Hintergrund: Chip-Markt wächst - Kurse fallen
Während an der Börse die Chip-Aktien in den Keller gehen, weiten Halbleiterhersteller ihre Produktionsanlagen aus.
Während an der Börse die Chip-Aktien in den Keller gehen, weiten Halbleiterhersteller ihre Produktionsanlagen aus. Vor allem der Handy-Boom sorgt für volle Auftragsbücher. Die guten Zahlen des US-Chipbauers AMD "haben unsere erhöhten Umsatzprognosen nur bestätigt", sagte Rüdiger Kühnle, Analyst der Baden-Württemberg Bank.
Dem US-Verband der Halbleiterhersteller (SIA) zufolge erhöhen sich die Chip-Aufträge stetig. Erst Anfang 2001 dürften der Orderanstieg abflachen. Schließlich liege die Nachfrage noch weit über den Lieferkapazitäten. Auch die Marktforscher von Gartner Dataquest sehen ein Wachstum des Halbleitermarktes für Speicherbausteine und Chips bis Mitte 2002. Erst im Jahr 2003 sollten die Umsätze wieder sinken.
Widersprechende Einschätzungen kamen von Motorola. Der amerikanische Telefon- und Chipbauer begründete die Senkung der Umsatzprognosen für das kommende Jahr mit einem Abschwung der weltweiten Halbleiterindustrie. "Mit dieser Prognose steht Motorola allein. Vielleicht wollen sie der Branche den Schwarzen Peter für geringere Gewinnmargen zuschieben", gab Detlef Fersing von der Frankfurter Sparkasse zu Bedenken.
Der Prozessor-Marktführer Intel hatte dem Chipmarkt am 21. September mit der Meldung überrascht, das Umsatzwachstum im dritten Quartal werde mit drei bis fünf Prozent nur halb so hoch sein wie erwartet. Damit setzte Intel einen lawinenartigen Kursrutsch in Gang, der den Wert ihrer und anderer Chip-Aktien knapp halbierte. Investmentbanken schlugen in dieselbe Kerbe und korrigierten die Gewinnerwartungen für die Halbleiterhersteller drastisch nach unten. Intel sah den Grund für die gesunkenen Umsatzerwartungen bei der schwachen europäischen Nachfrage für Microprozessoren zum Bau von Computern, schließlich mache der PC-Sektor bei Intel einen Absatzanteil von 66 Prozent aus.
Der schwache Euro half zwar europäischen Chipherstellern wie Infineon, sagte der Halbleiteranalyst Robert Halver von der Delbrück Asset Management. Ausschlaggebend seien Währungsfragen angesichts des Unterangebots bei qualitativ hochwertigen Chips allerdings nicht. Auch die saisonbedingten Nachfrageschwankungen hätten sich bei hochwertigen Chips stark eingeebnet. Dafür sorge das neue Absatzfeld für Chips, die Handys, sagte Halver. Hatte der PC-Markt das Geschäft mit Halbleitern bis 1999 noch angetrieben, so wurde die PC-Nachfrage vom Chipbedarf für Handys und digitale Verbraucherelektronik als wichtigste Absatzmärkte abgelöst.
Da der Mobilfunk den europäischen Markt bereits weitgehend abgedeckt habe, gehe der Neukundenzuwachs zurück. Weltweit dürften 500 Millionen Handys verkauft werden, schätzt der SIA. Dabei ersetzen mehr als die Hälfte der neuen Telefone alte Handys. "Solange die Ersatznachfrage so hoch ist, kommen Chip-Anbieter gar nicht mit dem Herstellen nach", sagte Jürgen Wagner, Analyst bei der Oppenheim Finanzanalyse. Wegen der Marktverlagerung würden sich die Aktien der Chiphersteller, die sich frühzeitig auf Handys ausgerichtet haben, besser entwickeln als die der Nachzügler. Die beiden führenden US- Anbieter AMD und Intel lägen gleich auf, sagte Wagner.
Infineon erhofft sich viel von ihrem Chip, mit dem Handys sowohl im bisherigen GSM- als auch im zukünftigen UMTS-Standard genutzt werden können. Für Lizenzen der neuen Mobilfunktechnik hatten Telekomkonzerne im Sommer enormen Summen gezahlt. Nach Schätzungen der Münchner Infineon wird es 2003 etwa 30 Millionen UMTS-Handys geben. Davon laufen 80 bis 90 Prozent auch auf dem GSM-Standard. (Frederik Nissen, dpa )/ (cp)