Selfie und Blitz tabu? Was hinter dem Fotoverbot im Museum steckt

Vom Kult der inflationären Digitalfotografie sind auch jene Orte betroffen, die Bilder selbst ausstellen: die Kunstmuseen. Auch wenn Selfie-Sticks hier meist auf der schwarzen Liste stehen, heißt es nicht, dass Fotografieren generell verboten ist.

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Selfie und Blitz tabu? Was hinter dem Fotoverbot im Museum steckt
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • David Fischer
  • dpa
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Darf ich nun oder nicht? Wer beim Museumsbesuch die Kamera zückt, ist sich da oft nicht sicher. Als gängige Annahme gilt: Blitzlicht schadet Kunstwerken. Doch oft gibt es einen anderen Grund, weshalb Handys und Fotoapparate beim Eintritt in Kunstsammlungen in der Tasche bleiben müssen. Und das hat nicht mit der Foto-Funktion, sondern mit Smartphones zu tun.

Auch wenn der subjektive Eindruck täuschen mag: Trotz einiger Warnschilder an den Eingängen von Museen gibt es in Deutschland kein generelles Fotografie-Verbot. Jedes Museum bestimme dies selbst, erläutert die Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbunds, Anja Schaluschke. Nicht nur im Kölner Museum Ludwig legen Künstler oder die Besitzer der Kunstwerke selbst fest, ob Besucher ihre Kameras auspacken dürfen. "An die Vorgaben müssen wir uns halten", sagt Sprecherin Anne Niermann.

Museen bestünden darauf vor allem wegen des Urheberrechts an zeitgenössischen Werken, erklärt Schaluschke. Das Bildrecht erlösche erst 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers. Daher ist Fotografieren vor allem bei Sonderausstellungen mit Werken aus der jüngeren Entstehungszeit nicht willkommen. "Es besteht die Sorge, dass Fotos in sozialen Netzwerken kursieren", sagt Niermann aus Köln. Bei der aktuellen Joan-Mitchell-Ausstellung sei das Fotografieren von Vitrinen vom Leihgeber – der Joan Mitchell Foundation – nicht erlaubt worden.

In vielen Häusern sind in den Räumen der Dauerausstellung private Fotos erlaubt, so etwa in den Staatlichen Museen zu Berlin oder im Kunstmuseum Stuttgart. "Was die Leute mit den Aufnahmen machen, hätten wir sowieso nicht in der Hand und könnten dies nicht kontrollieren", sagt eine Stuttgarter Museums-Sprecherin.

Um die fast 3500 Jahre alte Büste der Nofretete hat das Neue Museum in Berlin eine Art Sperrgebiet für Fotos eingerichtet. Man wolle damit dem Mona-Lisa-Effekt wie im Pariser Louvre vorbeugen, "damit nicht alle mit dem Handy davorhängen", sagt eine Museums-Sprecherin. So habe jeder die Möglichkeit, sich die Büste in Ruhe aus der Nähe anzuschauen.

"Beim Blitzen entsteht nur eine kurzzeitige Belastung", sagt Clemens Kappen, Lehrkraft an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim. In den meisten Fällen sei dies unproblematisch. Davon ausgenommen seien lichtempfindliche historische Fotografien wie Daguerreotypen aus dem 19. Jahrhundert oder Werke mit besonders hohem Holzanteil, etwa Zeichnungen auf Papier. Dass Blitzlicht noch immer für gefährlich erachtet werde, habe mit "Wissensrückstand" zu tun, erläutert er. Doch seit Jahren würden moderne Blitzlichtgeräte kein schädigendes UV- oder Rotlicht mehr aussenden. Die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf hat hierzu eine andere Auffassung – und hält nach eigenen Angaben an einem Blitzverbot fest.

"Viele Menschen beziehen sich darauf, dass sie die Fotos nur für private Zwecke aufnehmen", sagt Museumsbund-Geschäftsführerin Schaluschke weiter. Jedoch könnten viele übersehen, dass das Hochladen auf ein privates Facebook-Profil juristisch als öffentliche Nutzung betrachtet werden könne. Die versehentliche Verbreitung von Fotografien oder Aufnahmen von Kunstwerken hat manchem Internetnutzer bereits Ärger durch Abmahnungen eingebracht.

Die Teleskop-Arme zählen in den Staatlichen Museen zu Berlin zu "sperrigen und scharfkantigen Gegenständen" – und sind damit verboten. Auch in die Häuser der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen dürfen die Stangen, an denen Handys zum Fotografieren befestigt werden können, nicht mitgebracht werden. Vom Gefahrenpotenzial her unterscheidet sich die Armverlängerung nach Auffassung der Museen nicht von Regenschirmen, mit denen man versehentlich die Kunstwerke aufspießen könnte. Auch viele Museen im Ausland haben den Selfie-Stick auf die schwarze Liste gesetzt – vom Museum of Modern Art in New York bis zu den Vatikanischen Museen. Liberaler sind die Londoner: Im British Museum dürfen die Besucher den Selfie-Stick auspacken. Größere Ausrüstung wie Stative oder spezielle Hilfsmittel zur Beleuchtung müssen aber genehmigt werden. (keh)