UN: Digitale Blauhelme für den Cyberwar

Die IT-Chefin der UN, Atefeh Riazi, möchte IT-Experten als eine Art digitale Blauhelme rekrutieren. Das sei entscheidend für die Zukunft der Organisation; denn die Kriege der Zukunft seien Cyberkriege.

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UN-Wächterhäuschen mit Schlagbaum

Im UN-Sitz in New York erzählt eine Ausstellung über Einsätze der Friedenstruppen.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Damit die Vereinten Nationen auch in Zukunft relevant sein können, brauchten sie eine Truppe an IT-Experten. Ohne diese "digitalen Blauhelme" werde die Organisation ihre Aufgaben in absehbarer Zeit nicht mehr wahrnehmen können. So sieht es Atefeh Riazi, Chief Information and Technology Officer der UN: "Die Kriege der Zukunft werden Cyberkriege sein", sagte sie am Mittwoch. Heise online sprach mit Riazi am UN-Sitz in New York, um herauszufinden, was es mit den digitalen Blauhelmen auf sich hat.

Einer der namensgebenden Helme.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

"Wir brauchen [IT-]Expertise, um in der Cyberwelt agieren zu können", sagte Riazi unumwunden, "Das ist entscheidend für die Zukunft der Vereinten Nationen." Das Internet verändere die Welt, was sich natürlich auch auf die Aufgaben der UNO auswirke: "Wenn wir die UNO nicht transformieren, damit sie in der Cyberwelt arbeiten kann, werden wir nicht effektiv sein.Wenn die UNO nicht effektiv ist, wer wird Katalysator für Menschenrechte, Frieden und [Rechtsstaatlichkeit] sein?"

"Blauhelme" ist der umgangssprachliche Ausdruck für militärische Einheiten, die von UN-Mitgliedern für Friedenssicherungsmaßnahmen gestellt werden. Sie unterstehen einem UN-Kommando und tragen daher meist hellblaue Helme oder andere Kopfbedeckungen in der UN-Farbe.

Mit den digitalen Blauhelmen hat Riazi weit mehr vor, als brüchige Cyberfrieden abzusichern. Sie plant mit zwei "Gattungen": Eine für Cybersecurity, die sich Themen wie Malware, Hacking und Kontinuitätsmanagement widmen soll. Und eine andere für den Kampf gegen Cybercrime, im Rahmen der UN-Aufgaben. Hierein fallen für Riazi etwa der Kampf gegen Terror, gegen Verbrechen, gegen Drogen, und gegen Menschenschmuggel.

Die Cybersecurity-Sparte soll so etwas wie ein globales Computer Emergency Response Team (CERT) werden. Das wäre aber nicht auf den bloßen Austausch mit den CERT der Mitgliedsländer beschränkt. Riazi möchte, dass Mitgliedsländer vielversprechende Mitarbeiter bei den digitalen Blauhelmen schulen lassen . So ein Lehrgang könnte etwa zwei Jahre dauern.

Atefeh Riazi, Assistant Secretary-General der Vereinten Nationen

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Danach würden die dann Ausgebildeten in ihr jeweiliges Land zurückkehren und dort ihre technischen Fertigkeiten für gute Zwecke einsetzen. Das würde insbesondere Entwicklungsländern zugutekommen, die aus eigener Kraft kein CERT aufbauen können und auch kaum IT-Experten bei Polizei oder Staatsanwaltschaft haben.

Für die Absicherung der eigenen Systeme hat die UNO bereits seit Jahren eigene Mitarbeiter. Diese werden ihrer Aufgabe auch weiterhin nachkommen und nicht ersetzt werden.

Die andere Sparte wird sich dem von Riazi weit ausgelegten Thema Cybercrime widmen, wobei der Übergang zum Cyberwar fließend ist. Insbesondere sollen diese digitalen Blauhelme die verschiedenen UNO-Teilorganisationen mit Analysen unterstützen und mit IT-Werkzeugen versorgen. Darüber hinaus sollen sie Werbung für den Einsatz von IT und IT-Experten für die Gute Sache.

Die IT-Chefin hat kürzlich die Mitgliedsländer aufgerufen, das Vorhaben zu unterstützen. Die ersten "Cyber Ninjas" (Riazi) möchte sie in New York einstellen. Die Truppe soll nur langsam, "organisch" wachsen, und später einmal vier bis fünf Standorte weltweit haben.

In fünf bis zehn Jahren sollen die digitale Blauhelme ein Projekt angehen, das weit über Computer und Netze hinausreicht. "Wenn Sie das Internet anschauen, ist es wie der Wilde Westen", klagt Riazi. In der realen Welt sorgten die Staaten für Sicherheit, online geschehe das nicht. Gegen online ausgeübte Kriminalität werde kaum etwas unternommen. Hier könnte eine Zusammenarbeit der digitalen Blauhelme mit der Privatwirtschaft helfen, meint Riazi.

Der New Yorker UN-Sitz.

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Auch die Terrorpropaganda bereitet der UN-Managerin Sorge. Denn der Propaganda werde viel zuwenig entgegengesetzt: "Die Stimmen gegen IS müssen von der Jugend kommen, die (dieser Ideologie) nicht zustimmt." Für diese Gegenstimmen braucht es Raum; und den zu Schaffen wäre dann eine weitere Aufgabe der digitalen Blauhelme.

Überhaupt hat Riazi die Vision von einem "light web", das ein sicheres Gegenangebot zum gefährlichen "dark web" darstellen soll. "Das dark web schert sich nicht um Gesetze. Wir müssen einen Plan haben, wie wir uns dem stellen." Als Teil der Lösung sieht sie die digitalen Blauhelme.

Die vorläufige Bezeichnung hat wohl taktische Gründe: Die klassischen Blauhelme sind berühmt und haben einen guten Ruf. Diesen Ruf auf ein neues Projekt zu projizieren erhöht dessen Erfolgschancen. Bei der UNO wagen sich wohl nur wenige, eine neue, moderne Version der "Blauhelme" abzulehnen.

Mit Begriffen wie "Cyberworld", "Cyber Ninjas" und "Cyber Zaren" holt sich Riazi bei IT-Insidern zwar keine Bonuspunkte. Diese muss sie jetzt aber auch nicht für sich gewinnen. Sie muss vielmehr Diplomaten und Minister auf ihre Seite ziehen, die sich damit vielleicht wirklich beeindrucken lassen. (ds)