Fairphone 2: Das Smartphone fürs gute Gewissen

Das erste Fairphone sprach nur Weltverbesserer an, der Nachfolger ist auch technisch spannend: Er lässt sich kinderleicht in Module zerlegen und reparieren. Im Test traten jedoch auch Schwächen zutage.

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Fairphone 2 Test

(Bild: c't)

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Normale Smartphone-Hersteller wollen möglichst viel verkaufen und möglichst hohe Margen einfahren. Fairphone ist anders: Die junge Firma aus Amsterdam will in erster Linie beweisen, dass man Smartphones umweltfreundlicher gestalten und sozialer produzieren kann als allgemein üblich.

Dieser Anspruch erstreckt sich auf alle Stationen im Lebenslauf des Telefons: auf die Rohstoffe, die Produktion, die Nutzung und das Recycling. Deshalb verwendet Fairphone konfliktfreies Zinn und Tantal aus dem Kongo, zahlt chinesischen Fabrikarbeitern einen Extralohn, lässt die Nutzer selbst reparieren und finanziert ein Recycling-Projekt in Ghana.

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Auch große Konzerne fördern Umweltprojekte und kontrollieren die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern. Aber zuerst müssen sie ihre Eigentümer mit Profiten bei Laune halten. Fairphone hingegen muss nur sich selbst tragen. Das Fairphone 2 kostet mit 525 Euro ziemlich viel, aber selbst wenn die angepeilten 140.000 Stück pro Jahr verkauft werden, macht der Hersteller mit jedem Exemplar nur 9 Euro Gewinn vor Steuern. Die Marge wird nicht an Investoren ausgeschüttet, sondern dient als Puffer für unerwartete Probleme und zusätzliche Investitionen in soziale Projekte.

Dass Fairphone solche Kalkulationen detailliert offenlegt, ist ein weiterer Unterschied zu anderen Smartphone-Herstellern. Außerdem erfährt man, welcher Zulieferer welche Komponenten wo fertigt – ein spannender Einblick in die Elektronik-Produktion.

Fairphone 2 im Test (8 Bilder)

Die Rückseite lässt Fairphone absichtlich nicht lackieren, weil der Prozess für die Arbeiter gesundheitsschädlich sein kann. Deshalb sammeln sich auf dem Plastik schnell Kratzer.

Von außem sieht man es ihm nicht an, aber das Fairphone 2 ist auch technisch sehr interessant: Es ist das erste Smartphone, das man zurecht als "modular" bezeichnen kann. Es besteht aus fünf Modulen (plus Akku), die über robuste Federkontakte miteinander verbunden sind statt über empfindliche Folienstecker.

Deshalb kann man es kinderleicht auseinandernehmen: Der Akku und sogar das Display lassen sich ohne Werkzeug austauschen. Die restlichen Module sind mit normalen Kreuz-Schrauben gesichert. Fairphone bietet alle Module als Ersatzteile an und ermuntert seine Kunden, sie bei Defekten selbst zu tauschen. Das soll die Lebensdauer der Geräte verlängern und somit die Ökobilanz verbessern.

Bis auf Weiteres erleichtert das modulare Design nur die Reparatur. Hardware-Upgrades, zum Beispiel auf eine bessere Kamera, sind zwar theoretisch möglich, werden aber noch nicht angeboten. Unklar ist auch, welche Extras es für den Erweiterungs-Port auf der Rückseite geben wird. Denkbar sind unter anderem Hüllen mit Hardware-Tastatur oder NFC.

Die Entscheidung für das modulare Design war riskant und teuer. Anstatt milliardenfach bewährte, billige Kabel und Stecker zu verwenden, mussten die Fairphone-Zulieferer die Kontakte und deren elektromagnetische Abschirmung komplett neu entwickeln.

Das hat jedoch gut geklappt: c't konnte im Test keine Abstürze, Verbindungsabbrüche oder sonstige Aussetzer feststellen. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass das Fairphone bei einem Sturz in seine Module zerfällt.

Auf dem Hauptmodul sitzen 32 GByte Flash-Speicher, ein SD-Slot und zwei SIM-Slots. Der Prozessor (Qualcomm Snapdragon 801) war vor einem Jahr noch ein Top-Modell und ist heute immer noch schnell genug für absolut flüssige Bedienung. Das 5-Zoll-Display mit Full-HD-Auflösung wirkt scharf und hell.

