Virtuelles Labor soll Wissenschaftgeschichte lebendig machen

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte wollen ein virtuelles Labor aufbauen, in dem die Laborarbeit von Pionieren der Physiologie wieder lebendig wird.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Grote

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) in Berlin wollen im Internet ein virtuelles Labor aufbauen, in dem die Laborarbeit von Pionieren der physiologischen und psychologischen Forschung zu erforschen ist.

Im Virtual Laboratory for Physiology (VLP) sind historische Dokumente von wissenschaftlichen Experimenten aus dem neunzehnten Jahrhundert in einem digitalen Archiv abgelegt: Eingescannte Artikel aus Journalen, Notizbücher, Monographien, Kataloge mit wissenschaftlichen Instrumenten und andere historische Dokumente, allesamt aus den Anfängen der "Life Science" zwischen 1830 und 1930, geben dem Interessierten eine umfassende Möglichkeit, in der Geschichte der Wissenschaft zu recherchieren.

"Unser Ziel ist es zum einen, Quellenbestände von raren Manuskripten, die nicht einfach zu kriegen sind, jedermann zugängig zu machen", erklärt Sven Dierig vom MPIWG, der zusammen mit seinen Kollegen Jörg Kantel und Henning Schmidgen das Projekt betreut. "Zum anderen wollen wir aber auch die Idee des kollektiven Arbeitens verschiedener Wissenschaftler fördern und bieten diesen dafür eine Publikationsplattform, in die sie ihre eigenen Materialien zur Verfügung stellen können". Der Berliner Wissenschaftler erhofft sich eine ständig wachsende Ressourcenquelle für die weitere Forschung.

So liegt die Zielgruppe des Projekts auch eher bei Wissenschaftshistorikern, Archivaren, Museumologen und bei Studenten der jeweiligen Fachrichtungen. "Aber auch interessierte Laien sollen sich zurecht finden", prophezeit der Berliner Wissenschaftler, denn später sollen möglicherweise auch Schulen per Internet beispielsweise ihren Biologieunterricht durch das Projekt ergänzen können.

Für den Laien dürften jedoch die klassischen Experimente weitaus interessanter sein, die berühmte Forscher wie die Physiologen Claude Bernard und Emil Du Bois-Reymond oder der "Vater der experimentellen Psychologie", Wilhelm Wundt, einst durchführten. Illustrationen, Sounds und bewegte Bilder sollen dem Betrachter die Faszination der Wissenschaft aus der Frühzeit von Biotechnologie und Molekularbiologie multimedial rekonstruieren. Dabei werden auch bislang noch unveröffentlichte Dokumente gezeigt, wie beispielsweise die eingescannten Labor-Notizbücher der Forscher, in denen genau nachzulesen ist, wie Experimente zu jener Zeit ohne die modernen Helferlein in der modernen wissenschaftlichen Forschung durchgeführt wurden.

Aus historischen Abbildungen von klassischen Laborexperimenten haben die Forscher Animationen zusammengebastelt, wie beispielsweise Du Bois-Reymonds bekanntes Experiment zum Nachweis von elektrisch stimulierbaren Nerven am Beispiel eines Frosches. "Diese historischen Instrumente zeigen dem Betrachter viel mehr von der eigentlichen Wissenschaft, die hinter dem Experiment steckt, als die heute in den Lernanstalten gängigen Black Boxes, wo am einen Ende der Strom eingeschaltet wird und am anderen Ende das Licht leuchtet". meint Dierig und hofft, so die Öffentlichkeit ein wenig mehr mit der "scientific community" zu verbinden.

Gesponsert wird die wissenschaftliche Seite des Projekts von der Volkswagen-Stiftung. Für die Finanzierung von Webdesignern und Programmierern suchen die Berliner Forscher jedoch noch Geldgeber, denn zur Zeit wird die technische Umsetzung noch zusammen mit den Studenten erledigt. Ende des Jahres soll dann ein erster Prototyp online freigeschaltet werden. Gebühren entstehen den Nutzern keine, schließlich handelt es sich um ein öffentliches Projekt. Zunächst soll die Website nur englischsprachig publizieren, je nach Resonanz könnte aber auch eine deutsche Übersetzung anlaufen. (Andreas Grote) / (wst)