Fabriken per Internet fernsteuern

Englische und deutsche Wissenschaftler arbeiten daran, zentrale und übergeordnete Prozesse in technischen Großanlagen per Internet zu überwachen und fernzusteuern.

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Von
  • Andreas Grote

Englische und deutsche Wissenschaftler arbeiten daran, zentrale und übergeordnete Prozesse in technischen Großanlagen in Echtzeit per Internet zu überwachen und fernzusteuern. Im Sommer dieses Jahres soll die Forschungskooperation zwischen dem Institut für Prozeß- und Produktionsleittechnik der TU Clausthal und dem Institut für Informatik an der Universität Loughborough in Großbritannien für drei Jahre starten.

"Die Fernsteuerung per Internet eignet sich im Prinzip für jede Art von Fabrik oder Anlage" erklärt der Clausthaler Projektleiter Peter F. Elzer. Was jedoch wirklich sinnvoll geht, muss in dem geplanten Projekt aber erst einmal erforscht werden. "Stellen Sie sich vor, in einem Kraftwerk tritt ein unbekannter Zustand auf, der erfahrenste Mitarbeiter ist aber gerade auf einem Auslandseinsatz in Schanghai", versucht Elzer die Zielsetzung des Vorhabens zu erklären. "Es hilft nichts, er muss nach Hause fliegen und das Bedienungspersonal vor Ort beraten. Das Internet ermöglicht nun, Anlagensteuerung und hochqualifiziertes Bedienungspersonal, wo immer es sich auf diesem Globus befindet, zusammenzubringen und Qualität und Effizienz zu steigern."

Um die Notwendigkeiten und Risiken einer solchen Fernsteuerung per Internet zu erforschen, wollen die Wissenschaftler das Clausthaler Labor von Großbritannien aus betreiben. Es handelt sich hierbei um eine computergesteuerte und -überwachte Meerwasserentsalzungsanlage im Labormaßstab, die in ihren Funktionen mit einer größeren Anlage in einer Chemiefabrik vergleichbar ist. Vierzig Parameter lassen sich per Internet fernsteuern, darunter Temperatur, Leitfähigkeit, Füllstand, die Leistung der Rührer und Pumpen oder die Öffnung der Ventilklappen. Ähnliche Projekte wurden auf Forschungsebene schon für den Betrieb von Werkzeugmaschinen erprobt.

Allerdings ist den Forschern schon jetzt klar, dass das Internet durch die Gefahr von Datenstau und möglichen Rückgang der Übertragungsrate zumindest derzeit nur Befehle für übergeordnete Prozesse weiterleiten kann, die nicht zu einem fest definierten Zeitpunkt Antwortbefehle auf Änderungen in den Prozessparametern benötigen, um in der Arbeit fortzufahren. "Unsere Philosophie ist es nicht, Prozesse zu steuern, die Antworten im Bereich von Millisekunden benötigen", erklärt Elzer, "zumindest derzeit noch nicht".

Jedoch stehen die Forscher noch recht am Anfang ihrer Aufgabe. Wichtige Fragen wie nach der technischen Sicherheit der Anlage unter Internet-Fernsteuerung oder die Begrenzung des Personen-Kreises, der in den Prozess eingreifen darf und in welchem Umfang, sind noch nicht diskutiert. "Vor allem in Hackern, die von außen in den Prozeß eingreifen könnten, sehe ich das größte Sicherheitsproblem", meint Elzer. Doch auch die Frage, welche Prozesse sich grundsätzlich für die Fernsteuerung eignen, wie heutige Notprozeduren an die neue Umgebung angepaßt werden müssen und nicht zuletzt die Frage, wie das Personal vor Ort mit den virtuell auf die Anlage zugreifenden Partnern zusammenarbeiten sollen, will in dem Projekt so weit wie möglich geklärt werden.

Während sich die englischen Forscher vornehmlich mit den sicherheitsrelevanten Aspekten befassen und Internetwerkzeuge diesbezüglich testen werden, übernimmt das Clausthaler Team die Gestaltung der Schnittstelle Internet-Mensch. In etwa zehn Jahren, so rechnen die Forscher grob, sollen sich dann die ersten Anwendungen in der Praxis etabliert haben. (Andreas Grote) / (wst)