Sexismus-Klage gegen Yahoo

Schwere Anschuldigungen gegen Yahoo und dessen Chefin Marissa Mayer erhebt ein ehemaliger Redakteur des Unternehmens: Sexismus, Toleranz eines Bestechungsversuchs sowie rechtswidrige Massenkündigungen.

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Marissa Mayer im Ganzkörperprofil neben Yahoo-Logo

Laut New York Times hat Yahoo-Chefin Marissa Mayer verboten, von "lay-offs" (Kündigungen) zu sprechen. Sie bevorzugt den Begriff "remix".

(Bild: dpa, Britta Pedersen)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Eine gegen Yahoo eingebrachte Klage des ehemaligen Mitarbeiters Gregory Anderson gewährt Einblicke in die Unternehmenskultur. Sollten die Vorwürfe auch nur im Ansatz stimmen, würde das den Niedergang Yahoos erklären. Ein von Yahoo-Chefin Marissa Mayer eingeführtes, abstruses Benotungssystem soll der "Rechtfertigung" laufender Kündigungen dienen. Und Männer würden aufgrund ihres Geschlechts systematisch diskriminiert.

Yahoo-Chefin Marissa Mayer

(Bild: Yahoo.com (Screenshot) )

Der Druck auf die Belegschaft ist offenbar enorm. Laut der Klageschrift wollte ein Mitarbeiter Anderson bestechen, damit ein Kollege schlechter beurteilt werde. So wollte der Mann seinen Arbeitsplatz auf Kosten des Kollegen retten. Anderson habe den Vorfall gemeldet; statt Konsequenzen für den Bestechungsversuch habe das Konsequenzen für Anderson gehabt: Die Lebensgefährtin des Mannes sei eine Vorgesetzte Andersons gewesen und habe sich mit einer schlechten Note für Anderson gerächt.

Anderson war in einer leitenden Funktion im Mediengeschäft Yahoos tätig und hat nach eigenen Angaben vor Marissa Mayers Amtsantritt im Sommer 2012 gute Noten, Beförderungen, Gehaltserhöhungen und Lob bekommen. Doch im November 2014 sei er plötzlich wegen angeblich miserabler Leistungen gegangen worden.

Tatsächlich war er zu dem Zeitpunkt in einer vom Management genehmigten, unbezahlten Abwesenheit. Denn Anderson hatte einen angesehenen Preis für seine journalistische Arbeit gewonnen, mit dem ein Aufenthalt an einer Universität für ein gutes halbes Jahr verbunden ist.

Seine Klage beschreibt die quartalsweise Leistungsbeurteilung (QPR), die Marissa Mayer kurz nach ihrem Amtsantritt eingeführt hat. Vorgesetzte müssen demnach jeden ihrer Mitarbeiter einmal im Quartal mit einem Wert von 0,0 bis 5,0 bewerten. Die Steigerung von Quartal zu Quartal dürfe nicht höher als 0,5 Punkte sein.

Mit der Note einher geht eine Einteilung in eine von fünf Klassen, je nach dem ob die Person die Anforderungen "Stark übererfüllt", "übererfüllt", "erreicht", "manchmal verfehlt" oder "verfehlt". Allerdings werde jeder Abteilung im Voraus vorgeschrieben, wieviel Prozent der Belegschaft in welche Klasse einzustufen seien – selbst wenn alle die Anforderungen erfüllen.

In einem zweiten Schritt "kalibrieren" höherstehende Manager die Noten. Sie ändern die Noten angeblich auch dann, wenn sie die betroffenen Mitarbeiter gar nicht kennen. Anderson berichtet von einer unbegründeten Halbierung einer Bewertung, die er selbst vergeben hatte.

Die Mitarbeiter erführen nur ihre Klasse, nicht aber die genaue Benotung. Sie hätten auch generell keine Möglichkeit, sich gegen ungerechtfertige Noten zu wehren. Zumindest bei einer Mitarbeiterin sei aber eine Ausnahme gemacht worden.

Eingang zu einem Yahoo-Gebäude in San Francisco.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Anhand der Noten entscheide Yahoo, wer gekündigt werde. Von Anfang 2012 bis Juli 2015 habe Yahoo 31 Prozent der Belegschaft abgebaut. Dabei habe die Firma die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen ignoriert.

Die Klage erhebt zudem den Vorwurf, dass zumindest einmal einem Mann gekündigt wurde, während eine Frau mit derselben Note befördert worden sei. Generell würden Männer häufig sofort hinausgeschmissen, während das Unternehmen Frauen Zeit gebe, sich anderswo einen Arbeitsplatz zu suchen.

Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter hätten hochrangige Yahoo-Manager gezielt nach Frauen gesucht, und sie bisweilen auch dann eingestellt, wenn sie schlechter qualifiziert waren als männliche Bewerber. Eine von Marissa Mayer eingestellte Managerin habe Führungspositionen im Redaktionsbereich zu 87 Prozent mit Frauen besetzt. Der Frauenanteil bei hochrangigen Journalisten sei in nur drei Jahren von weniger als 20 Prozent auf über 80 Prozent gesteigert worden.

Nachdem Yahoo Andersons Schadenersatzforderung von fünf Millionen US-Dollar nicht nachgekommen ist, hat er am 1. Februar geklagt. Das Verfahren heißt Anderson v. Yahoo und ist am US-Bundesbezirksgericht, Northern District of California, anhängig (5:16-cv-00527). Eine Entgegnung Yahoos ist noch ausständig. Am 5. März soll über den Prozessfahrplan verhandelt werden.

"Fairness ist ein leitendes Prinzip unseres jährlichen Beurteilungs- und Belohnungsverfahren", heißt es in einer Stellungnahme Yahoos, "Unser Leistungsbeurteilungsprozess wurde entwickelt, damit (Mitarbeiter) Feedback von anderen bekommen. (Das Verfahren) ermöglicht besonderen Leistungsträgern, sich an größer werdenden Möglichkeiten in unserer Firma zu beteiligen, und wenig Leistungsstarken, hinausgeleitet zu werden."

(ds)