Hoffen und Bangen bei Call Centern
Call Center haben nach Ansicht des Wirtschaftsinformatikers Felix Hampe "ein unglaubliches Wachstumspotenzial". Ganz so euphorisch sehen die Gewerkschaften die Situation nicht.
Call Center haben nach Ansicht des Koblenzer Wirtschaftsinformatik-Professors Felix Hampe "ein unglaubliches Wachstumspotenzial". Diese "Telefonzentralen für den Kundenkontakt" entwickelten sich derzeit zu Communication Centern weiter, die auch über andere Kanäle Verbindung zu ihren Kunden aufnähmen, sagte Hampe in einem Gespräch mit der dpa. Dazu zählten das Internet, die E- Mail und geschriebene Kurznachrichten (SMS) auf Handys, sagte Hampe am Rande einer Tagung der Universität Koblenz-Landau zum Thema Communication Center.
"Die Firmen verschleudern heute viele Millionen, weil sie die Möglichkeiten der Rationalisierung in der Kommunikation noch zu wenig nutzen", meinte der Experte. In diesem Bereich lägen die großen Chancen der Communication Center. "Der Basisdienst Telefonieren dagegen wird so einen Preisverfall erleben, dass es sich bald nicht mehr lohnt, solche Verbindungsleistungen ohne zusätzliche Mehrwertdienste anzubieten", erklärte Hampe.
Beim Aufbau von Communication Centern gehe es nicht um die Einsparung von Stellen, sondern um die Verbesserung der Kommunikation mit den Kunden. "Die Ansprüche an die Qualifikation der Agenten im Communication Center werden erheblich steigen", sagte Hampe. In vielen Bereichen werde auch in fernerer Zukunft keine Sprachautomatik diese Spezialisten ablösen, weil ein Agent am besten auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen könne. "Stellen Sie sich einen aufgeregten Autofahrer vor, der einen Pannendienst anruft – der will eine menschliche Stimme hören", sagte der Universitätsprofessor. Die heutzutage im Call Center eingesetzten Computerprogramme müssten noch sehr verbessert werden.
Für die Nutzung mehrerer Informationskanäle zu einem Kunden gab Hampe ein Beispiel: Erst könne der Agent eines Communication Center einem Touristen die Vorzüge einer Region erklären und dann zur Orientierung auf eine Landkarte im Internet verweisen. Wenn der Kunde schließlich mit dem Auto am Urlaubsort ankomme, werde er über Satelliten und Funk mit Hilfe eines Navigationssystems von einer Stimme direkt zu seiner Unterkunft gelotst.
Die Frage, ob ein Communication Center in einer Firma angesiedelt sein müsse oder ausgelagert werden könne, hängt nach Ansicht des Fachmanns davon ab, "wie wichtig die Kunden dem Unternehmen sind". Bei teuren oder sensiblen Produkten empfehle es sich, diese Zentralen selbst zu betreiben, ansonsten sei Auslagerung eine gute Lösung.
Nicht ganz so euphorisch wie Hampe sehen die Gewerkschaften die Situation bei Call Centern. Die HBV kritisierte das Fehlen von Tarifverträgen für die Beschäftigten in den Call Centern. Die Lage der Beschäftigten sei damit von schlechteren Arbeitsbedingungen gekennzeichnet, sagte Jürgen Knoll von der HBV. Hauptproblem für das Zustandekommen tariflicher Regelungen sei die bei den Call Centern über eine Ausnahmeregelung im Arbeitszeitgesetz ermöglichte Sieben-Tage-Regelung.
Tarifverträge gebe es in Rheinland-Pfalz derzeit lediglich für die Beschäftigten in zwei Call Centern von Versandhäusern. Unbefriedigend sei die Lage auch, weil ein überwiegender Teil der Beschäftigten in den Call Centern Teilzeit arbeite. Damit sei die Neigung gering, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die Einwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaften seien deswegen gering.
Der Gewerkschaftssprecher wandte sich gegen die "Mär", bei Call Centern werde eine hohe Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen. Bei der Einrichtung der Center würden vielmehr nicht selten volle Arbeitsplätze beispielsweise bei Banken, Versandhäusern oder dem Einzelhandel, aufgelöst, stattdessen entstünden in den Call Centern Teilzeitbeschäftigungen. (dpa) / (jk)