Internet-TV: das Ende der Couch-Potatoes

Der Fernsehzuschauer bekommt bald einiges zu tun: Die Tage sind gezählt, in denen das Drücken auf der Fernbedienung die einzige Betätigung vor der Glotze war.

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Von
  • Silke NauschĂĽtz
  • gms

Der Fernsehzuschauer bekommt bald einiges zu tun: Die Tage sind gezählt, in denen das Drücken auf der Fernbedienung die einzige Betätigung vor der Glotze war. Denn Internet und TV wachsen zusammen und ermöglichen eine aktivere Teilnahme des Betrachters am Geschehen. Wer kennt zum Beispiel nicht den Wunsch, Politikern und Experten in den Talk-Shows mal die Meinung zu sagen – während der laufenden Sendung?

"Fernsehen, bei dem man sich gemütlich zurücklehnen kann, gehört bald der Geschichte an", prophezeit der Medienexperte und ehemalige Sat1-Programmdirektor Knut Föckler aus Berlin. Die Zuschauer von morgen wollen nicht mehr nur passiv unterhalten werden. Gefragt sei inzwischen jede Art von Zusatznutzen, der den Zuschauer über die jeweilige Sendung hinaus beschäftige. Das könne das Internet leisten, meint Föckler, wenn es sinnvoll mit dem TV-Angebot verknüpft werde.

In ein virtuelles Auditorium begibt sich das Publikum der Online-Talk-Show Centerstage, die von AOL Live! ausgestrahlt wird. Dort kann das Publikum, das zu Hause vor dem Rechner sitzt, Fragen stellen, meckern und diskutieren, als sitze es leibhaftig im Studio. "Diese Talk-Show ist nichts für Couch-Potatoes. Die Zuschauer haben viele Möglichkeiten, am Programm per Mausklick und PC-Tastatur mitzuwirken", sagt Moderatorin KarinLive, die eigentlich Karin Brösicke heißt. Im Chat-Room stellen die Zuschauer zum Beispiel den Prominenten in der Show Fragen. Auch Preisrätsel gibt es – der Sieger findet sich dann als Gast auf der virtuellen Bühne wieder.

Dass das Internet-TV noch keine große Verbreitung gefunden hat, mag neben technischen Schwierigkeiten zum einen daran liegen, dass es weit weniger Computer mit Online-Zugang gibt als Fernseher. Eine weitere Ursache könnte das Format selbst sein: "Die Kunst besteht darin, dass aus der Melange Internet und Fernsehen etwas Neues entsteht. Bisher hat allerdings keiner den Stein der Weisen, die richtige Mischung gefunden", sagt Kai Thäsler, Leiter von n-tv Neue Medien in Berlin. Das Verhalten der Zuschauer wird aktiver, daran glaubt auch Thäsler. Der Nutzer wolle selbst bestimmen, wann und wie oft er sich welchen Beitrag ansieht. Das könne ein herkömmliches Fernsehprogramm nicht leisten. Leichter hätten es da Spartenkanäle: "Unsere Inhalte sind per Mausklick immer wieder abrufbar, überall auf der ganzen Welt verfügbar, mit zusätzlichen Informationen und Beiträgen angereichert", beschreibt Thäsler die Vorteile der Kopplung seines Haussenders mit Angeboten im Internet. Dort könne zum Beispiel der Finanzminister zur Steuerreform befragt werden, erklärte Thäsler. Und wenn dieser aus der Sendung gehe, könnten die Zuschauer weiterdiskutieren und am nächsten Tag mit Vertretern des Bundes der Steuerzahler sprechen.

Vor allem stehe der Zuschauer mit seinen Fragen nicht mehr alleine da, erklärt Karin Brösicke. "Man kann sich untereinander während der Sendung austauschen und mitunter kommt es dann zu kuriosen Begegnungen." So habe der Schauspieler Jürgen Vogel beim Chat in Brösickes Online-Talk-Show zufällig eine Banknachbarin aus der Grundschule gesprochen. Vogel hatte sie in der Schule immer mit einem Bleistift gepiesackt. "In der Online-Talk-Show hat er sich in aller Form entschuldigt", erinnert sich Karin Brösicke lachend.

Bei aller Begeisterung bleibt die Frage nach der Verlässlichkeit der Technik. Die steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. "Die Idee ist gut. Die derzeit zur Verfügung stehenden Bandbreiten reichen allerdings noch nicht aus, um den User zufrieden zu stellen", meint etwa Mario Schöne, selbst eifriger Internet-Nutzer. Selbst der vergleichsweise schnelle ISDN-Anschluss genüge nicht, um flüssiges Fernsehen in vernünftiger Bild- und Audioqualität zu übertragen. "Die Technik muss da noch ausgereifter werden", resümiert der Fachmann. Wer stets die neuesten Player aus dem Internet herunterlade, bekomme jetzt schon ein gutes Fernsehbild, hält Karin Brösicke dagegen. Etwas verhaltener ist da Kai Thäsler: "Wird die neueste Technologie kombiniert, kann man in zwei Jahren bei Fernsehqualität sein." Aber die Technik habe sich ja oft schneller entwickelt als erwartet. Allerdings stößt der Bandbreitenhunger von Internetfernsehen nicht überall auf Gegenliebe – manch gestandener Surfer sieht das Netz schon durch TV und weitere Kommerzialisierung weitgehend blockiert. (Silke Nauschütz, gms) / (jk)