Großbritannien: Breiter Protest gegen geplantes Überwachungsgesetz

IT-Konzerne, Bürgerrechtler und auch UN-Vertreter kritisieren britische Pläne für ein neues Netzüberwachungsgesetz. Es soll Sicherheitsbehörden mehr Kompetenzen geben und Dienste zur Kooperation verpflichten, auch im Kampf gegen Verschlüsselung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen
Großbritannien: Breiter Protest gegen geplantes Überwachungsgesetz

(Bild: Japanexperterna.se, CC BY-SA 2.0/heise online)

Lesezeit: 3 Min.

Mehrere große IT-Unternehmen und Bürgerrechtsorganisationen haben die Pläne des britischen Parlaments für ein neues Netzüberwachungsgesetz, das Investigatory Powers Bill, scharf angegriffen. In schriftlichen Stellungnahmen haben nicht nur Apple, sondern in einem gemeinsamen Text auch Facebook, Google, Microsoft, Twitter und Yahoo gegen die Pläne protestiert. Diese Eingabe beim Parlament und jede Menge weiterer wurden nun von dem zuständigen Parlamentsausschuss veröffentlicht, der an dem Gesetzentwurf arbeitet. Demnach kam auch Kritik von insgesamt drei Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen.

Der Gesetzentwurf war Anfang November von Großbritanniens Innenministerin Theresa May vorgestellt worden. Demnach sollen Provider unter anderem ein Jahr lang speichern, welche Domains ihre Kunden im Internet besucht haben – nicht aber die einzelnen Seiten. Außerdem ist in dem Gesetz die vorgesehen, dass Dienste dazu verpflichtet werden können, "elektronische Schutzmechanismen von jeder Kommunikation und allen Daten" zu entfernen – was sich gegen Verschlüsselung richten dürfte. Schließlich sieht das Gesetz auch vor, dass Überwachungsverfügungen auch an Unternehmen außerhalb Großbritanniens ausgestellt werden können.

Facebook, Google, Microsoft, Twitter und Yahoo kritisieren, dass sie das Gesetz zu der Entscheidung zwingen könnte, welches Gesetz sie brechen müssen, sollten britische Regeln denen in anderen Staaten widersprechen. So könnten Datenschutzgesetze einer britischen Forderung nach Überwachung entgegenstehen. Verschlüsselung wiederum sei ein grundlegender Sicherheitsmechanismus für Internetnutzer und dürfe nicht durch Hintertüren geschwächt werden. Anders sei ein Zugriff des Diensteanbieters auf verschlüsselte Daten aber nicht zu ermöglichen. Schließlich fordern die fünf IT-Riesen klarere Formulierungen in dem Gesetz, damit jeder Leser verstehe, welche Rechte die Behörden dadurch bekommen und welche nicht.

In einer eigenen Eingabe haben sich auch der UN-Sonderberichterstatter zum Schutz der Meinungsfreiheit, der zum Recht auf Versammlungsfreiheit und der zur Situation der Menschenrechte zu den Gesetzesplänen geäußert. Sie kritisieren etwa, dass darin Überwachungen ermöglicht werden, um die "Quelle einer journalistischen Information" in Erfahrung zu bringen. Dass Geheimdienste dafür nicht einmal eine Erlaubnis benötigten, verstärkte die ohnehin gegebene Gefahr für die Meinungsfreiheit. An anderen Teilen des Gesetzesentwurfs kritisieren die UN-Vertreter, dass die Voraussetzungen für Überwachung zu vage und ungenau festgelegt würden.

Neben diesen Interessenvertretern haben sich noch diverse weitere zu dem Gesetzesvorhaben geäußert. So haben etwa Vertreter der britischen Rüstungsindustrie gewarnt, dass das Gesetz in wenigen Jahren schon wieder veraltet sein könnte, berichtet Business Insider. Die dänischen Bürgerrechtler von IT-Politisk Forening sprechen sich gegen die weitgehende Vorratsdatenspeicherung aus. Mit besonders drastischen Worten hat der ehemalige NSA-Analyst William Binney davor gewarnt, das Gesetz in dieser Form zu verabschieden. Vor einem Auftritt im britischen Parlament hatte er Wired gesagt, die geplante Überwachung gleiche den Grundlagen totalitärer Staaten. Gleichzeitig würde sie die Sicherheitsbehörden mit Daten überfluten und damit am Ende sogar Leben kosten statt zu schützen. (mho)