Schweizer Volkszählung mit Internet-Premiere und Pannen
So haben es sich die Schweizer Statistiker wohl nicht vorgestellt: Die Schweizer Volkszählung, zum ersten Mal auch per Internet, startete mit Pannen.
So hat sich das beim Schweizer Bundesamt für Statistik wohl niemand vorgestellt: Noch bevor alle rund 7 Millionen Einwohner der Schweiz ihren Fragebogen für die Volkszählung 2000 erhalten haben, macht bereits die erste Fehlermeldung die Runde. Im Kanton Jura sind 50.000 Fragebögen mit falschen Angaben bei den vorgedruckten Personenangaben verschickt worden. Für jene, die den Fragebogen wie bei den letzten Erhebungen auf Papier ausfüllen, stellen die fehlerhaften Personendaten kein Problem dar, da sie manuell korrigiert werden können. Da aber bei der aktuellen Volkszählung die Fragebögen auch auf einem Formular im Internet ausgefüllt werden können, ist es möglich, dass im Zusammenhang mit den 50.000 fehlerhaften Bögen ernsthafte Probleme entstehen könnten. Wer seine falschen Personendaten bei der Erfassung im Internet nicht korrigiert, dem werden falsche Folgefragen gestellt.
Eigentlich hat alles erstaunlich reibungslos begonnen: Vor zwei Jahren wurde das Bundesgesetz über die eidgenössische Volkszählung vom Parlament in Bern ohne nennenswerten Widerstand verabschiedet. Einzig von den rechtsextremen Schweizer Demokraten kamen Einwände bezüglich der zu erwartenden hohen Kosten. Für die Ratslinke, die sich traditionell kritisch zu Datenerfassung äußerte, schien jeglicher Verdacht auf "staatliche Schnüffelei" ausgeräumt. Die Vorbereitungen für die in der Schweiz alle zehn Jahre durchgeführte Volkszählung konnte ihren Lauf nehmen. Insgesamt werden für Bund und Kantone Kosten im Umfang von über 150 Millionen Franken erwartet.
Eine Neuerung gegenüber den früheren Erhebungen ist der flächendeckende Einsatz des Internet. Auf der Site können mittels Passwort, das jeder Bewohner auf seinem Papierfragebogen zugestellt erhält, die geforderten Personendaten elektronisch dem Bundesamt für Statistik übermittelt werden. Das Projekt "e-census" ist eine Europapremiere. Nur in Singapur und den USA ist das Internet bisher bei Volkszählungen angewendet worden – allerdings nur für die Erhebung von Stichproben oder als Test. So gesehen ist die integrale Anwendung bei der Schweizer Volkszählung sogar eine Weltneuheit.
Auf einem mit 128 Bit verschlüsselten Formular können 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung ihre Daten elektronisch übermitteln. Ganz ausgereift ist das System allerdings noch nicht. So sind zum Beispiel die Fragen auf Papier und im Internet nicht alle identisch. Verzerrungen bei der Auswertung sind so vorprogrammiert, wenn ein Teil der Bevölkerung gar nicht die Möglichkeit hat, gewisse Fragen zu beantworten. Beispiel gefällig? Bei der Frage nach dem Telefonanschluss stehen auf dem Papier drei Antwortkategorien zur Verfügung, während es im Internet deren vier sind. Mit Großhaushalten schient die Internetanwendung der helvetischen Statistiker auf Kriegsfuß zu stehen: Wer das Eingabefeld "Wie viele Personen bewohnen die Wohnung?" mit einer Zahl größer als 19 ausfüllen will, sieht beim nächsten Mausklick eine Warnung, die einen auffordert, wieder zum Papierfragebogen zu greifen. Was die technische Seite von "e-census" anbetrifft, so ist allerdings wenig zu kritisieren: Auch 56K-Modemsurfer mit langsamen Prozessoren schaffen es, die Site innert nützlicher Frist zu laden und die Java-Applikation laufen zu lassen.
Auch wenn mit dem Projekt "e-census" ein wegweisender Schritt für die Zukunft der Volkszählung gemacht wurde, so kommt bei der aktuellen Erhebung weiterhin die gute alte Methode mit den Zählerinnen und Zählern zum Einsatz. In rund 700 der 3.000 Schweizer Gemeinden, die über kein EDV-gestütztes Einwohnerregister verfügen, werden die Fragebogen von Hand verteilt und auch wieder eingesammelt.
Siehe dazu auch den Artikel Volkszählung in der Schweiz mittels Fragebogen im Internet in Telepolis. (Nick Lüthi, Bern) / (jk)