Kernfusionsanlage "Wendelstein 7-X" in Greifswald erhält Betriebsgenehmigung

Hinter 1,80 Meter dicken Betonwänden des Forschungsprojekts "Wendelstein 7-X" soll die Energiegewinnung auf der Sonne nachgestellt werden. Alle Voraussetzungen sind nun erfüllt, ist die zuständige Behörde überzeugt. Es kann losgehen.

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Kernfusionsanlage "Wendelstein 7-X" in Greifswald

(Bild: IPP, Tino Schulz )

Lesezeit: 3 Min.
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  • dpa

Energiegewinnung wie auf der Sonne: Das Kernfusionsexperiment "Wendelstein 7-X" in Greifswald bekommt die Betriebsgenehmigung. Voraussichtlich in der kommenden Woche werde dieser Schritt erfolgen, sagte der Direktor des zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales, Heiko Will, am Montag in Rostock. Alle technischen Voraussetzungen beim Greifswalder Max-Planck-Institut für Plasmaphysik seien erfüllt, nun könnten die Experimente starten. Bei der Kernfusion soll Energie wie auf der Sonne durch die Verschmelzung von Atomkernen erzeugt werden.

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Wissenschaftler des TÜV Rheinland hatten im Auftrag des Landesamts die technischen Voraussetzungen geprüft. Vor gut 19 Jahren war der erste Antrag auf Errichtung der Anlage für das Kernfusionsexperiment in Mecklenburg-Vorpommern gestellt worden. "Wendelstein 7-X" ist neben einer Anlage in Japan das weltweit größte Fusionsexperiment vom Typ "Stellarator". Das Projekt ist nicht umunstritten: Kritisiert werden die enorm hohen Kosten und die – wenn auch im viel geringerem Umfang als bei der Kernspaltung – anfallenden radioaktiven Abfälle.

Will sprach von einer Investition in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Rund 500 hoch qualifizierte Arbeitsplätze seien entstanden.

Kernfusionsexperiment "Wendelstein 7-X" (10 Bilder)

Ein Blick ins Innere des Wendelstein 7-X aus dem Jahr 2011. Von Innen nach außen zu sehen: Plasmagefäß, eine der verwundenen Stellaratorspulen, eine ebene Spule, Stützstruktur und Außengefäß. (Bild: IPP, Wolfgang Filser )

Wie die Sprecherin des Max-Planck-Instituts, Beate Kemnitz, sagte, werden nach der Erteilung der Betriebsgenehmigung in Kürze die ersten Fusionsexperimente mit der Erzeugung eines Helium-Plasmas starten. Dies geschieht bei Temperaturen von bis zu zehn Millionen Grad Celsius. In einem zweiten Komplex erfolge die Bildung eines Wasserstoffplasmas, erst zu einem späteren, noch nicht bekannten Zeitpunkt werde mit Deuterium gearbeitet, einem natürlichen Isotop des Wasserstoffs. "Dann wird auch der Strahlenschutz relevant."

Mit der Genehmigung wird auch die Kritik an dem Projekt nicht abreißen. "Wir haben nach wie vor erhebliche Sicherheitsbedenken", sagte Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin der Umweltschutzorganisation BUND. Ein Gutachten habe ihre Bedenken zur Abschirmwirkung der Halle nicht völlig ausgeräumt. "Wir sind auch nicht der Meinung, dass wir die Fusionstechnik für die Energieversorgung brauchen", betonte Cwielag. Dies sei ein sehr teures Forschungsvorhaben, und die Technik werde auch in den kommenden Jahrzehnten nicht angewendet. In dieser Zeit werde die Energiewende mit der Nutzung erneuerbaren Energien verpasst.

Die Landtagsfraktionen von SPD und CDU begrüßten die Entscheidung. "In Greifswald wird Weltspitzenforschung betrieben, die helfen kann, den weltweiten Energiebedarf abseits von Kohle, Öl und Gas zu decken. Dabei sei die Kernfusion keine Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien, sondern eine Ergänzung, meinte Susann Wippermann (SPD). Schon vor Inbetriebnahme sei "Wendelstein 7-X" zu einem Magneten für Wissenschaftler aus der ganzen Welt geworden. "Die jahrelange Arbeit hat sich, allen Unkenrufen zum Trotz, gelohnt", sagte Egbert Liskow (CDU). Forschergeist habe über Bedenkenträgerei gesiegt.

Ein Einblick in Wendelstein 7-X

(Bild: Technology Review Oktober 2015 )

[Update 1.12.2015 10:40]:

Infografik zu Windelstein 7-X aus Technology Review Oktober 2015 ergänzt. Siehe dazu: Sonne im Käfig (axk)