Völkerrechtsbeauftragter sieht keine echte Handhabe gegen Drohnen-Relaisstation Ramstein

Der Völkerrechtsberater der Bundesregierung, Michael Koch, hält es laut seiner Aussage im NSA-Ausschuss nicht für möglich, juristisch gegen die US-Militärbasis Ramstein vorzugehen. Sie gilt als Datendrehscheibe für den US-Drohnenkrieg.

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US-Kampfdrohne MQ1-Predator

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Der Bund sieht sich im Streit über die US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein, die Insider als "zentrale Relaisstation" für den "geheimen Krieg" bezeichnen, weitgehend die Hände gebunden. Er sehe "in der Regel" keine Möglichkeit, gegen den Einsatz der Basis als Datenaustauschpunkt "juristisch zu intervenieren", erklärte der Völkerrechtsberater der Bundesregierung, Michael Koch, am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Man könne nicht vorbringen, dass die USA in Ramstein den Nato-Truppenstationierungsvertrag verletzten, führte der Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt aus. Dieses besage zwar, dass das "Recht des Aufnahmestaates ausnahmslos zu beachten" sei. In der Frage, ob und wie die Basis für den US-Drohnenkrieg genutzt werde, komme man damit aber nicht weiter.

Der Generalbundesanwalt habe in zwei vor deutschen Gerichten anhängenden Klagen von Angehörigen von Drohnenopfern gegen die Bundesrepublik dargelegt, dass die Tötungen in einem "bewaffneten Konflikt" stattgefunden hätten und "legitime Ziele" gewesen seien, erläuterte Koch. Die USA hätten in solchen Fällen das Recht, "als Partei aufzutreten". Der Einsatz verhältnismäßiger tödlicher militärischer Gewalt sei unter diesen Umständen gerechtfertigt.

Die US-Seite hat laut Koch zudem hiesigen Regierungsvertretern zugesichert, dass Drohnenangriffe in Washington befohlen und nicht aus Ramstein gesteuert oder geflogen werden. Man könne angesichts dieser vagen Ansage freilich nicht ausschließen, dass die Station in den geheimen Krieg einbezogen sei und Drohnen über sie gelenkt würden. Koch räumte ein: "Das wäre kompatibel mit diesen amerikanischen Zusagen." Wollte man dies stoppen, müsste man die Sache "politisch angehen."

Koch, der frühere deutsche Botschafter in Pakistan, verstrickte sich bei seiner Zeugenvernehmung teils in Widersprüche. So erklärte er zunächst, ihm sei nicht bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) Informationen an andere ausländische Geheimdienste wie die NSA weitergebe, die von diesen für Drohnenschläge genutzt werden könnten. Andererseits wusste er aber Bescheid über einen rechtlichen "Disclaimer", der mit derlei Transfers offenbar standardmäßig verknüpft werde.

Im Ausschuss kam ein konkreter derartiger Hinweis zur Sprache, wonach weitergegebene Daten wie Verbindungs- und Standortinformationen nicht als Grundlage für unangemessene Sanktionen wie Folter oder "Verurteilung zum Tode" verwendet werden dürften. Für körperliche Gewalt seien sie ferner nur bei Gefahr eines unmittelbaren Angriffs heranzuziehen. Koch bezeichnete solche Klauseln als "Versuch, so etwas einzuhegen". Er könne nicht sagen, welche Qualität das habe oder ob das einer Vereinbarung zwischen Nachrichtendiensten entspreche. Es handle sich angesichts der "relativ präzisen Sprache" aber nicht um ein "rechtliches Nullum".

Generell habe das Völkerrecht zu Spionage "wenig anzubieten", gab der Berater zu Protokoll, der sein aktuelles Amt erst seit fünf Monaten ausübt. Sie werde weder erlaubt noch verboten. Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte könne man zwar als "Anknüpfungspunkt für ein Recht auf Privatheit" lesen. Es sei aber unklar, ob dieses extraterritorial anwendbar sei. Die USA bestritten dies im Gegensatz zur Bundesregierung konsequent: "Das ist ein weites Feld, an dem wir arbeiten."

Klar rechtswidrig ist es Koch zufolge, durch eine Drohne in einen fremden Luftraum einzudringen, da damit die Souveränität des betroffenen Landes verletzt werde. Elektronische Spionage falle nicht unter diese Bestimmung. Sollte eine diplomatische Vertretung wie eine Botschaft für das Ausspähen verwendet werden, verletze dies aber "mehrere Vorschriften" des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen. Es gebe keine Lizenz, Gesetze des Gastlandes zu brechen.

Der Diplomat war bereits der zweite Zeuge aus dem Außenministerium, den die Abgeordneten zu dem Themenkomplex befragten. Die Opposition beteiligte sich so gut wie nicht an der Vernehmung, da die Aktenlage sehr dünn sei. Sie hegt die Vermutung, dass es der Koalition mit der Ladung vor allem darum gegangen ist, das Auswärtige Amt in möglichst gutem Licht erscheinen zu lassen und so die noch ausstehende Befragung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) abzufedern. (jk)