Katz und Maus: Die Hells Angels und die Polizei

Vor 60 Jahren wurden die Hells Angels gegründet. Das Vorgehen der Polizei gegen den Rockerclub ist auch ein Beispiel dafür, wie Ermittler heutzutage versuchen, mit Hilfe moderner Technik Erkenntnisse zu gewinnen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ulrike Heitmüller

Vor 60 Jahren wurden die Hells Angels gegründet. So lange klagen sie über Ärger mit der Polizei – was angesichts immer neuer Berichte von Umtriebigkeiten einzelner Charter des Rockerclubs im kriminellen Milieu viele auch nicht verwundern dürfte. Das Vorgehen der Polizei gegen die Hells Angels ist aber auch ein Beispiel dafür, wie Ermittler heutzutage versuchen, mit Hilfe moderner Technik Erkenntnisse zu gewinnen.

Das Clubhaus der Bad City Crew – so nennt sich die ältere der beiden Berliner Ortsgruppen, "Charter" genannt –, befindet sich im Obergeschoss eines verwinkelten Gebäudes am Spandauer Damm in Berlin-Charlottenburg. Die Bar ist schwer einsehbar, trotzdem fühlen sich die Rocker beobachtet. Sie berichten von Lauschangriffen und Überwachungskameras, und natürlich von der Überwachung ihrer Telekommunikation.

Behörden haben heutzutage viele Möglichkeiten, eine Gruppe zu überwachen. Äußern will sich die Polizei zwar nicht – "Maßnahmen der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr unterliegen der Amtsverschwiegenheit", sagt eine Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA) Berlin. Bei Prozessen allerdings werden immer wieder Ergebnisse von Überwachungsmaßnahmen vorgelegt, zum Beispiel Bilder von Überwachungskameras.

Anfang vorigen Jahres hatte die Polizei einen Brandanschlag der rivalisierenden Rockergruppe Bandidos auf Mitglieder der Hells Angels befürchtet und zur Gefahrenabwehr Überwachungskameras installiert. "Die Polizei verfolgt bereits seit Jahren ein niedrigschwelliges Einsatzkonzept, das heißt jede Form von gewalttätigen Ausschreitungen und Auseinandersetzungen wird bereits im Ansatz unterbunden", sagt das Berliner LKA. Trotzdem geschah ein Anschlag: Gefilmt wurden Männer mit einem Baseballschläger und einer Machete, und zwar der Vizepräsident eines Chapters der Bandidos sowie ein Mann, den die Polizei später im Clubhaus der Bandidos antraf. Nicht gefilmt, da von einem Auto verdeckt, wurde allerdings die Szene, in der einem Prospect, gewissermaßen einem "Rocker auf Probezeit", der Hells Angels die Weichteile eines Armes durchtrennt wurden.

Rocker vermeiden es im allgemeinen, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Die überfallenen Hells Angels beschrieben keine Täter und erschienen nicht einmal zur Gerichtsverhandlung. "Dass diese Geschichte passierte, hat uns wenig Freude bereitet, es wäre aber auch fast nicht zu verhindern gewesen", sagt ein szenekundiger Beamter. Inzwischen sei auch keine Kamera mehr installiert. Das allerdings glauben die Rocker und ihr Anwalt Herbert Hedrich nicht. Hedrich behauptet sogar, dass sich schon vor einem früheren Clubhaus eine stationäre Kamera mit optischer Schaltung befunden habe. Die Kamera sei angeschaltet worden, wenn jemand die Tür geöffnet habe. Am jetzigen Standort vermutet er eine Live-Schaltung, die online mit dem LKA 4 verbunden sei, das sich mit organisierter Kriminalität und Bandendelikten beschäftige. Der Besuch von ein paar Polizisten in Zivil im Charlottenburger Clubhaus hänge damit zusammen, dass er die Treppen hochgegangen sei, behauptet Hedrich.

Eine weitere Überwachungsmöglichkeit bietet sich den Behörden mit der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Sie erhalten damit Informationen wie etwa Gesprächsmitschnitte sowie Bewegungsprofile von Mobiltelefonen. Das nutzen etwa Brandenburgische Behörden für Ermittlungsverfahren, zum Beispiel bei einem noch laufenden Verfahren wegen des Verdachts des gewerblichen Handels mit nicht geringen Mengen Betäubungsmitteln. Ein anderes Verfahren betrifft den Verdacht des versuchten Totschlags. Im Juli 2008 hatte ein Mitglied der Red Devils auf einen den Bandidos nahestehenden Mann geschossen, von dem er sich bedroht gefühlt habe. Die Unterlagen zur begleiten TKÜ umfassen mehr als 100 Blatt.

