Hintergrund: Protest gegen "Überregulierung" im Packet-Radio-Netz
Große Teile des Packet-Radio-Netzes sind weiterhin abgeschaltet. 134 Sysops nehmen an dieser Protestaktion "gegen Überregulierung" des Netzes teil.
Große Teile des Packet-Radio-Netzes sind weiterhin abgeschaltet. 134 Betreiber (Sysops) nehmen an dieser Protestaktion "gegen Überregulierung" des Netzes teil; betroffen sind mehr als 95 Prozent der Systeme in Deutschland. Auch Sysops aus deutschsprachigen Nachbarländern Schweiz und Österreich sowie Programmierer, die (freie) Software zum Betrieb des Amateurnetzes schreiben, haben sich der Aktion angeschlossen.
Der geharnischte Protest erscheint verwunderlich, denn er richtet sich gegen einen bisher lediglich zur Diskussion gestellten Entwurf der für den Amateurfunk zuständigen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP). Auf einem der eigens eingerichteten Web-Server ist die Begründung der Protestler zu lesen. Es heißt dort, dass man mit dieser Aktion den Runden Tisch Amateurfunk (RTA) bei seinen bevorstehenden Verhandlungen mit der Regulierungsbehörde unterstützen wolle.
Unter anderem protestieren die Sysops gegen die nach ihrer Interpretation geplante Verpflichtung, jegliche in das Packet-Radio-Netz eingespielte Information in ihren Mailbox anzubieten. Tatsächlich fordert die Regulierungsbehörde in dem c't vorliegenden Entwurf, dass die Teilnahme am Funkverkehr "immer allen ordnungsgemäß berechtigten Zulassungsinhabern" gleichermaßen möglich sein müsse. Die Gegner des Entwurfs meinen, dass der technische Aufwand zur Erfüllung dieser Anforderung zu hoch sei. Darüber hinaus beschneide diese Regelung "erheblich die Rechte und Möglichkeiten der Sysops in der Gestaltung der betreuten Mailbox". Das Recht, aus der Informationsfülle des weltweiten Packet-Radio-Netzes interessante Themen zu selektieren, dürfe dem Sysop nicht genommen werden, heißt es.
In der Tat sieht der Entwurf eine Moderation der Inhalte, die im Extremfall auf Zensur nach Gutsherrenart hinauslaufen könnte, nicht vor. Unzulässige Nachrichteninhalte soll der Sysop aber löschen, wenn sie ihm bekannt werden. Über den Ausschluss von Teilnehmern oder Einschränkungen will die RegTP unverzüglich unter Angabe der Gründe benachrichtigt werden.
Die Protestler entnehmen dem Entwurf, den Missbrauch des Rufzeichens (Kennung des Absenders) verhindern zu müssen, dabei aber die Verwendung von Passwörten oder digitalen Signaturen – probate Mittel gegen solchen Missbrauch – von den Benutzern nicht fordern zu dürfen. Auch moniert man, der Entwurf stelle in Frage, ob in Zukunft optionale Passworte und digitale Signaturen erlaubt sein werden. Die Behörde will jedoch die "nutzerseitige Verwendung digitaler Schlüssel" zur Identifizierung von Nachrichten ausdrücklich bis zu einer weiteren Regelung dulden.
Weniger kontrovers sind die technischen Regelungsvorschläge der Behörde. Dass sich die Protestler gegen eine Begrenzung des Frequenzhubs der sogenannten Digital Repeater auf +/-3 kHz wehren, scheint verständlich, würde sie doch den Packet-Radio-Betrieb auf Datenraten von allenfalls 9600 Baud einschränken (aktuell sind Datenraten von 19,2 kBit/s gebräuchlich, gelegentlich wird gar schon mit 115,2 kBit/s gefunkt und in Experimenten konnten schon 1,2 MBit/s übertragen werden).
Auch soll nach dem bisherigen Entwurf eine Beschneidung in der Nutzung des PR-Netzes und des Amateurfunk-Satelliten für die Lizenzklassen 2 und 3 erfolgen – im Endeffekt hätte das nach Ansicht der Kritiker zur Folge, dass Teilnehmer verschiedener Lizenzklassen nicht mehr überkreuz miteinander kommunizieren könnten.
Die RegTP hat nun in teilweise scharfem Ton auf die Protestaktion reagiert und den Vorwurf zurückgewiesen, sie habe sich vor den Karren einer Minderheit von Amateurfunkern spannen lassen. Die Behörde stellt auch klar, dass sie weit weniger in die Gestaltung der Mailboxen eingreifen wolle als von den Protestlern befürchtet: "Es bleibt jedem SysOP schon immer selbst überlassen, welche Rubriken er mit welcher Lifetime in seiner Mailbox bereitstellt. Allerdings müssen innerhalb der vorhandenen Rubriken alle Mails gleichberechtigt werden", heißt es in der Stellungnahme. In der Vergangenheit habe es Ausschlüsse von Amateurfunkern gegeben, ohne dass die Behörde davon unterrichtet worden sei. Damit hätten Boxbetreiber gegen geltendes Recht verstoßen. Einige Sysops sähen den Umfang ihrer Frequenz- und Rufzeichenzuteilung als "privates Spielzeug" an, heißt es in der Stellungnahme. Sie demonstrierten ihre Macht, "indem sie durch Zensur im PR-Netz täglich Verstöße begehen". (dz)