Ein wachsames Auge mehr - Polizei setzt an Fastnacht auf Bodycams

Im Rheinland läuft der Countdown für den Höhepunkt der närrischen Zeit. Nach der Kölner Silvesternacht steht die Sicherheit besonders im Fokus. Die Polizei setzt mancherorts erstmals auch auf Schulterkameras.

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Bodycam

(Bild: dpa, Boris Roessler/Archiv)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christian Schultz
  • dpa
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Sie sind klein, an der Schulter von Polizisten befestigt und wiegen nur ein paar Gramm – Bodycams. Seit Jahren wird über diese Mini-Kameras diskutiert. Befürworter hoffen auf eine abschreckende Wirkung und mehr Beweismaterial, um Straftäter zu überführen. Kritiker sorgen sich um den Datenschutz. Nach den Kölner Vorfällen an Silvester kommen Bodycams erstmals in Narrenhochburgen zum Einsatz – unter strengen Regeln und längst nicht flächendeckend.

In Rheinland-Pfalz wurden in den vergangenen Monaten 15 Bodycams in Mainz und Koblenz getestet, pünktlich vor den närrischen Tagen schaffte das Land weitere 80 an. "Die werden proportional auf die Polizeipräsidien verteilt", sagt der Sprecher des Innenministeriums in Mainz, Marco Pecht. Die Kameras kämen an Fastnacht, wie die fünfte Jahreszeit hier heißt, vor allem bei großen Umzügen zum Einsatz – etwa in Mainz, wo an Rosenmontag Hunderttausende erwartet werden.

Die Mainzer Polizei setzt neben Bodycams auf mobile Einsatzgruppen und herkömmliche Videoüberwachung an Brennpunkten. "Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, aber wir können Gewalt minimieren", sagt der Sprecher des Polizeipräsidiums, Achim Hansen. Der Einsatz von Bodycams sei genau geregelt. Beamte mit Kamera tragen auf Brust und Rücken die Aufschrift "Videoüberwachung". Zudem laufen die Geräte nicht die ganze Zeit, es muss erst auf einen Knopf gedrückt werden, erklärt Hansen. Das gehe datenschutzrechtlich gar nicht anders. "Und sie müssen ihr Gegenüber aufmerksam machen, dass gefilmt wird."

Die Kameras seien starr angebracht und nicht schwenkbar, betont Hansen. "Es werden keine umstehenden Menschen aufgezeichnet." Wenn keine Straftat vor der Linse geschehe, würden Aufnahmen schnell gelöscht. Er ist überzeugt, dass Bodycams abschreckend wirken und Übergriffe auf Beamte verhindert werden können. "Die Erfahrung hat gezeigt, die Zahl der Fälle geht zurück." Klagen von Kollegen zu den Kameras kenne er keine. "Ich haben nichts Negatives gehört."

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürwortet Bodycams. An Brennpunkten sollten sie bundesweit eingeführt werden, forderte der stellvertretende Bundesvorsitzende Jörg Radek bereits Anfang Dezember. Ähnlich sieht das die GdP im Karnevals-Epizentrum Nordrhein-Westfalen. "Wir wollen sie dort, wo wir wissen, dass es insbesondere durch Alkohol zu Emotionen und Gewalttaten kommt", sagt Landeschef Arnold Plickert. Selbst bei Dunkelheit lieferten Bodycams gute Aufnahmen – anders als fixe Kameras in ein paar Metern Höhe.

Die nordrhein-westfälische Landespolizei wird an Karneval trotzdem keine Bodycams benutzen, NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte vor "Schnellschüssen" gewarnt. Anders die Bundespolizei: Sie startete vor kurzem an den Kölner und Düsseldorfer Hauptbahnhöfen unabhängig von Karneval eine einjährige Probephase mit insgesamt bis zu zehn Geräten.

Hauptgrund dafür ist nach Angaben des Präsidenten der Bundespolizeidirektion St. Augustin, Wolfgang Wurm, zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber der Polizei. Sprecher Jens Flören ergänzt, Aufnahmen würden nach jeder Schicht gelöscht, wenn sie nicht für die Verfolgung von Straftaten relevant seien.

GdP-Landeschef Plickert spricht von einem "politischen Absurdistan". In und vor Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen kämen Minikameras zum Einsatz, sonst nicht. Auch Bodycams hätten die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht nicht verhindert, aber sie hätten Aggressionen und Täter festhalten können. "Wir würden über eine Vielzahl von Gesichtern verfügen, die abgeglichen werden könnten", betont der Gewerkschaftsvertreter. "Wir hätten bessere Beweismittel."

In Köln werden allein an Weiberfastnacht 2500 Polizisten auf den Straßen sein – doppelt so viele wie sonst. Rheinaufwärts in Mainz nennt die Polizei keine Zahlen, an Konzepten wurde aber auch hier gebastelt. "Wir wissen, es sind mehr als im letzten Jahr", sagt der Organisationsleiter des Mainzer Carneval Vereins (MCV), Kay-Uwe Schreiber. Noch nie seien so viele Gespräche mit Ordnungsamt und Polizei geführt worden. "Man kann mit Sicherheit sagen, dass wir angespannter als in den letzten Jahren." Aber: "Wie Köln aufrüstet, da werden wir nicht hinkommen, da wollen wir auch nicht hinkommen." (keh)