SCO vs. Linux: Gemischte Reaktionen auf das Urteil über Novell-Copyright an Unix

Die Frage, wie es nach dem Urteil, das Novell das alleinige Copyright an Unix und Unixware zuschreibt, weitergeht, beschäftigt viele Köpfe in der IT-Branche. Ein Rückblick auf die unendliche Geschichte hilft weiter.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit stellenweise konfusen Argumentationen wird in der deutschen wie internationalen Presse das Urteil von Richter Kimball im Verfahren SCO contra Novell kommentiert. Auf über 100 Seiten hatte Kimball begründet, warum Novell das Copyright an Unix und Unixware nicht an SCO abgegeben hat. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt davon, dass Linux den Streit über Urheberrechte gewonnen habe: "Der Richterspruch nahm nun das Damoklesschwert von der Linux-Gemeinde." Die Softwarebranche könne aufatmen und in großem Stil unbelastet Linux anbieten, Firmen und Behörden bräuchten umgekehrt keine Klagen befürchten, wenn sie Linux einsetzten. Forbes geht noch ein Stück weiter und prognostiziert gleich einen Linux-Boom. Auch die Fachpresse ist verwirrt: Die Information Week behauptet, dass Novell der SCO Group nun alle juristischen Prozesse verbieten könne und die Gefahr bestehe, dass Novell mit dem Vorwurf der Copyrightverletzung juristisch gegen Linux vorgehe. Das dementierte Novell umgehend in einem anderen Blatt.

Im strömenden Regen zogen die Hacker auf dem Chaos Computer Camp unter Trommelschlägen und düsteren Gesängen ums Camp, um SCO aus der Software auszutreiben.

Als die Nachricht bekannt wurde, dass SCO nach dem Urteil des Richters kein Copyright an Unix besitzt, organisierten die Hacker auf dem Sommercamp des Chaos Computer Clubs einen Hax0rzismus: Von militärischem Trommelwirbel und Teufelsanrufungen begleitet, umwanderte die satanische Prozession die Hangars des stillgelegten Flughafenteils, um schließlich eine Festplatte mit "Beweisen" und damit die letzten Reste des Urbösen namens SCO zu vernichten.

Ob Hacker oder Finanzanalyst: Die Frage, wie es weitergeht, beschäftigt viele Köpfe in der IT-Branche. Nicht alle sind sich dabei so gewiss wie Pamela Jones, der gute Geist hinter der Prozessbeobachtungs-Website Groklaw. Gegenüber der Infoworld erklärte sie, dass Microsoft die nächste SCO Group werde. Schließlich habe die Firma laut genug mit ihrem patentbesetzten Säbel gerasselt. Ob Microsoft mehr macht als mit den Säbeln zu rasseln, ob SCO mehr zustande bringt als ein Röcheln, das ist auch eine Frage, wie die bisherige Prozessgeschichte beurteilt wird.

Rekapitulieren wir darum kurz die wichtigsten Drehungen und Wendungen der unendlichen Geschichte. Sie beginnt damit, dass die kleine SCO Group, Anbieter der Unix-Betriebsysteme OpenServer und UnixWare, Anfang 2003 eine Kampagne gegen Linux-Distributionen startete und sie als billige Kopien der hauseigenen Programme bezeichnete. Beide basieren auf Unix System V, dessen Lizenzrechte bei der SCO Group liegen. Die Gruppe hatte die Lizenzen zuvor von Novell erworben. Im März 2003 folgten den Worten erste Taten: SCO verklagte IBM. IBM habe Codezeilen aus AIX, einer System V-Variante unter Lizenz von SCO, verbotenerweise nach Linux kopiert. Als Schadensersatz machten Summen von 1 bis 5 Milliarden US-Dollar die Runde. In der Folge intensivierte SCO die Kampagne gegen Linux: Das quelloffene Betriebssystem sei unamerikanisch und verhöhne das Streben nach Profit. Verschiedenen US-Journalisten, die ein Non-Disclosure Agreement unterschreiben mussten, wurden Beweise für den Code-Klau vorgelegt. Im August und September 2003 reagierte IBM und verklagte seinerseits die SCO Group. Sie habe Copyrights und Patente von IBM verletzt und sich nicht um die Bestimmungen der GPL gekümmert.

Mit SCOSource stellte die SCO Group daraufhin eine Initiative vor, die an verunsicherte Firmen mit Linux-Installationen gerichtet war: Sie konnten sich ein "Gegengift" kaufen, eine SCO-Lizenz für die angeblich in Linux enthaltenen Codezeilen. Investoren beeindruckte das Angebot als eine Art Lizenz zum Gelddrucken: Auf eine vage Empfehlung von Microsoft stieg im Oktober 2003 eine Gruppe von Investoren unter Führung der Investmentgesellschaft Baystar Capital mit 50 Millionen Dollar bei der SCO Group ein, damit sich der Software-Distributor in eine effektive Klage-Maschine gegen Firmen umbauen kann, die Linux einsetzen.

