Der Hass im Suchfenster

Wenn islamistische Terroristen zuschlagen, werden Internet-Nutzer wütend. Wie eine neue Studie zeigt, äußert sich das nicht nur in bösen Kommentaren in sozialen Medien, sondern auch in hasserfüllten Suchanfragen.

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Von
  • Sascha Mattke

Wenn islamistische Terroristen zuschlagen, werden Internet-Nutzer wütend. Wie eine neue Studie zeigt, äußert sich das nicht nur in bösen Kommentaren in sozialen Medien, sondern auch in hasserfüllten Suchanfragen.

Zunächst sah der Terroranschlag am 2. Dezember in Kalifornien, bei dem 14 Menschen getötet wurden, aus wie ein in den USA nicht unüblicher Amoklauf aus privaten Motiven. Schnell aber stellte sich heraus, dass das Täter-Pärchen einen islamistischen Hintergrund hatte – und die US-Öffentlichkeit reagierte sofort erzürnt: Ein paar Stunden nach dem Vorfall lautete die häufigste Google-Suche kalifornischer Nutzer in Zusammenhang mit Muslims "kill muslims", und auch im Rest des Landes stiegen Anfragen dazu sprunghaft an.

Das ist eines der Ergebnisse einer neuen Studie der beiden US-Forscher Evan Soltas und Seth Stephens-Davidowitz. Mit Hilfe von Google-Daten untersuchte das Duo, wie amerikanische Internet-Nutzer auf Nachrichten über islamistische Bedrohungen reagieren; außerdem prüfte es, inwieweit sich Islamophobie bei Suchanfragen im Netz auch in realer Gewalt niederschlägt. Tatsächlich zeigte sich von 2004 bis 2013 eine direkte Korrelation zwischen diesen beiden Faktoren. Laut Soltas und Stephens-Davidowitz ist deshalb für dieses Jahr mit einem neuen Rekord bei islamfeindlichen Verbrechen in den USA zu rechnen.

Nach der Analyse ist das Ausmaß an Islamfeindlichkeit in den USA derzeit auf einem Rekordniveau, nur übertroffen von der Zeit direkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001. In der Woche nach den Anschlägen von Paris in diesem November stieg die Zahl der islamfeindlichen Suchen auf das Zehnfache, anschließend blieb sie auf einem erhöhten Niveau, um nach dem Attentat in Kalifornien noch einmal zu steigen.

Im November wurde aus den USA etwa 3.600 Mal nach "I hate Muslims" und etwa 2.400 Mal nach "kill Muslims" gesucht. Die Forscher gehen davon aus, dass diese offen islamfeindlichen Suchanfragen nur die Spitze eines riesigen Eisberges bilden – zumal es ja wenig sinnvoll ist, bei Google statt einer echten Suche eine Aussage wie "ich hasse Muslime" einzugeben. Ungefähr 1.600-mal pro Monat bekommt die Suchmaschine allerdings auch „I hate my boss“ zu hören.

Wie der Politikwissenschaftler Paul Sniderman von der Stanford University erklärt, haben solche Google-Schnappschüsse durchaus einen hohen Informationswert. Zwar lassen sie nicht erkennen, welcher Prozentsatz der Bevölkerung bestimmte Haltungen hat, doch sie zeigen sozusagen, was die Volksseele gerade so sehr bewegt, dass sie im Internet danach sucht. Deshalb, so Sniderman, könnten solche Daten sehr gute Prognosen für Verbrechen aus Hass ermöglichen.

Wie sich weiter zeigte, haben Terroranschläge auch auf die breitere Bevölkerung unmittelbare Auswirkungen beim Suchverhalten. Vor den Attentaten von Paris waren 60 Prozent der amerikanischen Suchanfragen zu syrischen Flüchtlingen eher freundlich gesinnt, weil es darin um Begriffe wie "Hilfe" oder "Freiwillige" ging. Nach Paris aber fielen 80 Prozent der Anfragen in diesem Zusammenhang negativ aus. Ähnlich bei Suchen mit "Moschee": Viele Jahre lang ging es darin vor allem um kulturelle Aspekte, nach dem jüngsten Anschlag in Kalifornien aber wollten sich die meisten Amerikaner nur noch über Möglichkeiten zur Schließung informieren.

Sehr detailliert haben sich die beiden Forscher auch angesehen, wie US-Nutzer auf eine Rede ihres Präsidenten Barack Obama nach dem Attentat in Kalifornien reagierten. Gut gemeinte Appelle nutzten offenbar gar nichts: Während Obama zum Kampf gegen Diskriminierung aufrief, verdoppelte sich die Zahl der Suchanfragen, die neben "muslim" Worte wie "Terroristen", "böse" oder "Gewat" enthielten.

Völlig wirkungslos scheinen versöhnliche Worte jedoch auch nicht zu sein – wenn sie richtig gewählt sind. Als Obama sagte, muslimische Amerikaner seien "unsere Freunde und unsere Nachbarn, unsere Kollegen, unsere Sporthelden und ja, auch unsere Männer und Frauen in Uniform, die bereit sind, für unser Land zu sterben", gab es erstmals seit mehr als einem Jahr einen neuen Top-Suchbegriff im Muslim-Zusammenhang: Statt "terrorists" tippten die Nutzer dahinter am häufigsten "athletes", also Sportler, gefolgt von "soldiers" (Soldaten).

Die Schlussfolgerung von Soltas und Stephens-Davidowitz: "An die guten Seiten in einem wütendem Mob zu appellieren, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nach hinten losgehen". Besser sei es, subtil die Neugier zu provozieren, neue Informationen zu geben und neue Assoziationen zu der Gruppe anzubieten, die man in Schutz nehmen möchte.

(sma)