Bericht: Britische Sicherheitsbehörden sollen in den USA spitzeln dürfen

Washington und London verhandeln über ein Abkommen, wonach britische Polizeien und Geheimdienste verdächtige Landsleute unter den Kunden von US-Konzernen wie Facebook, Google oder Microsoft direkt überwachen könnten.

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Bericht: Britische Sicherheitsbehörden sollen in den USA spitzeln dürfen

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Britische Polizei- und Spionagebehörden einschließlich des Inlandsgeheimdienstes MI5 sollen verdächtige Landsleute bald einfacher in den USA beschatten dürfen. Künftig könnten sie mit einer nationalen Überwachungsordnung direkt an US-Provider und Internetkonzerne wie Amazon, Facebook, Google oder Microsoft herantreten und auf dieser Basis Telekommunikation abhören und Daten abfangen, wenn es sich um britische Bürger handelt. Dies geht aus einem Papier über Verhandlungen zwischen Vertretern der Regierungen der USA und Großbritanniens hervor, über das die "Washington Post" berichtet.

Britische Sicherheitsbehörden müssten demnach nicht mehr auf teils langwierige Rechtshilfeersuchen setzen, wenn es um die Strafverfolgung oder etwa die Terrorismusbekämpfung geht. Es gehe nicht an, dass man mögliche britische Übeltäter erst mit Monaten Verspätung überwachen könne, nur weil sie gängige Dienste von Online-Firmen nutzten, die ihren Sitz und ihre Server in den USA hätten, heißt es von beteiligten Unterhändlern. Andernfalls wachse der Druck auf die US-Konzerne, ihre Daten direkt in den Ländern aufzubewahren, in denen sie Kunden haben. Zudem häuften sich bereits jetzt Auskunftsersuchen ausländischer Sicherheitsbehörden bei den Internetriesen, was diese in die Bredouille bringe.

Ein Haken an der geplanten Übereinkunft: Britische Spione und Ermittler brauchen bislang in der Regel keine richterliche Anordnung, um die eigenen Bürger im Inland abhören und ausspähen zu dürfen. Eine Anweisung des zuständigen Ministers reicht meist aus. Die unabhängige richterliche Prüfung eines Überwachungsantrags gehöre in den USA dagegen zu den fundamentalen Verfassungsrechten, erläuterte Eric King von der Queen Mary University in London gegenüber der Zeitung. Dieser Grundrechtsschutz würde mit dem Abkommen auf US-Seite wegfallen. Auch ein Experte von der US-Datenschutzvereinigung Center for Democracy & Technology (CDT) warnte vor einer solchen "grundlegenden rechtlichen Veränderung".

Das Übereinkommen soll wechselseitige Ansprüche abdecken: US-Sicherheitsbehörden könnten also auch direkt einen britischen Provider anzapfen, wenn die Maßnahme sich gegen einen US-Bürger richtet. Washington ist schon jetzt der Ansicht, dass es das Anti-Terror-Gesetz Patriot Act sowie andere US-Rechtsgrundlagen Geheimdiensten wie der NSA oder der Polizeibehörde FBI schon heute gestatten, Daten von US-Konzernen auch im Ausland abzufangen. Microsoft geht gegen diese Praxis gerichtlich vor.

Nicht klarer wird die Rechtslage durch die Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs gegen das Safe-Harbor-Abkommen. Auf dieser Basis beruhten bislang viele transatlantische Datenübertragungen. Der Übereinkunft soll ein "Privacy Shield" folgen, das angeblich die Zugriffsmöglichkeiten für US-Spione einschränkt. Sollten sich London und Washington nun auf ein Überwachungsverfahren ohne Rechtshilfe verständigen, dürfte dies vergleichbare Begehrlichkeiten bei vielen anderen europäischen Staaten wecken. Der vorgeschlagene Datenschutzschild wäre so noch löchriger, als er bisher schon angelegt ist. (jo)