Lebensdauer-Probleme von Low-ESR-Elkos

Low-ESR-Elektrolytkondesatoren mit besonders geringem Innenwiderstand (ESR = Equivalent Series Resistance) kommen auf jedem Mainboard dutzendweise zum Einsatz.

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Eine taiwanische Firma soll ein Elektrolyt hergestellt und an zahlreiche Kondensatorhersteller innerhalb und außerhalb Taiwans verkauft haben, das zur Häufung von Ausfällen der damit befüllten Kondensatoren führt. Angeblich handelt es sich bei dem Elektrolyt sogar um ein "falsch gefälschtes", patentiertes Produkt einer japanischen Firma, wie ein Artikel in IEEE Spectrum Online nahelegt.

In einigen Fällen sollen sich die defekten Elkos durch äußerliche Kennzeichen entlarven: Es kann Flüssigkeit ausgetreten sein oder aber das Aluminiumgehäuse wirkt durch Überdruck "geschwollen". Falls die Elkos nicht mehr funktionieren, kann es zu instabilem Verhalten (Abstürzen) des PC kommen, auch zu Problemen beim Booten oder spontanen Neustarts im laufenden Betrieb. Prinzipiell können zu starke Spannungsschwankungen der Prozessor-Versorgung zu allen möglichen Fehlerbildern führen, beispielsweise auch zur falschen Darstellung einiger Pixel auf dem Monitor oder anderen Datenfehlern. Eine sichere und einfache Methode, schadhafte Elkos zu erkennen, gibt es aber nicht. Und nicht jede Instabilität des Rechners ist auf defekte Elkos zurückzuführen -- häufiger sind zu schwache Netzteile, mangelhafte Kühlung und Probleme mit der Qualität oder der Ansteuerung der Speicherriegel die Ursache dafür. Auch Software-Probleme sind sicherlich wesentlich wahrscheinlicher als Ausfälle der Elkos. Windows XP etwa ist in der Standardinstallation so eingestellt, dass es bei schweren Software-Fehlern automatisch einen Neustart einleitet.

Doch es ist unbestritten, dass Elkos prinzipiell eine begrenzte Lebensdauer haben. Und bedingt durch den technischen Aufbau der Aluminium-Elkos und den Preisdruck in der Branche hat es auch in der Vergangeheit immer wieder einmal auffällige Häufungen von Elko-Ausfällen gegeben, vor Jahren etwa beim Mac IIsi. Es waren nicht nur PC-Mainboards betroffen, sondern angeblich etwa auch einige Airport-Basisstationen von Apple, Sun-Ray-Terminals oder 3Com-Hubs.

Low-ESR-Elektrolytkondesatoren mit besonders geringem Innenwiderstand (ESR = Equivalent Series Resistance) kommen auf jedem Mainboard dutzendweise zum Einsatz. Durch ihre hohe Speicherkapazität und ihren geringen Serienwiderstand für Wechselspannungen glätten sie die Ausgangsspannung der Schaltregler. Vor allem bei der Kernspannungsversorgung für moderne Prozessoren wie Intels Pentium 4 oder den AMD Athlon XP gelten hohe Anfoderungen an die Aluminium-Elektrolytkondensatoren. Die Prozessoren benötigen äußerst präzise ausgeregelte Betriebsspannungen bei gleichzeitig hoher Strombelastung bis über 70 Ampere und hohen Schaltgeschwindigkeiten. Die Low-ESR-Elkos sind dabei möglichst nahe am Prozessorsockel platziert, was die dynamischen Eigenschaften der Schaltung verbessert. Dort sind sie allerdings der Wärmestrahlung der Schalttransistoren und des Prozessors ausgesetzt, was sie prinzipiell schlecht vertragen.

Low-ESR-Elkos sind ein Standardprodukt und kommen auch in vielen anderen Geräten und PC-Komponenten zum Einsatz. Auf PC-Mainboards erkennt man sie leicht an ihrer typischen zylindrischen Bauform und ihrer Platzierung rund um den Prozessorsockel. Gängige Typen für CPU-Spannungsregler haben zwischen 1000 und 3300 µF (Mikrofarad) Kapazität und sind für Spannungen von 6,3 bis 16 Volt, Ripple-Ströme von bis zu 2,5 Ampere (100 kHz/25 °C) und Betriebstemperaturen von maximal 105 °C ausgelegt.

