Neuanfang bei Wikimedia

Die Spitzen der Wikipedia versuchen den Streit der vergangenen Wochen zu schlichten. Eine Herausforderung für die US-Stiftung: Erstaunlich viele Nutzer berichten über Belästigungen auf der Plattform.

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Sperrung von Nutzerkonten

(Bild: dpa, Jens Büttner)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Nach dem Rauswurf von James Heilman Ende Dezember und dem Rücktritt von Arnnon Geshuri in der vergangenen Woche versucht das Board Of Trustees (Kuratorium) der Wikimedia Foundation wieder zum Alltag überzugehen. Wie der Vorsitzende Patricio Lorente mitteilt, hat das höchste Entscheidungsgremium der US-Stiftung die Spanierin María Sefidari zum Wochenende aufgenommen.

Das Kuratorium hat sich somit dagegen entschieden, den für Community-Mitglieder vorgesehenen Sitz im Wahlverfahren zu besetzen. Stattdessen haben die Mitglieder Sefidari, die bereits für zwei Jahre im Board saß und bei den Wahlen im vergangenen Jahr den Wiedereinzug nur knapp verpasst hatte, zur Nachfolgerin von Heilman ernannt. "Eine Neuwahl hätte viel Zeit gekostet und wir haben nun wichtige Herausforderungen zu meistern", schreibt Lorente. Mit der Entscheidung hat das Gremium wieder die in der Satzung vorgesehene Mindeststärke von neun Mitgliedern erreicht.

Die US-Stiftung muss sich nun dem neuen Strategieprozess widmen. So war die Stiftung an dem Fünfjahresplan von 2010 daran gescheitert, auch nur eins der vorgegebenen Ziele zu erreichen. So sollte die Zahl der monatlich aktiven Autoren auf 200.000 gesteigert werden. Stattdessen verringerte sich die Anzahl der Autoren sogar und liegt unter 80.000. Dennoch will die derzeitige Wikimedia-Chefin Lila Tretikov an den von ihrer Vorgängerin aufgestellten Zielen festhalten. Noch bis Mitte Februar läuft die öffentliche Konsultation für die Strategie für das kommende Geschäftsjahr.

Einen Grund für die gescheiterten Bemühungen für mehr Nutzer-Partizipation zeigen die Ergebnisse einer aktuelle Umfrage, an der sich insgesamt über 3800 Nutzer von Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte beteiligt hatten: Der Umgangston auf in den Diskussionsseiten der Online-Enzyklopädie ist berüchtigt rüde. In der Umfrage hat weniger als die Hälfte der Nutzer angegeben, niemals auf Wikipedia belästigt worden zu sein. 38 Prozent gaben an, schon einmal selbst belästigt worden zu sein, 51 Prozent haben demnach die Belästigung anderer beobachtet.

Besonders die Art der Belästigungen ist für Wikipedianer beunruhigend. So gaben 61 Prozent der Antwortenden an, dass sie Ziel von "Revenge Porn" wurden, bei dem pornografische Bilder unter dem Namen des Opfers veröffentlicht werden. Auch "Doxxing" ist verbreitet, also das Veröffentlichen privater Details wie der Anschrift eines Nutzers: 67 Prozent gaben an, dass unerwünscht Informationen über sie publiziert wurden. Auch Gewaltandrohungen sind laut Umfrage mit 65 Prozent häufig, ein Prozent der Nutzer gibt an reale Gewalt erfahren zu haben.

Die Ergebnisse der Umfrage sind allerdings nicht repräsentativ, da nicht die Grundgesamtheit der Wikipedianer befragt wurde. Teilweise sind die Ergebnisse auch ambivalent: So geben 17 Prozent an, wegen Administrationsentscheidungen belästigt worden zu sein, 34 Prozent sahen hingegen solche Entscheidungen, beziehungsweise die Androhung solcher Schritte selbst als Belästigung.

Ein Grund für Konflikte innerhalb von Wikimedia ist weiterhin das Vorgehen um die so geannte "Knowledge Engine", für die die US-Stiftung eine Förderung der Knight Foundation von 250.000 US-Dollar eingeworben hatte. Wikimedia-Chefin Tretikov hat auf ihrer Diskussionsseite nun erste Details über dieses Förderung publiziert. Demnach will Wikimedia in erster Linie dafür sorgen, dass die Suchfunktion der Wikipedia verbessert wird. Kritiker vermuten aber, dass die Wikimedia Foundation einen größeren Umbau des Wiki-Prinzips beabsichtigt.

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(axk)