"Nerdig geprägte Kultur": Wikipedia-Gründer Wales im Interview

Als Kind liebte Jimmy Wales Lexika, als Erwachsener gründete er mit einem Partner vor 15 Jahren Wikipedia. Im Interview spricht er über die Wikipedia-Gemeinde, die Zukunft seines Babys und seinen jüngsten Eintrag.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 114 Kommentare lesen
Jimmy Wales

(Bild: dpa)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jenny Tobien
  • dpa

Schon als Kind las Jimmy Wales am liebsten in Lexika. Am 15. Januar 2001 gründete er mit einem Partner die Online-Enzyklopädie Wikipedia, fünf Jahre später stand er auf der Times-Liste der weltweit einflussreichsten Menschen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht der 49-Jährige über den Frauenmangel und die Stärken der deutschen Community – und erklärt, warum es unter Wikipedianern viele Star-Wars-Fans gibt.

Vor 15 Jahren haben Sie Wikipedia ins Leben gerufen. Jetzt gibt es mehr als 37 Millionen Einträge, alleine die deutschsprachige Ausgabe wird monatlich über eine Milliarde Mal aufgerufen. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die Entwicklung Ihres Babys?

Ich bin sehr stolz auf meine Arbeit und darauf, Teil dieser Community zu sein, in die viele Menschen ihr Herzblut stecken – um etwas Sinnvolles zu tun, um auf gemeinnützige Weise Wissen zu teilen. Wir leben in einer sehr schwierigen Zeit, in der Wissen und Verständnis wirklich wichtig ist. Viele Konflikte in der Welt entstehen aus einer Unkenntnis, weil man andere Kulturen, andere Menschen nicht versteht.

Können Sie garantieren, dass Wikipedia auch in den nächsten 15 Jahren ein nicht-kommerzielles Angebot bleibt?

Das hoffe ich. Wir haben nicht die Absicht, das zu ändern.

Bereuen Sie es manchmal, dass Wikipedia kostenlos und werbefrei ist. Sie könnten vielleicht ein sehr reicher Mann sein?

Nein, ich bin sehr zufrieden. Ich habe ein wunderbares Leben und genieße jede Minute davon. Ich reise viel und treffe Mitglieder aus der Community in allen Teilen der Erde.

Die deutsche Wikipedia-Gemeinde zählte schon immer zu den stärksten weltweit. Woher kommt dieses Engagement?

Mitte Januar feiert das kostenlose Onlinelexikon Wikipedia seinen 15. Geburtstag. Mitbegründer Jimmy Wales hofft, dass es auch in Zukunft ein nicht-kommerzielles Angebot bleibt.

(Bild: dpa)

Die Deutschen haben traditionell ein Interesse an Enzyklopädien, nehmen wir nur den Brockhaus. Zudem habe ich von mehr als einem Deutschen gehört, dass ihr Gutes leisten wollt in der Welt – auch aufgrund der Geschichte des Landes. Das zeigt sich ja auch in der unglaublichen Großzügigkeit, die Deutschland in der aktuellen Flüchtlingskrise zeigt, auch wenn das offensichtlich nicht ohne Kontroversen abläuft. Aber dieser Wille, mit gutem Beispiel voranzugehen, reicht bis hin zu Online-Aktivitäten bei Wikipedia.

Wie unterscheiden sich die Wikipedianer in der Welt?

Überraschenderweise sind sich die Leute ähnlicher, als man erwarten würde. Es ist eine ziemlich intellektuelle, vielleicht auch etwas nerdig geprägte Kultur. Entsprechend gibt es bei uns deutlich mehr Star-Wars-Fans als in der restlichen Gesellschaft. Letztendlich sind die Wikipedianer aber überall ziemlich gleich.

Seit den Anfangstagen herrscht bei Wikipedia ein klarer Frauenmangel. Hat sich das inzwischen gebessert?

Leider ist es im Großen und Ganzen immer noch so. Wir sind wirklich bestrebt, das zu ändern. Aber das geht langsamer, als wir es uns wünschen. Der Frauenanteil liegt weiterhin bei nur etwa 16 Prozent. Wir würden uns mehr weibliche Mitglieder wünschen und müssen offensiver auf Frauen zugehen. Allerdings gibt es in vielen technischen Bereichen deutlich mehr Männer als Frauen. Das ist ein globales Problem, das sich auch bei Wikipedia niederschlägt.

Sie haben vor 15 Jahren den ersten Eintrag, einen Testartikel, geschrieben. Sind Sie heute noch als Autor auf Wikipedia aktiv und was ist Ihr Spezialgebiet?

Von Zeit zu Zeit. Ich habe mich viel mit der Geschichte Großbritanniens, speziell mit dem House of Lords, beschäftigt. Bei der Hochzeit von William und Kate habe ich den Eintrag von Kate Middleton in "Catherine, Duchess of Cambridge" geändert. Ich saß vorm Fernseher und dachte nur: "Beeil Dich, bevor es jemand anderes tut."

Es gehört zu den Grundregeln von Wikipedia, dass man nicht den Artikel über seine eigene Person verfasst oder redigiert. Dabei haben Sie selbst einmal in Ihrem Eintrag herumgeschrieben?

Vor sehr sehr langer Zeit, bevor wir neue Regeln dazu eingeführt hatten. Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich damals geändert habe.

Zur Person: Der am 7. August 1966 im US-Bundesstaat Alabama geborene Jimmy Wales startete Wikipedia mit dem Programmierer Larry Sanger am 15. Januar 2001. Die Artikel in der gemeinnützigen Online-Enzyklopädie werden von den Nutzern selbst verfasst und bearbeitet. Wales ist in dritter Ehe verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in London. (ssi)