Die Spannungs- und Temperaturangaben haben dabei aber Grenzwert-Charakter. Die Datenblätter der etablierten Kondensator-Hersteller weisen bei diesen Betriebsbedingungen eine Nenn-Lebensdauer von 2000 bis 8000 Stunden auf -- das entspricht weniger als einem Jahr Dauerbetrieb. Die tatsächliche Lebensdauer der Kondensatoren, die durch die Einhaltung gewisser Grenzwerte der Kapazität und des Innenwiderstandes definiert ist, ist viel länger -- hängt aber entscheidend von ihren konkreten Betriebsbedingungen ab. Die elektrische Auslegung des Schaltreglers beeinflusst die anliegende Spannung und die Ripple-Strom-Belastung und damit auch die Eigenerwärmung der Kondensatoren. Sehr empfindlich reagieren sie auch auf Falschpolung -- das kann im Extremfall zur Explosion führen, weil der Kondensator sich stark erhitzt und das wässrige Elektrolyt explosionsartig verdampft. Die Betriebstemperatur hängt von der konkreten Betriebssituation ab: Umströmt Kühlluft die Kondensatoren, oder sitzen sie im Windschatten anderer Bauteile und werden auch noch durch Strahlungswärme aufgeheizt? In gedämmten PC-Gehäusen herrschen oftmals generell höhere Innentemperaturen. Und bei hohen Temperaturen ist auch die Verdampfungsrate des flüssigen Elektrolyts höher.

Grundsätzlich bessere und weniger empfindliche Kondensatoren sind nur zu wesentlich höheren Preisen und mit geringeren Kapazitätswerten verfügbar. Daher führt zurzeit in Desktops und Servern kein Weg am Einsatz von Low-ESR-Aluminium-Kondensatoren mit flüssigem Elektrolyt vorbei. In Notebooks stecken allerdings oft andere Kondensatortypen.

In der Branche wird das Ausmaß der aktuellen Probleme sehr unterschiedlich beschrieben. Bisher scheinen in Deutschland keine extremen Ausfallraten von ein bis drei Jahre alten Mainboards aufgetreten zu sein.

Die fehlerhaften Elkos sind auch nur ein weiteres Beispiel dafür, dass kleine Bauteil-Fehler erhebliche Schäden und Folgekosten verursachen können. In den letzten zwei Jahren sind etwa auch Probleme mit bestimmten Festplatten von Fujitsu und IBM (siehe c't 1/03, S. 135) bekannt geworden, außerdem gab es zahlreiche Rückruf-Aktionen für Lithium-Ionen Akkus für Handys und Laptops von Compaq oder Dell sowie von Handy-Headsets. Der Preisdruck und die immer kürzeren Entwicklungszyklen steigern offenbar unweigerlich das Risiko solcher Serienfehler. Dagegen helfen auch keine zertifizierten Produktionsbedingungen (ISO-9000-Familie). Bauteile, an deren Zuverlässigkeit wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden, haben daher typischerweise längere Produktions- und Entwicklungszyklen.

Für die beschuldigten Firmen ist das aktuelle Elko-Ausfall-Problem ein geschäftliches Drama. Angeblich soll der taiwanische Hersteller Lien Yan die Elektrolyte P-50 und P-51 falsch gemixt haben; und bei Produkten des großen taiwanischen Kondensatorherstellers Lelon sollen unter anderem die gehäuften Ausfälle aufgetreten sein. Dieser bestreitet den Einsatz der Lien-Yan-Elektrolyte jedoch ebenso nachdrücklich wie das Unternehmen Luxon. Doch viele Bauteile lassen sich anhand ihrer Typenbezeichnungen kaum einem Hersteller zuordnen -- und gerade für vergleichsweise teure Standardprodukte wie Elkos gibt es dutzende, vielleicht sogar hunderte von Anbietern in China und Taiwan. Einen Überblick liefern Webseiten wie FaradNet oder EEchain. (ciw)