Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Mehr als jede zweite Frau im Silicon Valley betroffen

Einer Umfrage unter mehr als 200 berufserfahrenen Frauen aus der IT-Branche des Silicon Valley zufolge wurde die Mehrheit von ihnen schon einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Erfahrungsberichte zeigen, was das bedeutet.

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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Mehr als jede zweite Frau im Silicon Valley betroffen
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Die Mehrzahl der weiblichen Beschäftigten in der IT-Branche Kaliforniens sind am Arbeitsplatz schon einmal sexuell belästigt worden. Das legt zumindest eine Umfrage unter mehr als 200 Frauen vornehmlich aus der Bay Area und dem Silicon Valley nahe, die seit mindestens 10 Jahren und teilweise in führenden Positionen in der Branche arbeiten. Die Autorinnen, darunter zwei Forscherinnen von der Universität Stanford, haben eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse unter dem Titel "Elephant in the Valley" veröffentlicht. Demnach haben 60 Prozent der Befragten angegeben, schon einmal Ziel "unerwünschter sexueller Annäherungen geworden zu sein". Jede Dritte habe danach sogar um ihre persönliche Sicherheit gefürchtet.

Wie die Autorinnen weiter auflisten, haben 84 Prozent der Befragten angegeben, ihnen sei schon einmal gesagt worden, dass ihr Auftreten zu aggressiv sei. Fast die Hälfte sei schon einmal aufgefordert worden, Aufgaben zu übernehmen, die männliche Kollegen nicht übernehmen müssten. Das zeige, wie schwierig es für Frauen ist, die richtige Balance zwischen zu zurückhaltend und zu harsch zu finden. Zwei Drittel hätten sich weiterhin aufgrund ihres Geschlecht bereits von wichtigen sozialen Events ausgeschlossen gefühlt. Ganze drei Viertel seien in Vorstellungsgesprächen nach ihrem Familienleben oder ihrem Familienstand befragt worden. Sogar 88 Prozent haben demnach angegeben, dass sie es erlebt hätten, dass Fragen an anwesende männliche Kollegen gerichtet wurden, auch wenn sie eigentlich an sie hätten gehen müssen.

Wenn die Frauen sexuelle Belästigungen gemeldet hatten, waren 60 Prozent unzufrieden mit dem weiteren Fortgang der Ereignisse. 39 Prozent hätten die Belästigungen aus Angst um ihre Karriere gar nicht gemeldet. Zusätzlich zu den prozentualen Ergebnissen haben die Autorinnen auch anonyme Beiträge von Befragten online gestellt. Berichtet wird da unter anderem von einem Klienten, der angebotene Produkte nur kaufen wollte, wenn die Vertreterin des Herstellers sich auf seinen Schoß gesetzt hätte. Erzählt wird auch von einem Kollegen, der vor allem gegenüber Frauen Wutanfälle bekommen hat, was vom Chef aber abgetan worden sei. Angedeutet wird aber auch, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert hat.

Anlass für die Umfrage war den Autorinnen zufolge die Debatte um die Diskriminierungsklage der ehemaligen Reddit-Chefin Ellen Pao. Aber auch in Deutschland wird seit den Geschehnissen der Kölner Silvesternacht verstärkt über sexuelle Belästigung debattiert. Anfang 2015 hatte eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergeben, dass hierzulande jede/r Zweite bereits Situationen erlebt hat, die unter das Gesetz zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz fallen. Nur rund 17 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer hätten diese jedoch auch als sexuelle Belästigung eingeschätzt.

Ein Grund, warum solche und ähnliche Umfragen oft zu dem Schluss kommen, dass gut ausgebildete Personen oder vermeintlich besonders gleichberechtigte Staaten vergleichsweise höhere Quoten an Belästigungen aufweisen: Das Bewusstsein für das strafbare Verhalten ist dort offenbar größer. (mho)