Digitalisierte Landwirtschaft: Bauern-Apps und twitternde Schäfer

Twitternde Schäfer und Bauern, die ihre Daten in der Cloud ablegen: Landwirte im Südwesten sind nicht technikscheu. Das könnte sogar der Umwelt zugutekommen.

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Digitalisierte Landwirtschaft: Bauern-Apps und twitternde Schäfer

Sven de Vries bei seinen Schafen

(Bild: Felix Kästle/dpa)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Kathrin Drinkuth

Einer der Tweets von Sven de Vries zeigt fünf Schafe, die sich um seine Beine drängeln. Eines der Tiere knabbert an seiner Hose, ein anderes scheint neugierig in seine Tasche zu schauen. Seit April twittert der ausgebildete Schäfer täglich, mehr als 4400 Nachrichten hat er bislang abgesetzt. "Mir geht es darum, den Menschen davon zu erzählen, was es heißt, Schäfer zu sein", sagt der 33-Jährige. Viele hätten ein romantisiertes Bild vom Schäfer im Kopf, der einsam durchs Land wandere. "Ein bisschen ist es ja auch noch so. Ich wohne in einem Wohnwagen und ziehe durch die Gegend. Aber abends sitze ich dann auch am Laptop und Smartphone und schreibe Blogartikel."

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Das Bild des technikfremden Landwirts sei längst überholt, sagt auch Ariane Amstutz vom Landesbauernverband in Stuttgart. "Tablets oder Smartphones hat man immer dabei, man kann viel bebildern und zeigen. Die Landwirte können die Menschen direkt informieren." Es gebe viele Landwirte, die bei Twitter oder auf Facebook aktiv seien, sich dort austauschten oder auf öffentliche Diskussionen reagierten. "Sie nutzen die Gelegenheit, sich einzumischen, Dinge klar zu stellen und Fragen zu beantworten", sagt Amstutz. "Viele sind irrsinnig vernetzt."

Aber auch beim Betriebsmanagement setzten Landwirte zunehmend auf die Digitalisierung, sagt Marco Eberle vom selben Landesverband. "Da geht es zum Beispiel um Beschaffung und Speicherung von Informationen." Beratungsunternehmen böten beispielsweise Dienste an, bei denen die Betriebe sich einklinken können, ihre Betriebszahlen auswerten und sich gleichzeitig mit anderen Nutzern in der Plattform vergleichen können. Zudem seien zahlreiche Apps auf dem Markt, in denen spezielle Fachfragen dargestellt und Dienstleistungen angeboten würden.

"In den letzten Jahren gibt es vermehrt die Entwicklung, dass man Systeme hat, die nicht unbedingt beim Landwirt auf dem Rechner liegen müssen, sondern in einer Cloud im Netz", sagt Eberle. Allerdings gebe es Haken: Zum einen seien auch Unternehmen an den Daten interessiert – beispielsweise Pflanzenzüchter oder Futtermittelhersteller. "Dann wird es schon wieder schwierig für die Landwirte. Wer greift auf die Daten zu, wer nutzt sie wie?", sagt Eberle. "Die Frage der Datensicherheit beschäftigt die Branche gerade." Zum anderen seien Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit des Internets noch nicht überall im ländlichen Raum zufriedenstellend.

Klar sei auch: Die Technik könne nur eine Hilfestellung bieten – den Gang in den Stall oder auf den Acker ersetze sie nicht. "Das Bewusstsein, dass man mit der Technik nicht das Auge und das Hirn ersetzen kann, ist sehr stark verbreitet", sagt Eberle. "Keiner wird sich an den Bildschirm setzen und vom Schreibtisch aus alles kontrollieren können." Generell seien Landwirte der Technik gegenüber aber aufgeschlossen. "Sie waren schon immer technikaffin. Maschinen und Geräte haben schon immer dazu gehört", sagt Eberle.

Auch in diesem Bereich hat sich einiges getan: Der Computer dringt in zahlreiche Gebiete der Landwirtschaft vor. Im Gewächshaus ermitteln Geräte die perfekte Temperatur und Luftfeuchtigkeit für die Pflanze. Im Kuhstall setzen Bauern auf Melkmaschinen, bei denen ein Roboterarm die Melkbecher an die Euter ansetzt. Während die Milch fließt, misst der Computer, ob Milchmenge und -qualität in Ordnung sind. Und der Traktor auf dem Acker wird per GPS gelenkt, um zielgenau düngen zu können. Auch der Technologiekonzern Bosch knüpft große Erwartungen an neue Techniken in der Landwirtschaft: Mit einem Agrarroboter soll der Ernteertrag quasi auf Knopfdruck erhöht werden. "Bonirob" beseitigt zum Beispiel Unkraut oder wählt Saatgut aus. Noch ist das Gerät im Erprobungsstadium, 2018 könnte die kommerzielle Markteinführung im großen Stil erfolgen.

Agritechnica 2015 (26 Bilder)

Deutz-Fahr

Cockpit eines Traktors von Deutz-Fahr
(Bild: Peter-Michael Ziegler / heise online)

Im besten Fall könne die Digitalisierung auch der Umwelt zugutekommen, sagt Andre Baumann vom Naturschutzbund (Nabu) in Baden-Württemberg. Wer gezielt Pestizide einsetze, könne die Gesamtmenge verringern. Wer gezielt dünge, vergeude keinen Zentimeter wertvoller Ackerfläche. "Und für den Landwirt kann es eine Zeitersparnis bedeuten", sagt der Nabu-Landesvorsitzende. Allerdings müssten die Bauern aufpassen, dass sie die Kontrolle nicht abgeben. "Sonst bestimmt über das Tierwohl nicht mehr der einzelne Bauer, sondern Rechenalgorithmen", sagt Baumann. "Das könnte auch etwas von Aldous Huxleys "Schöner neuer Welt" haben."

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(mho)