Neues europäisches Urheberrecht: Google-Steuer, besserer Urheberschutz, EU-weite Panoramafreiheit?

Der EU-Urheberrechtsrahmen soll "moderner und stärker europäisch" werden, meint die EU-Kommission. Sie brütet etwa über einem Leistungsschutzrecht, der Panoramafreiheit und einer stärkeren Copyright-Durchsetzung.

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Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein lange erwartetes Gerüst zur Urheberrechtsreform vorgelegt. Sie macht darin "kontroverse Graubereiche" und Unsicherheiten im bestehenden Rechtsrahmen aus. Dabei gehe es besonders darum, ob Online-Tätigkeiten wie das Einbetten oder Verlinken von Inhalten als "öffentliche Wiedergabe" einzustufen und damit vergütungspflichtig seien.

Zur Zeit könnten große Online-Plattformen für sich beanspruchen, Inhalte allein "durchzuleiten" beziehungsweise diese rein technisch aufzubereiten, heißt es in der Mitteilung. In dieser Sichtweise profitierten sie von den Haftungsprivilegien für Zugangsanbieter und andere Provider aus der E-Commerce-Richtlinie. Dies habe eine zunehmende Debatte ausgelöst über die Breite dieser Ausnahme und ob sie auf neue Internetakteure angewendet werden könne.

Die Kommission hat auf derlei Fragen selbst noch keine Antworten und führt einschlägige Konsultationen etwa zur Plattform-Regulierung durch. Der "Aktionsplan" ist so in weiten Teilen ein Problemaufriss mit einer Vorschau einzelner Punkte, an denen die Brüsseler Regierungseinrichtung aktiv werden will.

Günther Oettinger (links, Digital-Kommissar bei der EU-Kommission) und Andrus Ansip (Vizepräsident der Kommission und zuständig für den Digitalen Binnenmarkt) stellen die Vorstellungen zur Urheberrechtsreform vor.

(Bild: EU-Kommission)

Wie sich schon in einem geleakten Entwurf jüngst abzeichnete, bleibt so ein mögliches europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet nach deutschem oder spanischen Vorbild eine Option. Man werde überlegen, ob spezifische Regeln für Nachrichten-Aggregatoren erforderlich seien, schreibt die Kommission dazu nun etwas konkreter.

Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident der Regierungszentrale, Andrus Ansip, betonte zwar nach lautstarken Protesten etwa von EU-Abgeordneten, dass weder er noch sein Kollege Günther Oettinger vorhätten, "Hyperlinks zu besteuern". In einem Beiblatt ist aber nachzulesen, dass Aggregationsdienste wie Google News nicht nur Links, sondern auch "Auszüge aus Artikeln" nutzen und daraus Gewinne erzielen könnten. Eine Snippets-Steuer scheint also nicht ausgeschlossen.

Oettinger hat sich bereits wiederholt in diesem Sinne für eine Art "Google-Steuer" stark gemacht. Auf die Frage, ob ein europäisches Leistungsschutzrecht nun kommen werde, antwortete der Zuständige für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft aber ausweichend: Der Respekt vor den umfangreichen Eingaben aus den öffentlichen Befragungen verbiete es, dazu bereits Genaueres zu sagen. "Wir brauchen Zeit bis zum Frühjahr", auch um die bestehenden nationalen gesetzlichen und marktgetriebenen Lösungen zu prüfen.

Mit einzelnen legislativen Vorschlägen zur Urheberrechtsreform werde es im nächsten Jahr "Schlag auf Schlag" gehen, kündigte Oettinger an. Die bestehenden einschlägigen Vorschriften seien über 14 Jahre alt, müssten "harmonisiert und modernisiert" werden. Die Ausgangssituation gestalte sich aber schwierig. So sei es das "legitime Interesse einer Informationsgesellschaft", alles möglichst kostenlos herunterladen zu wollen. Damit würden aber den Kreativen ihre beruflichen Grundlagen entzogen. Zu arbeiten sei auch daran, gleiche Bedingungen für Fernseh- und Online-Plattformen etwa beim Jugendschutz, bei der Menschenwürde oder Werbegrenzen zu schaffen.

Mit dem Papier unterstreicht die Kommission ihren Willen, Nutzerfreiheiten in einzelnen Bereichen auszubauen. So soll etwa der Vertrag von Marrakesch der Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo) über Zugangsprivilegien für sehbehinderte Menschen umgesetzt werden. Ausnahmen vom exklusiven Verwertungsrecht zeichnen sich auch zum Text- und Daten-Mining im staatlichen Bildungssektor sowie für die "Ferneinsicht" über geschlossene Netzwerke in Werke ab, die in Forschungseinrichtungen oder Bibliotheken vorgehalten werden.

Die stark umstrittene Panoramafreiheit, wonach etwa öffentliche Denkmäler oder Gebäude frei abgelichtet werden dürfen, will die Kommission eventuell EU-weit festschreiben, befindet sich aber hier ebenfalls im Abwägungsprozess. Von Copyright-Ausnahmen etwa für Remixe oder Mashups ist keine Rede.

Eruieren will die Kommission auf dem Weg zu einem digitalen Binnenmarkt auch noch, ob Urheberrechtsvergütungen etwa für das private Kopieren bereits ausreichend harmonisiert sind. Bei der Copyright-Durchsetzung setzt sie weiter auf den "Follow the Money"-Ansatz, wonach illegalen Online-Angeboten der Geldhahn abgedreht werden soll. Demnach dürfte etwa Werbung auf Webseiten mit überwiegend rechtswidrigen Offerten nicht mehr geschaltet werden.

Einen gemeinsamen europäischen Copyright-Titel analog etwa zu dem geplanten "Einheitspatent" skizziert die Kommission allenfalls als langfristige Option. Es sei zu bedenken, dass damit sehr viel im nationalen Recht geändert und etwa ein einschlägiger EU-Gerichtshof aufgebaut werden müsste. Einen Verordnungsentwurf für die zeitweilige Mitnahme von Online-Abos etwa für Streaming-Dienste in andere Mitgliedsstaaten hat die Institution separat vorgelegt, an einem umfassenderen Rahmen gegen Geoblocking feilt sie noch.

Die grünen Verbraucher- und Medienpolitikerinnen Renate Künast und Tabea Rößner monierten, dass die Brüsseler Einrichtung nach mehrmonatiger Verzögerung "wenig ambitionierte Vorschläge" gemacht habe, "die dem großen Reformbedarf im Urheberrecht nicht gerecht werden". Oettinger müsse dringend von einem europäischen Leistungsschutzrecht abrücken, da dieses national "krachend gescheitert" sei und den Kreativen am wenigsten bringe.

Die Piratin Julia Reda, Berichterstatterin zur Urheberrechtsreform im EU-Parlament, zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Die Skizze erfülle in keiner Weise das Versprechen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, "nationale Silos einzureißen". Zudem finde sich nur ein Bruchteil der Anregungen der Abgeordneten wider. Gänzlich fehlten etwa der digitale Buchverleih oder der Schutz von gemeinfreien Werken vor neuen Urheberrechtsansprüchen bei der Digitalisierung. (jk)