Doch der Umbau kam nicht richtig voran, weil im Dezember 2003 das Fundament all der beabsichtigten Klagen nachhaltig erschüttert wurde: Novell meldete sich zu Worte und behauptete, dass man das Copyright von Unix nicht an SCO verkauft habe. SCO reagierte sofort und klagte seinerseits im Januar 2004 Novell der Verleumdung an. Außerdem startete die Firma die ersten Klagen gegen angeblich räuberische Linux-Installateure: Der Autoteile-Händler Autozone und der Automobilbauer DaimlerChrysler sind die Verklagten. Die Aktion löst Staunen aus, weil beide Firmen einstmals Kunden der Vorläuferfirma der SCO Group waren.

Enttäuscht darüber, dass man nur zwei Firmen verklagte und nur eine Firma eine Antidot-Lizenz kaufte, bereiteten die Investoren um Baystar Capital den Ausstieg vor, der endgültig im August 2004 erfolgte. Seitdem sind vor allem die Juristen in diversen Prozessen – zu denen die zeitlich zurückgestellten Auseinandersetzungen mit dem Linux-Distributor Red Hat und Autozone gehören – an der Arbeit. SCO gelang es, die aus dem Ruder laufenden juristischen Kosten zu deckeln, musste allerdings bereits im Dezember 2004 erkennen, dass Klagen gegen Linux-Installationen der falsche Weg sind, an das große Geld zu kommen.

Im Rückblick ist die Einmischung von Novell in die Auseinandersetzung zwischen der SCO Group und IBM gleich doppelt bedeutsam. Sie führte mit der jetzt veröffentlichten Copyright-Entscheidung nicht nur dazu, dass die Verleumdungsklage von SCO gegen Novell vom Tisch ist. Sie beschädigte auch das gegen IBM angestrengte Verfahren, in dem die Rechtsinhaberschaft darum wichtig wurde, weil es der SCO Group bis heute nicht gelungen ist, wirklich aussagekräftige Beweise für den Codeklau aus AIX zu präsentieren. Aus Tausenden von Codezeilen wurden entwendete Methoden und Konzepte. Überdies haben Novell und Microsoft in der Zwischenzeit ein Abkommen getroffen, dass die gesamte SCO-Strategie torpediert: Selbst dann, wenn SCO den Prozess gegen IBM gewinnen sollte, kann die Firma nicht daran gehen, Linux-Lizenzen zu verkaufen. Ganz nebenbei muss die SCO Group nach Auffassung des Richters noch fällige Lizenzgebühren in Millionenhöhe an Novell bezahlen, die sie von Microsoft und Sun Microsystems erhalten hatte.

Vor dem Hintergrund der diversen Klagen und Gegenklagen muss festgestellt werden, dass ein Ziel der SCO-Gegner noch lange nicht erreicht ist: Es gibt keine von einem Gericht bestätigte Aussage, dass Linux frei von Rechten Dritter ein Set von Programmen oder Distributionen darstellt, die durch die GPL geregelt sind. Solange ein entsprechendes Urteil fehlt, kann immer wieder spekuliert werden, dass die eine oder andere Firma nicht nur mit Säbeln rasselt, sondern Copyright-, Patent- oder Plagiatsansprüche geltend macht und Lizenzgebühren oder andere Kompensationen sehen will.

In einem Blog der Information Week heißt es zur Konsquenz aus dem Urteil, dass Novell die Copyright-Rechte einer anderen Firma wie Microsoft verkaufen könnte oder dass Novell nun ein attraktiver Übernahmekandidat für Finanzinvestoren sein könnte. Diese (oder Microsoft) könnten dann eine Firma ausgründen, die die Linux-Community im SCO-Stil mit Prozessen überzieht. Eine Sichtweise, die Novell im erwähnten Artikel der Infoworld dementierte: "Wir sind nicht daran interessiert, Leute über Unix zu verklagen. Wir sind nicht einmal mehr im Unix-Geschäft." Dennoch spekuliert auch der Infoworld-Artikel über die neuen Möglichkeiten von Novell. Es gebe nichts mehr, was Novell davon abhalten könnte, existierende Unix-Anbieter zu verklagen. Damit deutet die Autorin an, Novell könnte gegen IBM (AIX) oder Hewlett Packard (HP-UX) und andere Unix-Distributionen vorgehen. Auf welche Weise sie Unix-Rechte verletzt haben könnten, wird freilich offen gelassen. Sollte die Suche nach den von den Hackern exorzierten "Beweisen" tatsächlich wieder von vorne anfangen?

Zu den Entwicklungen in dem Streit, den SCO mit IBM, Novell und der Open-Source-Gemeinde um SCO-Rechte an Unix und angeblich unrechtmäßig in Linux übernommenen Code angezettelt hat, siehe den Online-Artikel in c't Hintergrund (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online, aus Technology Review und der c't): (jk)