Kommentar: Facebooks Symbolpolitik gegen Hatespeech

Facebook finanziert eine "Initiative für Zivilcourage Online". Ein beeindruckendes Beispiel für Symbolpolitik, um die wahren Probleme zu überdecken, findet c't-Redakteur Holger Bleich.

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Sheryl Sandberg

(Bild: heise online, Holger Bleich)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Es ist die ganz große Geste, wenn Chefin Sheryl Sandberg selbst erscheint, um eine neue Initiative des US-Konzerns Facebook zu verkünden. So geschehen am 18. Januar in Berlin. "Für Hass ist bei uns kein Platz", stellte sie gleich mal die deutschen Tatsachen auf den Kopf. Doch statt zu versprechen, Gewaltaufrufe gegen Flüchtlinge oder volksverhetzende Gerüchte konsequenter zu löschen, legte Sandberg eine Million Euro aus der Portokasse auf den Tisch. Eine europäische "Initiative für Zivilcourage Online" soll es jetzt also richten. "Counterspeech" statt "Takedown" sei das Gebot der Stunde, erklärten deren Mitglieder artig. Wie das funktionieren soll, verrieten sie nicht. Vermutlich, weil es nicht funktionieren kann.

Ein Kommentar von Holger Bleich

Holger Bleich schreibt seit 1999 für c't und heise online. Den Schwerpunkt bilden Technik-Themen wie Internet-Protokolle und Webhosting. Aus seinem Studium hat sich der diplomierte Politikwissenschaftler sein Interesse für juristische und kulturelle Aspekte der Netznutzung sowie für Netzpolitik erhalten.

In seiner Funktion als Meinungsplattform katalysiert und radikalisiert Facebook derzeit die politische Stimmung in Deutschland wie kein anderes Medium. Außerdem haben sich dort längst hermetische Teilöffentlichkeiten gebildet: Facebook befördert Meinungsblasen und schottet seine Nutzer – von diesen oft nicht einmal bemerkt – vor vermeintlich uninteressanten Gegenmeinungen ab. Statt den Diskurs zu beflügeln, erschwert Facebook ihn de facto.

Zivilcourage kann aber nur da stattfinden, wo man mit Hass und Hetze konfrontiert wird – auf der Straße zum Beispiel. Flüchtlingshelfer werden auf Facebook den Aufruf zum Abfackeln der Unterkunft eher nicht wahrnehmen, solange er nicht direkt in ihrem Profil gepostet wird. Wie sollen sie da Zivilcourage und Gegenrede leisten? Entweder, Sandberg versteht ihre eigene Plattform nicht, oder sie will Nebelkerzen werfen, um von der eigenen Verantwortung für strafbare Beiträge der Nutzer abzulenken. Dabei ist es Zeit, darüber zu reden, dass das US-amerikanische Modell des "Counterspeech" als Gegengewicht zu "Hatespeech" in den Facebook-Meinungsblasen eben oft nicht mehr funktioniert.

Versuche, das US-Unternehmen dazu zu verpflichten, wenigstens konkrete Aufrufe zur Gewalt gegen Flüchtlinge und andere volksverhetzende Inhalte umgehend zu löschen, münden in unverbindlichen Willensbekundungen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ist vorgeprescht, obwohl sich das für die Bundesregierung als Exekutive eigentlich verbieten müsste – zuständig für die Kontrolle sind Strafverfolger und Gerichte. Seine "Taskforce"-Aktion ist unter diesem Aspekt Symbolpolitik, die beeindrucken soll, aber letztlich wenig Wirkung zeigt.

Dass Maas sich mit einem Konzern angelegt, der diese Symbolpolitik mindestens eben so gut beherrscht, demonstrierte Sandberg in Berlin eindrucksvoll. Und tatsächlich, es klappt. "Facebook sagt rechter Hetze den Kampf an", rauschte es durch die Medien. Tatsächlich aber blieb Sandberg ein konkretes Konzept oder Ankündigungen von Maßnahmen der Initiative schuldig, stattdessen lächelte sie eine Mitverantwortung ihres Konzerns an der Meinungsradikalisierung in Deutschland einfach weg. Immerhin seien ja auch Flüchtlingsinitiativen über Facebook entstanden. Na dann. (hob)