Nokia: Einige Bits sind gleicher

Die Nokia Vision Days waren jüngst das Podium für die Vorstellung neuer Handys -- mit weit weniger Tamtam stellte Nokia danach künftige Strategien vor, beispielsweise für den sanften Einstieg der Netzbetreiber in die UMTS-Technik.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Nokia Vision Days waren jüngst das Podium für die Vorstellung von neuen Handys und anderen Produkten-- mit weit weniger Tamtam stellte Nokia am Tag danach künftige Strategien vor, beispielsweise für den sanften Einstieg der Netzbetreiber in die UMTS-Technik.

Unangenehme Zwischenfragen von Journalisten wurden allerdings abgewürgt. René Svendsen-Tune, Senior Vice President für den Verkauf von Netzwerken, stellte etwa die neue Roadmap für Netze der 3. Generation vor, verwies aber Frager nach der Nokia-Schlappe in Hongkong einfach weiter: Das müsse der Provider Hutchison kommentieren, nicht Nokia, betonte er. Unbeiirt skizzierte er den Übergang zu den schnellem UMTS-Netzen mit WCDMA-Technologie, als gehöre der Misserfolg gar nicht zu seiner Sparte.

Doch abgesehen vom Patzer in Südostasien setze Nokia mit der eigenen Netztechnik genau die Schritte um, die sich Standardisierungsgremien für den Übergang von den aktuellen GSM-Netzen zu den künftigen UMTS-Gegenstücken ausgedacht haben, hieß es. Demnach soll in GSM-Netzen nach GPRS mit derzeit bescheidenen Übertragungsraten von rund 40 kBit/s erstmal EDGE folgen (Enhanced Data for GSM Evolution) und maximal 128 kBit/s bescheren, bevor das ganz neue UMTS 384 kBit/s bringt. EDGE sei selbst in alten GSM-Netzen kostengünstig einzubauen und noch billiger, wenn bereits bestehende duale GSM/UMTS-Netze vorliegen. Dann genüge ein einfacher Software-Upgrade für die Basis-Station. Bereits 50 Kunden habe Nokia inzwischen vom eigenen EDGE-Angebot überzeugen können; die Technik werde bis 2004 in den Netzen eingebaut. Daneben würden bis Ende 2003 etwa zwanzig UMTS-Netze errichtet, die in einigen Bereichen auch EDGE verwenden könnten. So überzeugend die Sache klingen mag, so verwirrrend ist die Realität. Das gerade neu vorgestellte 6600, von Nokia als der Einstieg in das mobile Multimedia gepriesen, ist nicht auf EDGE ausgelegt.

Für real existierende Netze stellte Nokia eine Reihe von neuen Diensten vor, die jetzt mit GRPS-Technik und später mit einem "einfachen" Software-Ugrade auch mit EDGE und UMTS möglich sind -- Intelligent Multimedia Edge nennt Nokia diese Strategie. Als Grundlage der neuen Dienste sollen IP-Verbindungen dienen, etwa für Nokias Gaming-Telefon N-Gage: über eine IP-Verbindung könnten Gamer funkgekoppelt direkt gegeneinander antreten oder einen Gaming-Server im Internet für ihr Duell benutzen.

Als weiteres durschlagendes Feature nannte Juha Äkräs, bei Nokia für IP-Netze zuständig, "Push to Talk", eine von den Walkie-Talkies abgeschaute und nun auf IP umgesetzte Technik, die Anfang 2004 in GPRS-Netzen zur Verfügung stehen soll. Bei Push to Talk drückt man einen Knopf und spricht, während andere Teilnehmer einer Gesprächsgruppe zuhören -- auch CB-Funkern dürfte diese Kommunikationsart vertraut vorkommen. CB-Funker müssen allerdings im Unterschied zu Mobilfunk-Plauderern mit Nokia-Handys keine Gebühren an einen Netzbetreiber zahlen -- es gibt keinen. Immerhin zahlen die Teilnehmer von Push-to-Talk-Runden nicht für die Plauderstunden, sondern nur für die Zeit, in der wirklich geredet wird. Das so genannte Transaction based Charging für Gespräche werde damit Realität. Bei einem einstündigen Gruppengespräch könnten womöglich nur 3 Minuten effektive Redezeit anfallen, betonte Äkräs.

Als Beispiel wurden bei der Push-to-Talk-Demonstration mit herkömmlichen GPRS-Handys Schüler genannt, die nachmittags eine Gesprächsgruppe bilden, sich aber nur gelegentlich über Hausaufgaben informieren. Da die Netzbetreiber bei GPRS-Verbindungen nur am Volumen der übertragenen Daten verdienen, entsteht für sie ein Problem: Das mit Push to Talk eingeschaltete Handy produziert natürlich GPRS-Datenvolumina, aber wesentlich geringere als etwa Surf-Verbindungen. "All Bits are not equal", formulierte Äkräs. Auch wegen der zeitorientierten Abrechnung müssten neue Berechnungsmodelle her.

Wäre nicht die sehr erfolgreiche Handy-Sparte, so könnte Nokias übriger technologischer Ausblick während der Vision Days sympathisierenden Beobachtern allerdings Sorgenfalten bescheren. Da betonten die Referenten unisono, dass man WLAN als Datenfunktechnik nur als komplementäre Technologie ansehe, da Provider bei der Abrechnung von Mischkommunikation überfordert seien. Doch ausgerechnet die finnische Telefongesellschaft Sonera hatte in den Hotels für Journalisten ein Angebot zur Nutzung für WLAN ausliegen, das unkompliziert via GSM-Handy freigeschaltet und abrechnet wurde. Zumindest im Innenstadtbereich von Helsinki gab es einen gut funktionierenden WLAN-Service für den Internet-Zugang, sodass man mit mobilem Multimedia die spannende Geschichte verfolgen konnte, wie die finnische Regierungschefin Anneli Jäättenmäki ihr "Irak-Gate" erlebte und zurücktrat. Das WLAN nur komplementär und unausgereift sei, wie es Nokia hinstellt, war dabei nicht zu spüren. (dz)