NAMM 2016: Von Video-Sequenzern und VR-Schlagzeugen

Auf der Musikmesse in Anaheim stellen Synthesizer-Hersteller ihre neuesten Krachmacher vor: Vom kleinen Musiktaschenrecher für 70 Euro bis zum Edel-Synth für 3000 Euro.

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NAMM 2016: Von Video-Synthesizern und VR-Schlagzeugen

(Bild: NAMM)

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"Wer soll sich das alles nur in sein Studio stellen?" fragt sich sicher so mancher Musiker, wenn er die Neuvorstellungen auf der US-Musikmesse NAMM in Anaheim bei Los Angeles durchstöbert. Ungebrochen scheint die Nachfrage nach neuen Synthesizern, die alte Retro-Klänge mit der modernen Software-Technik einer Digital Audio Workstation verknüpfen. Der Markt deckt inzwischen eine riesige Bandbreite ab, die vom kleinen Taschenspieler bis zum edlen Analog-Synth reicht.

So setzt Teenage Engineering seine im vergangenen Jahr gestartete Reihe an Pocket Operatoren fort. Drei neue Modelle gesellen sich zu den bisherigen Drum-, Bass- und Synth-Modulen. So verspricht der PO-20 Arcade witzige Chiptunes, die an das Gedudel aus alten Spielhöllen erinnern. Der PO-24 Office klingt hingegen so, als würde ein Percussionist eine Schreibmaschine malträtieren. Und der PO-28 Robot spielt seine Synthie-Klänge von verschiedenen 8-Bit-Engines ab. Die nackten Platinen kosten knapp 70 Euro, für eine passende Silikonhülle muss man mindestens weitere 30 Euro drauflegen.

Auf der NAMM zeigt Teenage Engineering einen ersten spielbaren Prototypen des OP-Z.

(Bild: Teenage Engineering)

Daneben zeigt Teenage Engineering einen neuen mobilen Sequenzer namens OP-Z, der sich allerdings noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet. Was aussieht wie ein musikalisches Lego-Spielzeug, kommt ohne eigenes Display aus und soll neben internen Synthie-Instrumenten auch Video-Clips über eine Wifi-Verbindung abspielen. Die Video-Clips sind kurze Szenen, die in der Unity-Engine erstellt wurden und deren Tempo synchron zum Tempo des Sequenzers abläuft. Teenage Engineering arbeitet erst seit einigen Monaten an dem Gerät und plant noch mindestens ein Jahr bis zur Fertigstellung ein.

Preisbrecher: Polyphone analoge Synthesizer kosteten bislang meist das Dreifache vom Korg Minilougue.

(Bild: Korg)

Weniger experimentell zeigt sich Korg, die mit dem Minilogue einen erstaunlich günstigen polyphonen analogen Synthesizer auf den Markt bringen. Für knapp 600 Euro kann man auf der 3-oktavigen Minitastatur bis zu vier Voices parallel spielen. Sämtliche Parameter der subtraktiven Synthese lassen sich einzeln über die Drehknöpfe einstellen, sodass man sich nicht in tiefen Menüstrukturen verliert. Melodien und Beats lassen sich auf dem internen Sequenzer programmieren und ein winziges Display zeigt die aktuelle Wellenform der rein analog generierten Töne an.

Der Arturia MatrixBrute kommt ohne großes Display aus und lockt Klangschrauber mit vielen Knöpfen und Reglern.

(Bild: Arturia)

Derweil verlangt Arturia für seinen MatrixBrute genannten paraphonen Analog-Synthesizer rund 2000 Euro. Seine Bedienoberfläche wirkt wie eine Mischung aus einem Moog Voyager und Ableton Push. Auf einer 16 x 16 Felder großen Matrix lassen sich Sequenzen und Modulationen programmieren. Drei Oszillatoren lassen sich durch Steiner-Parker- und Ladder-Filter jagen. Selbst die Effekte (Chorus/Flanger/Delay) sollen rein analog aufgebaut sein. Über jeweils zwölf CV-Ein- und Ausgänge sollen sich weitere Module ansteuern lassen, die der MatrixBrute per MIDI und USB direkt mit einer DAW verknüpft.

Wer noch 1000 Euro drauflegt, hat bei DSI inzwischen die Auswahl zwischen zwei Polyphonen-Modellen mit analoger Klangerzeugung. So hat sich Dave Smith nach dem Erfolg des Sequential Prophet-6 mit Tom Oberheim zusammengesetzt und den OB-6 gebaut. Er nutzt die originalen SEM-Filter aus den 70er Jahren, die sich variabel als Tief-, Hoch-, Bandpass- oder Notch-Filter einsetzen lassen. Jede der sechs Stimmen hat zwei analoge Oszillatoren. Nur die Effektsektion mit Reverb, Delay, Phase Shifter und Ringmodulator sei digital aufgebaut. Im März sollen erste Geräte verfügbar werden.

Bei Roland hält die Elektronik auch bei den Percussion-Instrumenten Einzug. Im EC-10 El Cajon sitzt ein Sound-Modul mit Verstärker, das auf Schläge des Percussionisten am Rand und in der Mitte reagiert. So soll man 30 elektronische Drum-Kits mit dem normalen Cajon-Sound mixen können. Damit das auch unterwegs klappt, lässt sich das Instrument mit sechs AA-Batterien betreiben, die laut Hersteller bis zu 12 Stunden halten sollen.

Völlig ohne Klangkörper kommen derweil die Aerodrums aus, ein virtuelles Schlagzeug für die Oculus Rift. Das System besteht aus Schlägeln und Fußreflektoren, deren Positionen von einer Kamera erfasst werden. So kann das System erkennen, auf welche "Trommel" der Schlagzeuger auf einem um ihn herum aufgebauten virtuellen Schlagzeug schlägt. Das Drum-Set kann er sich auf einem Monitor oder auf einer Rift ansehen. Fraglich ist allerdings, ob die Latenzen und das Spielgefühl tatsächlich ambitionierten Spielern genügen wird. Das Set soll für 175 Euro gegen Mitte des Jahres auf den Markt kommen.

(hag)