Neuer ICANN-Chef: Ein Regulierer in der Multi-Stakeholder-Manege

Der frischgebackene ICANN-CEO Göran Marby wird sich schnell der Gretchenfrage stellen müssen: Wie hält es der Schwede mit der Multi-Stakeholder-Gemeinde? Mit der ICANN gibt es wichtige Aufgaben zu bewältigen.

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Göran Marby

Schwedens Chefregulierer Göran Marby wird neuer CEO der ICANN.

(Bild: PTS/heise online)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Der zum Geschäftsführer und Präsidenten der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) berufene Göran Marby hat sich ausdrücklich zum Multi-Stakeholder-Prozess der Netzverwaltung bekannt. Das Konsensprinzip sei ja eigentlich eine schwedische Erfindung, sagte der derzeitige Direktor der schwedischen Regulierungsbehörde PTS in einer Telefonkonferenz am Dienstagabend.

Kurz zuvor hatte die ICANN den Nachfolger des amtierenden CEO Fadi Chehadé vorgestellt. Dessen Posten soll Marby im Mai übernehmen. Die ICANN ist dabei, die Aufsicht über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und damit die zentrale Rootzone zu übernehmen. Noch ist nicht ausgemacht, dass der Rückzug der US-Regierung aus ihrer Aufsichtsrolle vor den US-Präsidentschaftswahlen klappt.

Marby musste sich auch kritischen Fragen stellen. In Schweden hatte Jon Karlund, Geschäftsführer des Providers Bahnhof, zuletzt den Führungsstil und die mangelnde Transparenz des Chefregulierers kritisiert. Marby sieht darin keinen Widerspruch zu seiner Rolle als ICANN-Chef. Als Regulierer stehe er "zwischen den Providern und Leuten" und müsse Entscheidungen treffen, die für niemanden nur erfreulich seien, sagte Marby. Zugleich räumte er ein, er habe Einiges lernen müssen und das gelte auch für seinen neuen Job.

Marby, den die schwedische Regierung erst noch formell abberufen muss, soll ab Mai das Steuer der ICANN übernehmen. Der Verwaltungsrat der Netzverwaltung hatte lange nach einem Kandidaten für die Nachfolge Chehadés gesucht. Für Marby habe unter anderem seine Rolle bei Verhandlungen innerhalb der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) gesprochen, sagte der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Steve Crocker. Auf der World Conference on International Telecommunication (WCIT) habe Marby für das offene Internet gekämpft. Marby verwies überdies auf seine Erfahrungen als Ausrichter des European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG) 20112 in Stockholm.

Chehadé verlässt die ICANN Mitte März und wird Berater der Chefetage des Weltwirtschaftsforums (WEF). Mit dem WEF zusammen hatte Chehadé vor zwei Jahren die umstrittene NetMundial Initiative auf den Weg gebracht. Daraufhin wurde dem ICANN-Chef vorgeworfen, eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den Selbstverwaltungsgremien der Organisation gehandelt zu haben. In diesen Gremien ist die Domainbranche, aber auch deren verschiedene große und kleine Nutzer sowie die Regierungen vertreten – und alle wollen mitreden.

Sich in dem Gewirr von Gremien, den sogenannten Supporting Organisations, Advisory Committees und Constituencies zurechtzufinden, sei wohl die größte Herausforderung für den Outsider Marby, meint der Internet-Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter. Es werde nicht leicht, dabei nicht zwischen die Fronten der ständig miteinander ringenden Gruppen zu geraten.

Kleinwächter begrüßte, dass mit einem Schweden erstmalig ein Europäer eine der beiden Führungsposition in der ICANN innehat. Seine Erfahrungen aus den ITU-Verhandlungen könnten helfen, "den Entspannungsprozess zwischen ICANN und ITU weiterzuführen". Ziemlich gespannt darf man überdies sein, wie der erste Auftritt eines europäischen ICANN-Chefs auf dem Kapitol ausfällt.

Die Absicht des Verwaltungsrates, dem neuen CEO weniger Reisen aufzubürden, bewahrt Marby vielleicht vor Unbill: Für rund 700.000 Dollar jettete Chehadé rund um den Globus, eine Tortur, die man keinem künftigen CEO mehr zumuten wolle, sagte Crocker. Die Bezahlung für den Job dürfte dabei hoch bleiben. Chehadés zuletzt 2014 verhandeltes Gehalt belief sich auf 630.000 Dollar Grundgehalt plus 270.000 erfolgsabhängige Prämienzahlungen. (vbr)