AMD reduziert Grafikkarten-Support im proprietären Linux-Treiber

Manche Linux-Anwender müssen bald von den proprietären auf die quelloffenen Linux-Grafiktreiber umstellen, weil AMD die die Unterstützung für einige Grafikchips entfernt. Das trifft offenbar sogar eine Radeon-Karte, die derzeit noch verkauft wird.

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AMDs reduziert Grafikkarten-Support im proprietären Linux-Treiber
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Von
  • Thorsten Leemhuis
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AMD hat bei der kürzlich freigegebenen Version 15.11 seines proprietären Linux-Treiber begonnen, die Unterstützung für Grafikprozessoren der TeraScale-2-Generation zu entfernen. Der neue Treiber lässt sich dadurch nicht mehr auf PCs mit Grafikkarten der Radeon-HD-Serien 5000 und 6000 installieren, die 2009 respektive 2010 vorgestellt wurden; der Schritt betrifft allerdings auch einzelne Grafikkarten, die zu neueren Modellreihen gehören und teilweise erst 2014 auf den Markt kamen.

Durch AMDs Schritt werden sich viele Linux-Anwender mit betroffenen Grafikchips im Verlauf des nächsten Jahres gezwungen sehen, auf die quelloffenen Grafiktreiber umzusteigen; diese ebenfalls von AMD entwickelten Treiber sind in einigen Bereichen besser als die proprietären, in manchen aber schlechter.

Welche Grafikprozessoren genau betroffen sind, ist nicht ganz klar. Laut einem Beitrag eines AMD-Mitarbeiters im Support-Forum unterstützen die Treiber von nun an ausschließlich GPUs, die AMDs aktueller Mikroarchitektur namens Graphics Core Next (GCN) aufweisen. 5000er- und 6000er-Radeons und die Modelle 7000 bis 7600 sowie 8000 bis 8400 würden demnach nicht mehr unterstützt.

Einige der Karten, deren Unterstützung AMD aufgibt, sind im hiesigen Handel noch erhältlich.

(Bild: Screenshot aus dem Heise Preisvergleich )

Das Support-Dokument sagt allerdings nichts zur Unterstützung für eine Handvoll jüngerer Grafikprozessoren, die noch keine GCN-Architektur aufweisen und zur TeraScale-2-Generation gehören. In diese Klasse fallen einige über PC-Hersteller verkauften OEM-Karten wie die R5-Modelle 210, 220 und 235X; auch die in AMDs 2013 eingeführten "Richland"-Prozessoren enthalten GPUs, die noch nicht zur GCN-Generation gehören. Ferner verwendet die seit April 2014 angebotene und auch derzeit im hiesigen Handel zu findende Low-End-Grafikkarte Radeon R5 230 eine TeraScale-2-GPU. Es ist wahrscheinlich, dass AMD auch die Unterstützung all dieser Grafikprozessoren fallen lässt.

AMD verwirrt Anwender aber noch mehr: Die Beschreibung der neuesten Version des jetzt nicht mehr "Catalyst", sondern "Crimson" genannten Treibers besagt, dass 5000er-, 6000er- und andere TeraScale-2-Grafikprozessoren nach wie vor unterstützt werden. Das bestätigte sich bei einem Kurztest nur indirekt. Auf einem System mit Radeon HD 6450 verweigerte der Treiber die Installation mit dem Hinweis, diese Karte werde nicht unterstützt. Wir bauten daraufhin die mit einem GCN-Grafikprozessor ausgestatte HD 7750 ein, um über die Treiber-Informationen herauszufinden, welche Karten der Treiber alle unterstützt. Dabei zeigte sich in den Treiber-Informationen, dass TeraScale-2-Karten durchaus noch unterstützt werden. Das bestätigte sich beim Kurztest: Der mit der 7750 eingerichtete Treiber funktionierte auch mit der 6450, als wir diese wieder einbauten.

Man braucht aber nicht unbedingt eine Karte mit GCN-GPU, um den Treiber für einen älteren Chip einzurichten: Bei der Einrichtung über Distributions-spezifische Pakete, wie sie das Ubuntu-Projekt selbst anbietet, ist der Treiber-Installer nicht involviert. Sobald der Treiber über solche Pakete beschaffbar ist, sollte man den Treiber so auch bei TeraScale-2-GPUs einrichten können. Zumindest, solange AMD den Support nicht tatsächlich entfernt.

Es deutet allerdings einiges deutet darauf hin, dass AMD die Unterstützung für TeraScale-2-GPUs bald rauswerfen wird. Fürs Erste können Linux-Anwender mit betroffenen Karten die bis vor kurzem aktuelle Treiberversion 15.9 weiter nutzen, denn die bietet AMD als "Legacy-Treiber" weiter zum Download an. Anders als Nvidia überarbeitet AMD allerdings seine Legacy-Linux-Treiber typischerweise nicht, damit sie auch mit neuen Versionen von Linux-Kernel und X-Server zusammenarbeiten. Sie werden sich daher mit vielen der in Zukunft erscheinenden Linux-Distributionen nicht einsetzen lassen. Beim Anfang November erschienenen Fedora 23 funktionieren die Treiber schon jetzt nicht; ähnlich verhält es sich auch mit einigen anderen Distributionen, die eine aktuelle Kernel-Versionen (4.0 und neuer) oder den kürzlich erschienen X-Server 1.18 einsetzen; auch Nutzer von Ubuntu 14.04.2 und 14.04.3 müssen womöglich im nächsten Jahr umsteigen, denn diese Distribution erhalten im nächsten Jahr mit den Updates einen neuen Kernel und einen neuen X-Server. Ähnlich großen Umstiegs-Druck gab es zuletzt vor drei Jahren, als AMD die Unterstützung für die Modelle der Serien 2000, 3000 und 4000 aus seinem proprietären Treiber entfernt hat.

Über kurz oder lang werden viele Anwender daher auf die quelloffenen Treiberfamilie "Radeon" umsteigen müssen. Linux-Distributionen richten diese maßgeblich von AMD-Entwicklern vorangetriebenen Treiber standardmäßig ein. Sie unterstützen die TeraScale-2-GPUs recht gut und sollen den proprietären 3D-Treiber in Sachen 3D-Leistung nicht allzu viel nachstehen . Der freie 3D-Treiber unterstützt allerdings bislang lediglich OpenGL 3.3; ein Red-Hat-Entwickler hat aber gerade experimentelle Erweiterungen angekündigt, die OpenGL-4.1-Unterstützung bei freien 3D-Treiber für TeraScale-2-GPUs nachrüsten. (thl)