten, stellte der Guide bereits um zwölf Uhr eine Handlungsanleitung für kundige Computer-Benutzer ins Web. Für weniger Versierte führten Links zu Seiten von Herstellern von Antivirus-Programmen und zu einem Virus-ABC.

Obwohl alle Fragen und Antworten durch die Hände von Redakteuren gehen, übt Meome.de keine Zensur aus. Hageney befürchtet dennoch keine sexistischen, rassistischen oder politisch extremen Beiträge: "In der Userschaft hat sich gezeigt, dass man solche Inhalte nicht will." Die gleiche Erfahrung machte auch die Konkurrenz. "Die Community macht uns auf solche Einträge aufmerksam, und die löschen wir dann", sagt Agnieszka Krzeminska von Wer-weiss-was.de.

Auf das Prinzip der Gegenseitigkeit setzen Wer-weiss-was.de und Expertenseite.de. Wer sein Wissen zur Verfügung stellt, profitiert von dem Knowhow der anderen. Bereits rund 42 800 so genannte Experten für rund 207 000 Themen sind auf das Tauschgeschäft bei Wer-weiss-was.de eingegangen. Wer die Öffentlichkeit nicht scheut, kann auch nach dem Prinzip der Mailgruppen eine Frage ins Experten-Forum zur Diskussion stellen oder bei den moderierten Themenbrettern vorbeischauen. Expertenseite.de stellt die beste Frage und die beste Antwort direkt auf die Einstiegsseite.

Infosphinx.de geht noch einen anderen Weg: Auf dieser Plattform beantworten Experten kostenlos Fragen. Für die gute oder schlechte Qualität der Antworten erhalten die Fachleute Punkte.

Reich wird man als Cyber-Experte nicht. Meome.de zahlt den Guides eine monatliche Pauschale für die Onlinekosten von 200 Mark. Darüber hinaus schüttet das Berliner Startup-Unternehmen ein Drittel aller Werbeeinnahmen an die Guides aus – den Zugriffszahlen der jeweiligen Seiten entsprechend.

"Das macht überhaupt keinen wirtschaftlichen Sinn", sagt der Meome-Experte für Judentum, Samuel Laster. An kritischen Tagen des jüngsten Nahostkonflikts registrierte er bis zu 4 000 Klicks in seinem Portal. Rund acht Stunden Arbeit investierte er zu dieser Zeit in das Beantworten von Fragen und Analysieren der aktuellen Situation. Der 40 Jahre alte Familienvater ist dennoch fasziniert von seiner Arbeit: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mich eines Tages mit indoktrinierten Marxisten über Judentum unterhalten werde."

So viele Stunden Arbeit wie Laster steckt der Office-Software-Experte Uwe Probst nicht in seine ehrenamtliche Funktion bei Wer-weiss-was.de. Eine halbe Stunde täglich beantwortet er E-Mails oder moderiert das von ihm betreute Expertenforum – ohne jede Vergütung. Ganz umsonst war die viele Arbeit aber auch für ihn nicht: Ein fachkundiger Rat eines Experten-Kollegen half Probst beim Streit mit einer Behörde. (Miriam Tang, gms) / (ku)