Die Strafprozessordnung regelt in Paragraph 100a die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation ohne Wissen eines Betroffenen. Der Paragraph zählt einen Katalog von Straftaten auf, und nur bei diesen darf eine TKÜ angeordnet werden. Auch dürfen die Behörden diese Unterlagen nicht nutzen, um jede dabei erwähnte Straftat zu beweisen. So müsse man unterscheiden zwischen eingehenden und ausgehenden Gesprächen, erklärt Anwalt Hedrich. Ausgehende Gespräche, wenn der Überwachte jemanden anruft, dürften vor Gericht abgespielt und sie dürfen von Polizei und Justiz verwendet werden, um Straftaten aufzuklären, egal worum es gehe. Das wäre ein so genannter Zufallsfund. Kompliziert wird es bei eingehenden Gesprächen: Zwar dürfen auch solche Telefonate vor Gericht vorgespielt werden, auch hier ist der intimste Lebensbereich geschützt. Aber wenn hier der Anrufer von einer Straftat berichtet, darf der Mitschnitt laut Paragraph 477 Absatz 2 Satz 2 StPO nur dann gegen ihn verwendet werden, wenn es um eine Katalogstraftat geht, schließlich lag gegen ihn ja kein Überwachungsbeschluss vor.

Es dürfen auch nicht alle Gespräche gespeichert werden, schon gar nicht ohne das Wissen der Betroffenen: § 101 StPO regelt in Absatz 8 die Verwahrung der Unterlagen und die Benachrichtigung der Betroffenen: Alle Aufzeichnungen, die den Kernbereich privater Lebensführung betreffen, müssen "unverzüglich" und durch Eintrag in den Akten nachvollziehbar gelöscht werden. Das aber scheint nicht zu klappen, klagt der Anwalt, in Berlin werde diese Gesetzesbestimmung nicht wahrgenommen.

Die Geodaten-Überwachung des Handys ergibt eine Raum- und Standortüberwachung, also ein Bewegungsprofil. Die TKÜ in einem Prozess gegen ein Mitglied der Hells Angels Supporter-Group Red Devils in Neuruppin etwa ergab Landkarten mit Pfeilen, kleinen und großen Kreisen. An mehreren Stellen stehen Datum und Uhrzeit. So eine Karte gibt wieder, an welchem Ort und zu welcher Zeit sich ein bestimmtes Handy befand. Dazu musste derjenige, der das Gerät mit sich führt, nicht einmal telefonieren, Standby genügt. Das funktioniert mit den Daten aus der Vorratsdatenspeicherung – die TK-Anbieter speichern Nummer sowie Standort eines Mobiltelefonierers zu Beginn und Ende einer Kommunikation – und mit "stillen SMS". Dabei senden Ermittler eine Nachricht an ein Handy, der Besitzer des Telefons merkt davon aber nichts. Dabei entstehen Verbindungsdaten, die die Ermittler abfragen können.

Auch kann ein Bewegungsprofil eines Handys mit IMSI-Catchern erstellt werden. Die Firma Rohde & Schwarz, die diese Geräte herstellt, will dazu keine Auskunft geben, aber die Juristen Stefanie Harnisch und Martin Pohlmann haben sich in der Mai-Ausgabe der Online-Zeitschrift "Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht" (HRRS) damit befasst. Demnach wurde für diese Geräte offensichtlich eigens ein Gesetz erlassen, und zwar der Paragraph 100i in der Strafprozessordnung. Durch technische Mittel dürfen die Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie der Standort eines Mobilfunkendgerätes ermittelt werden". Das einzige "technische Mittel", das diese Maßnahme ohne weitere Schritte und Hilfsmittel erfüllen, sei der IMSI-Catcher. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung des Paragraphen einzig und allein dies Gerät im Auge gehabt.

Wahrscheinlich finden die IMSI-Catcher guten Absatz, denn TKÜ-Maßnahmen dürften in Zukunft häufig eingesetzt werden: "Ja, die Polizei ermittelt aufgrund vermehrter Straftaten häufiger", heißt es beim Berliner LKA, und zwar "schwerpunktmäßig im Bereich der Gewalt-, Waffen- und Rauschgiftstraftaten." (Ulrike Heitmüller) / (jk)