.eu: "Die Political Correctness ein bisschen sehr ernst genommen..."

Im Dezember 2000 verkündete die Europäische Kommission ihre Absicht, eine eigene Domain für Europas Bürger einzuführen. Zum kommenden Jahreswechsel soll sie endlich starten. c't sprach mit dem Chef der .eu-Registry.

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Von
  • Jürgen Kuri

Im Dezember 2000 verkündete die Europäische Kommission ihre Absicht, eine eigene Domain für Europas Bürger einzuführen. Die Idee schien bestechend und hätte die Kommission gewagt, sie unbürokratisch umzusetzen, dann hätten .eu-Adressen die ersten Konkurrenten für .com werden können. Doch die Beamten in Brüssel hatten Angst vor der eigenen Courage und entschieden sich lieber dafür, ihre Domain per Verordnung einzuführen. Damit war ein langer bürokratischer Prozess vorgezeichnet, der bis in die Vorschrift gipfelt, dass die Registrierung erst dann starten kann, wenn es Registrare in allen EU-Sprachen gibt. Marc van Wesemael, Chef der belgischen Registry und der designierten Registry EuRID, bleibt optimistisch. Zum kommenden Jahreswechsel will er mit einer Mannschaft von 30 bis 40 Leuten starten.

c't: Seit Dezember 2000 warten wir auf die .eu-Domain, da wagt man kaum noch zu fragen: Kommt sie nun wirklich?

Marc van Wesemael: Unser Vertrag mit der Kommission ist eigentlich klar. Wir haben noch ein kleines Henne-Ei-Problem, weil er nicht abgeschlossen werden kann, bevor die Regeln zur Public Policy von Kommission und Mitgliedsstaaten festgelegt worden sind. Das soll aber bei der nächsten Sitzung des Kommunikationskomitees (CoCom, d. Red.) der Mitgliedsstaaten am 10. März passieren. Man kann nie ausschließen, dass sich noch etwas ändern an den Regeln, wie registriert werden kann. Aber ich habe das Gefühl, dass sich das stabilisiert hat und keine großen Änderungen mehr im Vorschlag der Kommission gemacht werden.

c't: Die Regierungen haben Blocklisten für Domains eingereicht, sie können weitere Änderungen wünschen :...

van Wesemael: Regierungen können das immer. Manche Regierungen haben auf Blocklisten komplett verzichtet, weil sie die blockierten Domains nicht mehr regulär registrieren können. Ganz viele von diesen Dingen sind ja auch schon in der Verordnung festgelegt. Beispielsweise, dass nur Unternehmen und der Gemeinschaft wohnhafte Privatleute registrieren können, bei den Registraren, die die einzelnen Domains dann für Kunden registrieren, aber durchaus auch US-Unternehmen denkbar sind. Wenn unser Vertrag unter Dach und Fach ist, benennt und die Kommission als designierte Registry gegenüber ICANN und dann kann es losgehen.

c't: Das klingt sehr optimistisch, aber wenn man die Punkte auf To-Do-Liste ansieht, sind genauso viele offen wie abgearbeitet. Die Mitgliedsstaaten könnten noch einmal nachlegen, ICANN kann sich die Sache nochmals überlegen ....

van Wesemael: Es ist nicht ICANNs Aufgabe, unser Registriermodell und unsere Public-Policy-Regel zu überprüfen. Da sehe ich keine Schwierigkeiten.

c't: Was ist denn Ihrer Meinung nach die größte Schwierigkeit?

van Wesemael: Aus meiner Sicht der größte Brocken ist, dass wir jede Art von Marken- und Namensrecht sowie Common Law Trademark anerkennen müssen. In Griechenland gibt es Namensrechte an Familiennamen, im angelsächsischen Raum gibt es so etwas wie ein Gebrauchsrecht, wenn man einen Namen lange genutzt hat, in anderen Ländern gibt es nur echte Marken. Wir müssen jede einzelne nationale Spezialität der in Zukunft 25 Mitgliedsstaaten in der Sunrise-Phase anerkennen. Und das sind eine Menge. Das Büro für die Harmonisierung des Binnenmarktes hat das für die derzeitigen Mitgliedsländer einmal gemacht und es ist einen riesige Liste. Aus Nutzersicht mag das positiv sein, weil nicht nur Markenrechte allein zählen. Aber es ist ein gewaltiger Job, diese Rechte abzuklären.

c't: Wie soll das denn funktionieren?

van Wesemael: Wir haben zur Bewältigung dieser Fragen eine zweigeteilte Sunrise-Phase, die wir zwei Monate vor dem Start bekannt geben -- damit bleibt übrigens eine Menge Zeit für alle Kunden, sie sollten sich derzeit noch nicht auf zwielichtige Vorregistrierangebote einlassen. In den ersten zwei Monaten können Regierungen und die Inhaber von Markennamen ihren Domainwunsch anmelden. In der zweiten Zweimonatsphase kommen alle anderen Rechteinhaber.

c't: Marken gehen also vor anderen Namensrechten?

van Wesemael: Ja. Alle Sunrise-Bewerber müssen innerhalb von vier Wochen nach der Registrierung gegenüber einer Validierungsagentur ihre Ansprüche belegen. Wer zu erst dran war und innerhalb dieser Frist den Nachweis erbracht hat, wird Domaininhaber. Der Stand aller Bewerbungen wird im Übrigen transparent im Web für jeden einsehbar sein, einschließlich einer Kontaktmöglichkeit zu den verschiedenen Bewerbern.

c't: Welche Validierungsagenten sollen denn die Überprüfung der Ansprüche übernehmen?

van Wesemael: Das ist eine der Fragen, die wir derzeit noch beantworten müssen. Wir haben eine größere Organisation mit dem erforderlichen Know-how im Auge. Wir sind aber noch in Verhandlungen. Prinzipiell ist es auch denkbar, dass in jedem Mitgliedsland einzelne Anwaltskanzleien das übernehmen. Zu allen diesen Modellen muss die Kommission auf jeden Fall ihre Zustimmung geben.

c't: Macht das die Domains nicht auch furchtbar teuer und rechnen sie nicht trotz allem mit vielen Klagen von Verlierern?

van Wesemael: Das kann sicher nicht umsonst sein. Aber manche Rechte lassen sich recht einfach abklären. Der Prozess kann sich sicher auch über eine ganze Zeit hinziehen. Aber für den normalen User werden wir auf jeden Fall zwei Monate nach dem Start von Sunrise-Phase zwei die Registry öffnen. Dann kann jedermann seine .eu-Domain über einen Registrar seiner Wahl bekommen.

c't: Schon wenn man nur diese Markenfragen betrachtet, glauben Sie nicht, dass die .eu-Domain überreguliert ist? Haben Sie sich manchmal schon gewünscht, Sie hätten sich nie um die Registry beworben?

van Wesemael: Ganz ehrlich gesagt, nein. Die Verordnung der Kommission war da. Wir wussten, was uns erwartet. Ich wünschte mir nur, wir hätten viel eher mit .eu begonnen. Dass wir so lange gebraucht haben, liegt selbstverständlich daran, dass man es mit der Political Correctness ein bisschen sehr ernst genommen hat. Es gibt durchaus gute Gründe für solche Regeln wie die Vorregistrierung. Aber ich persönlich denke auch, dass man natürlich nicht alles regulieren kann. Ein bisschen Vertrauen in den freien Markt ist durchaus angebracht.

c't: Werden Sie auch in Zukunft Chef der belgischen und der EU-Registry bleiben?

van Wesemael: Wenn .eu gestartet ist, werde ich vielleicht auch wieder ganz zur belgischen Registry wechseln. (jk)