Microsoft muss im OEM-Streit Niederlage einstecken

Der Bundesgerichtshof hat Microsoft im Streit um den gekoppelten Vertrieb von Software mit PC-Hardware eine Niederlage beschert.

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Von
  • Peter Schmitz

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im bereits seit Monaten geführten Streit um den gekoppelten Vertrieb von Software und PC-Hardware eine Klage von Microsoft gegen einen Berliner PC-Hersteller abgewiesen und damit zugleich den rechtlichen Status mit Hardware "gebundelter" Programme ("Original Equipment Manufacturer" (OEM)- oder "Delivery Service Pack" (DSP)-Software) bestimmt, der bislang unter Juristen umstritten war.

Am gestrigen 6. Juli hat der 1. Senat des BGH nach mündlicher Verhandlung entschieden, dass ein Softwareunternehmen Händlern, die nicht vertraglich mit ihm verbunden sind, den einzelnen Weiterverkauf von "entbundelter" Software – die laut Herstellerkennzeichnung nur zum gemeinsamen Vertrieb mit bestimmter neuer Hardware vorgesehen ist – an Verbraucher nicht verbieten kann. Das Urheberrecht liefert laut BGH keine Handhabe zur Durchsetzung einer solchen Vertriebseinschränkung.

Damit setzt das höchste zuständige Bundesgericht einen Schlusspunkt unter eine Auseinandersetzung zwischen Microsoft und zahlreichen Händlern, die nicht direkte Vertragspartner des Softwarekonzerns sind, aber OEM- beziehungsweise DSP-Versionen etwa von Windows oder Office-Paketen einzeln oder zusammen mit selbst gewählter (auch gebrauchter) Hardware an Endkunden abgeben.

Als besondere Ohrfeige für die Softwareindustrie kann die Feststellung des BGH gelten, dass der gesplittete Vertrieb von Software (als reguläre Vollpreis- und als verbilligte OEM-Version) kein notwendiges und schützenswertes Recht darstellt. Microsoft hatte argumentiert, im Interesse der Bekämpfung von Softwarepiraterie sei man auf ein solches Vertriebskonzept angewiesen. Wenn die Firma Microsoft Programme verbilligt an PC-Hersteller abgebe, um eine PC-Erstausrüstung mit ihren Produkten zu fördern, sei nicht einzusehen – so der BGH – warum nicht auch Interessenten an einer isolierten Programmkopie in den Genuß des günstigeren Preises kommen sollten. Das Interesse eines Herstellers, verschiedene Marktsegmente mit unterschiedlichen Preisen zu bedienen, so hieß es weiter, werde auch sonst von der Rechtsordnung nicht geschützt.

Im Bereich der Betriebssysteme arbeitet Microsoft mit mehrerlei Vertriebskanälen. Während das allgemeine Augenmerk im gegenwärtigen Streit auf der Behandlung von OEM-Versionen liegt (und auch die Verlautbarung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich von OEM spricht), handelte es sich bei den "entbundelt" verkauften Betriebssystemen der beklagten Firma tatsächlich um DSP-Versionen, also kompletten von Microsoft hergestellten Produktsätzen samt CDs und Handbüchern. Wie Tomas Jensen, Sprecher von Microsoft, betonte, beziehe sich das Urteil somit eigentlich auf DSP-Versionen und werde von Microsoft zunächst auch nur in diesem Sinne verstanden. Nach dem Sprachgebrauch des Hauses sind die eigentlichen OEM-Versionen, die noch einmal deutlich billiger als DSP-Produkte sind, großen Vertragspartnern wie Compaq, IBM, Dell oder Fujitsu Siemens vorbehalten – je nach Vertragsgestaltung erhalten diese Hardware-Hersteller nur die notwendigen Lizenzrechte, um ihre Produkte mit der entsprechenden Software auszustatten, aber keine kompletten Originalpakete.

Microsoft rechnet nun damit, dass gerade kleinere Hersteller und Händler ihre DSP-Versionen (die im Falle von Windows 98 rund die Hälfte der gewöhnlichen Vollversion kosten) zunehmend auch einzeln verkaufen. Im Handel wiederum befürchtet man, dass Microsoft als Reaktion darauf die DSP-Preise empfindlich anheben könnte. Eine Entscheidung darüber, meinte Jensen, sei noch nicht gefallen. Man wolle erst die schriftliche Urteilsbegründung aus Karlsruhe abwarten. Auch die Frage, ob die Lizenzbestimmungen für die Produkte in Anbetracht des letztinstanzlichen und somit nicht mehr anfechtbaren Urteils geändert werden müssten, sei noch offen. In einer Pressemitteilung hat der Softwarekonzern zumindest angedeutet, dass das DSP-Vertriebsmodell nun "überdacht und entsprechend angepasst" werden müsse.

Das deutsche Urheberrecht erlaubt es dem Urheber eines geschützten Werks (also etwa dem Hersteller eines Softwareprodukts), unter anderem über die Vervielfältigung und die Nutzung seines Werks zu bestimmen und Dritten die betreffenden Rechte gegen Gebühr einzuräumen. Dieses Verfügungsrecht des Urhebers, das sich immer direkt auf jedes produzierte Exemplar bezieht, erschöpft sich jedoch durch seine Abgabe (oder die Weitergabe des Herstellungsrechts) an einen Lizenznehmer – beispielsweise einen OEM-Partner. Der Hersteller kann also beispielsweise einem Endkunden, der lediglich einen Kaufvertrag mit seinem Händler, aber keinen direkten Vertrag mit dem Hersteller hat, nicht verbieten, sein legal erstandenes Exemplar weiter zu verkaufen, sofern er nichts daran verändert.

Dieser sogenannten Erschöpfungsgrundsatz greift nur dort nicht, wo eine Beschränkung dem betreffenden Exemplar sozusagen als charakteristische Eigenschaft mit auf den Weg gegeben worden ist – der juristische Begriff lautet "dingliche Beschränkung". Eine solche Einschränkung muss jedoch eine eigenständige Nutzungsart betreffen. So gilt beispielsweise die Eigenschaft "Einzelplatzversion" oder "Netzwerkversion" als eigenständige Nutzungsart in diesem Sinne. Ob aber die Nutzung eines Softwareprodukts als OEM-Version ebenfalls eine eigenständige Nutzungsart darstellt, die einem Produktexemplar per dinglicher Beschränkung ein für allemal zwingend mitgegeben werden kann, war bislang strittig.

Diese Frage hat der BGH nun klar mit "nein" beantwortet und damit ein Stück Rechtssicherheit geschaffen. Ein bestimmter Vertriebskanal kann nicht mit Hilfe des Urheberrechts durchgesetzt werden. Demzufolge dürfte nun auch ein Endkunde, der etwa ein DSP-Windows mit einem neuen Computer erwirbt und dieses Betriebssystem nicht nutzen will, die Software guten Gewissens weiter verkaufen. Weder er noch der letztendliche Käufer würde dabei das Urheberrecht verletzen. (psz)