In den c't-Laufzeittests schnitt das Fairphone allerdings mäßig ab. Es schaffte im Video-Test nur gut 5 Stunden, im WLAN-Test nur gut 8 Stunden mit einer Akkuladung. Ähnlich kurzatmig war in den letzten Monaten nur das Huawei P8 Lite. Auch die Kamera des Fairphone ist unterdurchschnittlich: Viele Fotos und Videos gerieten leicht unscharf, im Dunkeln verrauschten die Farben schnell.

Von außen wirkt das Fairphone 2 wuchtig. Das liegt am aufwendigen Innenleben, aber auch an dem schwarzen Gummi-Bumper, der das Display seitlich umschließt und um einen Millimeter nach oben absteht, um es vor Sturzschäden zu bewahren. Er ist fest mit der Rückseite verbunden, die aus härterem Kunststoff besteht. Die Rückseite gibt es in schwarz, blau und transparent – letztere Variante gibt den Blick auf das Innere frei und lässt das Handy etwas weniger bullig aussehen.

Man kann die Rückseite schnell abnehmen, um den Akku und die SD-Karte zu wechseln. Das Wieder-Anbringen nervt aber: Stets mussten wir mit dem Fingernagel oder einer Büroklammer herumfummeln, bis die Gummilippe das Display auch an den Ecken umschloss.

An der übersichtlichen Oberfläche von Android 5.1 hat Fairphone zum Glück kaum herumgedoktert. In Zukunft soll der Wechsel auf andere Betriebssysteme wie Sailfish OS und CyanogenMod ohne Garantieverlust möglich sein, aber bislang steht nur das normale Android samt aller Google-Apps zur Wahl.

Das Fairphone 2 hat zwar eine relativ kurze Akkulaufzeit und eine mäßige Kamera, jedoch keine Schwächen, wegen denen man vom Kauf abraten müsste. Abschreckend wirkt eher der hohe Preis – eine logische Folge der niedrigen Stückzahl und aufwendigen Entwicklung.

Wie langlebig das Fairphone wirklich ist, kann wie bei jedem Smartphone erst die Zukunft zeigen. Das modulare Design vergünstigt und beschleunigt Reparaturen, aber auch der Software-Support ist wichtig. Dank der Qualcomm-Hardware stehen die Chancen auf eine gute Update-Versorgung immerhin deutlich besser als beim ersten Fairphone.

Sicher ist, dass Fairphone mit seinem "Worker Welfare Fund" ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bietet. Für jedes verkaufte Smartphone fließen 5 US-Dollar in einen Fonds, über dessen Verwendung die Arbeiter des chinesischen Auftragsfertigers Hi-P selbst entscheiden.

Fairphone 2: technische Daten
Betriebssystem Android 5.1
Prozessor / Kerne x Takt Qualcomm Snapdragon 801 / 4 x 2,3 GHz
Grafik Qualcomm Adreno 330
RAM / Flash-Speicher (frei) / microSD 2 GByte / 32 GByte (23,05 GByte) / ja
WLAN / Dual-Band IEEE 802.11 a/b/g/n-150/ac-433 / ja
Bluetooth / NFC / GPS 4.0 / nein / ja
Fingerabdrucksensor / für VR-Brillen geeigneter Gyrosensor nein / ja
Mobile Datenverbindung LTE (150 MBit/s Down, 50 MBit/s Up), HSPA (42,2 MBit/s Down, 11,5 MBit/s Up)
Akku / austauschbar / drahtlos ladbar 2420 mAh / ja / nein
Abmessungen (H x B x T) 14,4 cm x 7,5 cm x 1,2 cm
Gewicht 172 g
Kamera
Kamera-Auflösung Fotos / Video 3264 × 2448 (8 MPixel) / 1920 × 1080
Auto- / Touchfokus / Fotoleuchte (Anzahl) ja / ja / 1
Frontkamera-Auflösung Fotos / Video 1600 × 1200
Display
Display-Technik / Größe (Diagonale) IPS / 11 cm x 6,2 cm (5 Zoll)
Auflösung / Seitenverhältnis 1920 x 1080 Pixel (445 dpi) / 16:9
Helligkeitsregelbereich / Ausleuchtung 6 ... 383 cd/m2 / 88 %
Kontrast / Farbraum 1266:1 / fast sRGB
Preis & Garantie
Preis 529 €
Garantie 2 Jahre
Ersatzteil-Preise Rückseite: 27 €; Akku: 20 €; Display-Modul: 87 €; Audio-Modul: € 27; Kamera-Modul: 35 €; Mikrofon-/USB-Modul: € 25; Hauptmodul: 314 €

(cwo)