Europarat verabschiedet umstrittene Leitlinien zur Netzneutralität

Der Europarat hat seine 47 Mitgliedsstaaten aufgerufen, das Prinzip des offenen Internets aufrechtzuerhalten, um Grundrechte zu schützen. Die Empfehlung öffnet aber große Hintertüren für Internetsperren und Spezialdienste.

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Europarat verabschiedet umstrittene Leitlinien zur Netzneutralität
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Eine in sich widersprüchliche Empfehlung zur Netzneutralität hat der Europarat am Mittwoch beschlossen. Laut dem Gremium, dem 47 Staaten angehören, sollen Datenpakete zwar prinzipiell "unabhängig von Sender, Empfänger, Inhalt, Anwendungsbereich, Dienstleister oder Gerät gleichmäßig, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Beeinflussung" durchs Internet geschleust werden. Die Leitlinien enthalten aber große Löcher für ein Zwei-Klassen-Netz mit Mautstellen und Blockaden.

Der Beschluss soll den "Schutz der Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen sowie das Recht auf Privatsphäre sicherstellen". Doch der eigentliche Text gibt das nicht her. So sollen Provider nicht nur Verkehrsmanagement durchführen und Daten blockieren dürfen, um Gesetze oder Gerichtsanordnungen zu befolgen oder die "Integrität und Sicherheit" des Netzes aufrecht zu erhalten. Als legitim betrachtet wird es vielmehr auch, wenn sie den Zugang zu "unrechtmäßigen oder schädlichen Inhalten" sperren etwa im Rahmen von "Selbstregulierungssystemen in Kooperation mit Behörden".

Den umkämpften Spezialdiensten und dem Durchleuchten des Datenverkehrs auf Inhalte hin per "Deep Packet Inspection" schiebt der Europarat ebenfalls nur halbherzig einen Riegel vor. Derlei solle gestattet sein, solange den Nutzern im "normalen" Internet ausreichend Leistung und Servicequalität zur Verfügung stehen und die Bestimmungen für die Privatsphäre aus der Menschenrechtskonvention eingehalten werden. Zugangsanbieter müssten ihre Kunden zudem klar darauf hinweisen, welches Netzwerkmanagement sie durchführen. Eine undurchdachte Vorlage seiner Medienexperten, die Bürgerrechtler als "Angriff auf die Netzneutralität" werteten, hat der Europarat so nur noch geringfügig nachgebessert. Schwächen in der EU-Verordnung für ein offenes Internet kann das Gremium damit nicht ausbügeln. (anw)