Machen Games aggressiv?
Wer bei Grundschulkindern den Konsum von Fernsehen, Videofilmen und Videospielen einschränkt, reduziert ihr aggressives Verhalten, so eine Studie.
Wer bei Grundschulkindern den Konsum von Fernsehen, Videofilmen und Videospielen einschränkt, reduziert ihr aggressives Verhalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine in der Januar-Ausgabe der Archives of Pediatrics & Adolescent Medicine veröffentlichte Studie des Department of Pediatrics und des Stanford Center for Research in Desease Prevention an der School of Medicine der kalifornischen Stanford University.
Bei zunehmender Nutzung von Medien in der Gesellschaft kommt der Frage, ob die Reduzierung des Medienkonsums einen Abbau von Aggressivität bei Kindern bewirken kann, große Bedeutung zu. Die Beziehung von Gewalt in den Medien und aggressivem Verhalten von Kindern ist bereits in über tausend internationalen Studien untersucht worden. Mediale Gewalt hat demnach drei wesentliche Auswirkungen bei Kindern: Sie werden aggressiver oder versuchen Konflikte mit aggressiverem Verhalten zu lösen; sie sind weniger sensibel gegenüber Gewalt und Gewaltopfern; sie nehmen die Welt um sich herum als gemein und erschreckend wahr. Effektive Maßnahmen dagegen gibt es nur wenige.
Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler um Thomas N. Robinson Schüler im Alter von etwa neun Jahren in zwei Grundschulklassen im kalifornischen San Jose ein halbes Jahr lang untersucht. Während an der Musterschule ein Programm mit dem Ziel gestartet wurde, den Konsum von Fernsehen, Videofilmen und Videospielen zu reduzieren, wurde die andere Schule als Kontrollgruppe hergenommen, bei der keine weiteren Maßnahmen ergriffen wurden.
Insgesamt erhielten die Schüler an der Musterschule achtzehn Schulstunden, in denen sie den Umgang mit Medien erlernen sollten. In den ersten zwei Monaten der Untersuchung wurde das Thema Konsum von Fernsehen, Videofilmen und Videospielen diskutiert. Die Schulkinder setzten sich mit ihrem eigenen Medienkonsum und den Inhalten mit dem Ziel auseinander, dass sie von selbst die vor dem Fernseher oder Monitor verbrachte Zeit einschränken. Nach diesen Unterrichtseinheiten folgte ein Fernseh- und Videospielverbot für zehn Tage. Anschließend erhielten die Kinder ein Zeitbudget von sieben Stunden pro Woche für ihre Aktivitäten vor dem Fernseher und der Spielkonsole zugewiesen. Überwacht wurde das Budget durch einen "Television Time Manager". Um ihr Budget besser einzuhalten, wurde den Kindern im Unterricht beigebracht, wie sie sich zu "intelligenten Zuschauern" entwickeln, indem sie besser auswählen, was sie im Fernsehen anschauen und welche Spiele sie spielen. Gleichzeitig erhielten die Eltern regelmäßig Newsletters zugeschickt, in denen sie motiviert wurden, ihre Kinder beim Einhalten des Zeitbudgets zu unterstützen, und die Tipps gaben, wie der Medienkonsum eingeschränkt werden kann.
Um die Aggressivität zu messen, wurden an beiden teilnehmenden Schulen die einzelnen Schüler auf dem Schulhof vor und nach der Studie auf ihre physische und verbale Aggression hin beobachtet. Die Eltern wurden regelmäßig per Telefoninterview nach dem Verhalten der Kinder zu Hause befragt. Nach der Auswertung der Untersuchung kamen die Wissenschaftler zu folgendem Ergebnis: Die Kinder in der Musterschule hatten nach den sechs Monaten ihren Fernsehkonsum, Videofilme und Videospiele um ein Drittel reduziert, die Aggressivität der Kinder auf dem Schulhof sank "statistisch signifikant".
Da aggressives Verhalten durch ein komplexes Zusammenspiel von biologischen und sozialen Einflüssen bestimmt wird, sehen es die Autoren der Studie als ein beeindruckendes Ergebnis, dass alleine die Reduktion von Fernseh- und Videospielkonsum das aggressive Verhalten der Kinder vermindert hat, ohne dass weitere Aktivitäten der Kinder beschnitten wurden. Auch lässt die Untersuchung vermuten, dass die Einflüsse des Medienkonsums eher das aggressive Verhalten der Kinder in der Schule fördern als zu Hause.
Allerdings schränken die Wissenschaftler die Aussagekraft ihre Studie auch ein. So wurden in der Studie nur zwei Schulen im gleichen Schuldistrikt untersucht, sodass die Schüler einen ähnlichen Hintergrund haben. Die Autoren fordern daher weitere und über einen längeren Zeitraum angelegte Studien, bei denen dem soziodemografischen Aspekt mehr Beachtung geschenkt wird. (Andreas Grote) / (ts)